Peter Altmaier Darf der Kanzleramtsminister ein Wahlprogramm schreiben?

Der CDU-Politiker Peter Altmaier ist eines der mächtigsten Mitglieder der Bundesregierung. Nun übernimmt er eine neue Aufgabe für die CDU. Ist das problematisch oder gar „verfassungswidrig“, wie nun behauptet wird?

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Der Kanzleramtsminister hat bald auch ein eigenes Büro in der CDU-Zentrale. Quelle: dpa

Düsseldorf Es begann mit einer Meldung der „Bild“-Zeitung. Kanzleramtschef Peter Altmaier solle den Wahlkampf der CDU führen, meldete die Zeitung am 9. Januar. Altmaier ist Chef des Kanzleramtes und damit einer der wichtigsten Getreuen von Bundeskanzlerin Angela Merkel innerhalb der Regierung. Inhaltliche Unterscheide zwischen beiden sind kaum auszumachen.

Erwähnenswert an der Personalie, wenn sie denn stimmte, wäre zweierlei: Erstens ist die Leitung des Wahlkampfes normalerweise Sache des Generalsekretärs, in diesem Fall also von Peter Tauber. Zweitens hat Altmaier die Verantwortung für wichtige Regierungsgeschäfte. Sich gleichzeitig in die strategischen Tiefen einer Wahlkampagne zu begeben, ist diffizil. Wenn Altmaier in Talkshows auftritt, wirkt er bislang als ruhige, ausgleichende Stimme. Als Wahlkampfleiter wäre er gleichzeitig für die Attacken auf politische Kontrahenten verantwortlich.

Insofern lag eine gewisse Brisanz in der Aussage der „Bild“, die Kanzlerin wolle den Wahlkampf „überwiegend aus dem Kanzleramt führen lassen“. Dazu ist dieses Amt schlicht nicht gedacht. Auch von weiteren Personalverschiebungen war die Rede. Altmaier dementierte umgehend und deutlich: „Diese Meldung (...) zu personellen Veränderungen im Bundeskanzleramt ist unzutreffend und entbehrt jeder Grundlage“, schrieb er bei Twitter.

Dann passierte zwei Monate lang nichts. Am gestrigen Montag wurden die Gremien der CDU dann darüber informiert, dass Altmaier „das Wahlprogramm der Union koordinieren und schreiben“ solle. Dazu erhalte er ein eigenes Büro im Konrad-Adenauer-Haus, also in der Bundeszentrale der CDU.

Hat Altmaier also gelogen, als er den „Bild“-Artikel zurückwies? Sein Tweet von damals sei „uneingeschränkt zutreffend“ betont er. „So was von!“ Und er weist darauf hin, dass die Koordinierung des Wahlprogramms etwas anderes sei als einen Wahlkampf zu führen.

Die eine Aufgabe, die Koordinierung des Programms, ist parteiintern. Dabei kommt es darauf an, die verschiedenen Interessen und Flügel der Partei sowie der Schwesterpartei CSU zusammenzuführen und daraus ein Konzept für die nächste Legislaturperiode zu entwickeln. In anderen Parteien legen die Spitzengremien einen Leitantrag vor, der auf einem Parteitag dann verändert und beschlossen wird. Diesen Umweg gibt es bei der Union nicht: Dort wird das Programm von den Parteivorständen von CDU und CSU beschlossen, ohne dass die Basis den Prozess aufhalten könnte. Umso wichtiger ist es nun für Altmaier, dem Vorstand einen ausgefeilten Entwurf vorzulegen.

Bei der anderen Aufgabe, der Leitung des Wahlkampfes, kommt es darauf an, dieses Konzept in Slogans, Plakate, Werbespots, Broschüren, Onlinewerbung, Bühnenauftritte – sprich: in eine Kampagne umzusetzen.

Das ist nun also die Arbeitsteilung im Konrad-Adenauer-Haus: Tauber leitet den Wahlkampf, Altmaier koordiniert die Erstellung des Programms. Sowohl die „Bild“-Zeitung wie auch Politiker von außerhalb der Union geben sich Mühe, diesen Unterschied zu verwischen. Was bleibt von der ursprünglichen Geschichte übrig?


Altmaier kontert SPD-Kritik

Eine Teilentmachtung Taubers ist der Schritt auf jeden Fall, auch wenn dieser betont, er persönlich habe Altmaier um Unterstützung gebeten. Denn auch die Koordinierung des Programms wäre eigentlich eine Aufgabe für einen Generalsekretär.

Die andere brisante Frage, wie sehr ein hochrangiges Regierungsmitglied in die Parteiarbeit eingreifen sollte, bleibt bestehen. Immerhin muss Altmaier in der einen Rolle die Interessen des Landes, in der anderen Rolle nur die Interessen seiner Partei vertreten. Und immerhin wird er von den Steuerzahlern dafür entlohnt, seine Arbeitszeit für die Leitung des Kanzleramtes zur Verfügung zu stellen. Ist da noch Zeit, nebenher ein wichtiges Projekt für die Partei zu leiten?

Die Kritik ist unüberhörbar: Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki nannte die „Verquickung von Regierungsamt und parteipolitischer Betätigung“ „eklatant verfassungswidrig“. Politiker der SPD stimmten ihm zu.

Die Grünen haben wegen solcher Konflikte einst die Trennung von (parteipolitischem) Amt und (Parlaments- beziehungsweise Regierungs-) Mandat eingeführt – auch wenn diese nicht immer streng durchgehalten wird. In anderen Parteien ist es üblich, dass hohe Ämter mit wichtigen Mandaten verbunden werden: Die Kanzlerin ist gleichzeitig CDU-Vorsitzende (und hat als solche auch die Verantwortung für Wahlprogramm und Wahlkampf), Vizekanzler Sigmar Gabriel war bis vor Kurzem gleichzeitig SPD-Vorsitzender.

Altmaier will die Kritik darum nicht gelten lassen. Er arbeite genauso intensiv an Koalitionskompromissen wie Arbeitsministerin Andrea Nahles, Familienministerin Manuela Schwesig und Familienminister Heiko Maas, die am Programm der SPD mitschreiben.

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