
Peter Altmaier ist umzingelt. Von Interessen. Und von immer neuen Zielkonflikten, wie er es nennt. An der Küste wollen sie unbeschränkt Wind machen, im Süden Mais zu Biogas umwandeln und die Landschaft mit Solarfeldern zupflastern. In der Mitte sind sie gegen neue Netze. Die einen wollen Zuschüsse für Gaskraftwerke, die anderen Sozialrabatte bei den Energiekosten. Wer soll das alles bezahlen? Die FDP positioniert sich als Anwalt des Strompreises und macht schon mal Wahlkampf gegen allzu üppige Ökostrom-Vergütungen.
100 Tage Bundesumweltminister heißt auch 100 Tage Expedition in den Lobbydschungel. Von morgens bis abends redet Altmaier: Sei es mit dem Umweltschützer im Wattenmeer, der sich um die Schweinswale beim Bau von Windparks fürchtet. Oder mit dem Boss des Energiekonzerns.
Alle werden umarmt, umgarnt. Er freut sich, dass dank seiner Omnipräsenz die Energiewende wieder stärker in den Fokus gerückt ist. Um selbst und mit seinem Thema im Gespräch zu bleiben, steigt er auch schonmal auf die Seehundwaage (141 Kilo). Und posiert auf einem Feld mit einem bunten Plastikwindrad. Er verbreitet gute Laune, kündigt an, erdet hochtrabende Visionen und wird als der Energiewendeminister wahrgenommen. FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler (Altmaier: „Wir haben entschieden, uns zu verstehen“) drängt er so an den Rand.
Meinungen zu Altmaier
"Seine Bilanz ist eine herbe Enttäuschung."
"Wir haben einen hervorragenden Bundesumweltminister. Ich glaube das Land kann sehr zufrieden sein."
"Altmaier ist schwer zu verstehen."
"Er hat sich unglaublich schnell in die komplexe Materie seines Ressorts eingearbeitet."
Er will nicht ein Fiasko erleben - wie sein Vorgänger
Zumal sich Altmaier auch in dessen Belange, etwa den Netzausbau, einmischt und symbolisch auch schonmal ein Erdkabel selbst verlegt. Und er betont die Interessen der Industrie, er verteidigt deren Rabatte bei der Ökoenergie-Förderung, der BDI ist voll des Lobes.





Doch nach 100 Tagen im Amt stellt sich die Frage: Wofür steht er? Ist Altmaier mehr Umwelt- oder mehr Wirtschaftsminister? Was kann der 54-jährige Saarländer noch bis zu Bundestagswahl 2013 erreichen? Kann die zuvor als Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion praktizierte Methode der dauerhaften Kompromissuche funktionieren? Es braucht eine Reform beim milliardenschweren System zur Förderung erneuerbarer Energien, damit die Strompreise nicht zu stark steigen - und damit nicht die Akzeptanz für die Energiewende schwindet. Nur kostenlose Energieberatungen dürften jedenfalls nicht ausreichen.
Doch er wartet ab, weil er nicht wie Vorgänger Norbert Röttgen im Bundesrat mit der Kürzung der Solarförderung ein Fiasko erleben will. Die FDP und ihr Vorsitzender Rösler wollen aber nicht, dass die Reform auf die lange Bank geschoben wird. Doch Altmaier hat das Problem, dass im Januar im Wind-Land Niedersachen („Ein Premiumpartner bei der Energiewende“) und im Herbst 2013 im Solar-Land Bayern gewählt wird.