Peter Hintze ist tot „Ein Demokrat aus dem Bilderbuch“

Gott habe etwas mit seinem Leben, aber nichts mit seinem Tod zu tun, hat Hintze einmal gesagt. Der gelernte Pfarrer war ein warmherziger Rheinländer. Und ein streitbarer Politiker. Die Union vermisst ihn.

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Zuletzt hatte der Christdemokrat für Sterbehilfe gekämpft. Quelle: dpa

Berlin Zuletzt hatte der Christdemokrat Peter Hintze auch für Sterbehilfe gekämpft. Er wollte Rechtssicherheit schaffen für Ärzte und Patienten, die einen ärztlich assistierten Freitod in einer „aussichtslosen Schmerz- oder Ekellage“ ermöglicht. Zugleich führte er einen ganz persönlichen Kampf. Gegen einen todbringenden Krebs, der 2013 festgestellt wurde.

Dennoch stürzte er sich damals in den Wahlkampf, verhandelte die neue große Koalition mit aus, fuhr zu EU-Gipfeln und nahm das Amt als Bundestagsvizepräsident an. Die Ärzte hatten ihm gesagt, er solle kürzertreten, aber nicht aufhören, weil das Vollblutpolitikern wie ihm mehr schaden als helfen würde. So machte Hintze Politik und zugleich eine Chemotherapie.

Der Unionsfraktion im Bundestag wird er fehlen. So streitbar er war, so respektvoll ging er mit der Meinung der Mehrheit um. „Ein Demokrat aus dem Bilderbuch“, sagt ein Weggefährte. Loyal, fast immer guter Laune, eine echte rheinische Frohnatur. Auch sterbenskrank sei er nie verbittert gewesen, berichten Kollegen und Begleiter am Sonntag.

Hintze gehörte zu den Politikern, die Kanzlerin Angela Merkel lange kennt und denen sie vertraut. Anfang der 1990er Jahre war er Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Frauen und Jugend, in eben jenem Ressort, das damals von einer jungen Frau aus dem Osten geführt wurde: Merkel.

1994 und 1998 organisierte Hintze für Kanzler Helmut Kohl die Bundestagswahlkämpfe. Er dachte sich 1994 mit einigen anderen die Rote-Socken-Plakate aus – eine Anspielung auf die damals von der PDS tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt. Vier Jahre später entwickelte er eine „Rote-Hände“-Kampagne, was ihm auch innerparteilich viel Kritik einbrachte. Denn das wurde vielfach als Positionierung der Union gegen Ostdeutsche verstanden. So wurde für den Machtverlust 1998 mitverantwortlich gemacht.

Merkel wurde Nachfolgerin von Hintze im Amt des CDU-Generalsekretärs. Und kämpfte sich 2000 an die Parteispitze. Doch der Kohl-Mann Hintze überstand den parteiinternen „Systemwechsel“. 2005 wurde er Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, 2007 zusätzlich Koordinator der Regierung für Luft- und Raumfahrttechnik, 2013 dann Bundestagsvizepräsident. Zu seinen Fähigkeiten gehörte das Strippen ziehen – und das Schweigen.

Dem Bundestag gehörte er seit 1990 an. 2002 wurde er Vizepräsident der Europäischen Volkspartei EVP. Den Posten gab er vor gut einem Jahr ab. Für seine Überzeugungen kämpfte er immer mit vollem Einsatz – etwa gegen das Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID). Zwar unterlag seine Gruppe beim CDU-Parteitag 2010 mit 49 zu 51 Prozent den Gegnern der Gentests an Embryonen. Doch das knappe Ergebnis war eine Sensation und Hintze wusste, dass damit eine Abstimmung im Bundestag ohne Fraktionszwang für die PID ausgehen würde. Der Vater eines Sohnes konnte es so sehr nachfühlen, wie es ist, wenn Paare mit sehnlichem Kinderwunsch, aber einer Veranlagung für eine schwere Erbkrankheit, nicht durch Gentests die Chance auf die Geburt eines gesunden Kindes bekommen sollten. Für ihn war das unbarmherzig.

Mit seiner liberalen Position in der Debatte um Sterbehilfe stellte sich der studierte evangelische Pfarrer nicht nur gegen die Spitze seiner Partei und die Mehrheit seiner Fraktion, sondern auch gegen die eigene und die katholische Kirche.

Zwischenzeitlich sah es so aus, dass Hintze den Krebs doch besiegen könnte. Aber dann kam der Rückschlag, er musste wieder in die Klinik und künstlich ernährt werden. Um eine SMS war er jedoch nie verlegen und meldete sich auch vom Krankenbett aus zu Wort.

Mit Gott haderte er nicht. Gott habe etwas mit seinem Leben, aber nichts mit seinem Tod zu tun, sagte Hintze einmal der Deutschen Presse-Agentur. Er wurde am 25. April 1950 in Bad Honnef geboren und starb in der Nacht zum Sonntag im Alter von 66 Jahren.

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