Personalwechsel bei SPD Die NRW-SPD stellt sich neu auf

Die GroKo in Berlin steht – nun muss sich der mächtige nordrhein-westfälische Landesverband neu sortieren. Landeschef Groschek macht den Anfang.

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Der Landesvorsitzende der SPD verzichtet auf die erneute Kandidatur für den Parteivorsitz. Quelle: dpa

Düsseldorf Nach dem wochenlangen Kampf um die große Koalition im Bund muss sich die nordrhein-westfälische SPD wieder mit ihrer eigenen Zukunft beschäftigen. Bald ein Jahr seit der schweren Schlappe bei der Landtagswahl steht der mitgliederstärkste SPD-Landesverband vor einem inhaltlichen und personellen Neuanfang.

Den Startschuss gab Landeschef Michael Groschek am Freitagabend – indem er auf eine erneute Kandidatur für den Parteivorsitz verzichtete. „Jünger und weiblicher“ solle die Partei jetzt werden, sagte er. Wobei das Gesicht der NRW-SPD ja über Jahre lang weiblich geprägt war durch die einstige Vorsitzende und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Groschek hatte nach der Wahlniederlage das Ruder in der schwer angeschlagenen SPD übernommen.

„Wir werden eine große personelle Erneuerung an der Spitze der SPD erleben“, verkündete der 61-Jährige – und eröffnete damit das Rennen um die Führungsposten. Keiner der potenziellen Kandidaten, deren Namen seit Wochen gestreut werden, hat sich bisher aus der Deckung getraut. Genannt werden etwa der Kölner Landtagsabgeordnete Martin Börschel (45), Partei-Vize Marc Herter (43) oder auch Ex-Justizminister Thomas Kutschaty (49).

Unter den Frauen, die auf Svenja Schulze als Generalsekretärin folgen könnten, werden Sarah Philipp (35) aus Duisburg und die Dortmunder Unterbezirkschefin Nadja Lüders (47) ins Spiel gebracht. Den Wahlparteitag zog der Landesvorstand von September auf den 23. Juni vor – und erhöhte damit den Druck, rasch neues Führungspersonal zu finden.

Damit die Kür nicht aus dem Ruder läuft, soll eine Art Findungskommission „im kleinen Kreis“ ein Personaltableau für die wichtigsten Posten aufstellen, das dann von Präsidium und Landesvorstand abgesegnet und vom Parteitag beschlossen werden soll. Personalquerelen, wie sie die Bundes-SPD unrühmlich vormachte, will Groschek vermeiden. Aber es soll auch nicht so aussehen, als wolle die engere Parteiführung kungeln. „Jeder und jede hat das Recht, sich für Spitzenpositionen zu bewerben“, sagt Groschek. „Aber nur ganz wenige haben die Fähigkeit dazu.“ Und: „Ja, aber klar“ habe er schon Vorstellungen, wer künftig die NRW-SPD anführen könnte.

Auch ein weiterer wichtiger Posten, der SPD-Fraktionsvorsitz im Landtag, ist neu zu vergeben. Wohl Ende Mai soll ein Nachfolger für Fraktionschef Norbert Römer (71) gewählt werden. Auch da will Groschek Konsens statt Kampf. Natürlich könne die SPD-Fraktion selber über ihre Personalien entscheiden, betont er. Aber er spiele in dem Prozess eine „moderierende Rolle“.

Denn beim Personaltableau werden auch die vier SPD-Regionen ein gewichtiges Wort mitreden wollen, heißt es in der Partei. Derzeit stellt das westliche Westfalen die meisten Abgeordneten. Wenn es nach der Stärke der Region ginge, könnten etwa Marc Herter aus Hamm und auch Nadja Lüders aus Dortmund recht gute Chancen haben.

„Erneuerung“ ist die Devise überall. Was aber inhaltlich neu werden soll, ist noch recht schwammig. „Es gibt viele unterschiedliche Vorstellungen, was man unter Erneuerung zu verstehen hat“, sagt der Essener SPD-Chef Kutschaty. „Es reicht nicht, dass ein Ortsverein eine WhatsApp-Gruppe gründet.“ Die SPD müsse auch eine Haltung zu den „Altlasten“ wie Hartz IV entwickeln. „Wollen wir Korrekturen?“ Die Partei müsse Fehler benennen und „weg vom Klein-Klein“. „Wir müssen Antworten finden auf die Zukunftsängste der Menschen“, sagt Kutschaty. Rente, Pflege, Integration seien die Mega-Themen vor Ort.

Gerade im Ruhrgebiet mit seinen sozialen Brennpunkten und dem Vormarsch der AfD in alten SPD-Bastionen müssen die Sozialdemokraten sich neu behaupten. „Politik kann nicht nur dagegen sein, man muss auch sagen, was die Alternative ist“, sagt Lüders. Und ja, auch die Basis müsse wieder eingebunden werden.

Das Prinzip „jung und weiblich“ sieht Lüders eher nüchtern. „Weiblich und jung allein reicht nicht. Da muss schon etwas mehr dabei sein.“ Lüders ist die bisher einzige, die offen mit Blick auf den Generalsekretärsposten sagt: „Zutrauen würde ich mir das, aber es kommt aufs Team an.“

Sollte der neue SPD-Vorsitzende ein Mann sein, so steht nämlich für die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen fest, dass der Posten des Generalsekretärs mit einer Frau besetzt wird. Das habe bislang auch niemand in der NRW-SPD infrage gestellt, sagt die Vorsitzende Daniela Jansen.

Beim Stichwort „jung“ wollen natürlich die Jusos, die vergeblich gegen die Neuauflage der großen Koalition kämpften, an die Front. Sie fordern eine „radikale personelle Verjüngung“ der Partei und „mindestens auf der Ebene der stellvertretenden Parteivorsitzenden“ einen festen Platz für die Jusos.

Klar ist aber auch: Wer künftig an der Spitze der Fraktion oder Partei steht, muss das Zeug haben, Spitzenkandidat zu werden und CDU-Ministerpräsident Armin Laschet bei der nächsten Landtagswahl herauszufordern. Und was will Groschek künftig machen? „Mal gucken.“

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