Petry gegen Höcke und Co. Der Machtkampf in der AfD ist unvermeidlich

Die Wahlerfolge der AfD gehen auf das Konto der Bundesregierung. Dass sie nicht noch viel höher ausfallen, verdanken die etablierten Parteien den AfD-Radikalen um Björn Höcke, die die ökonomische Kompetenz und bürgerliche Wähler vergraulen.

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AfD: Frauke Petry und Björn Höcke im Zwist. Quelle: dpa, Montage

Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September steht, wenn man den Umfragen traut, ein erneuter Erfolg der AfD bevor. Der SPD von Ministerpräsident Erwin Sellering droht ein Absturz von 35,6 auf rund 22 Prozent, vielleicht noch hinter der AfD.

Für die in Schwerin Regierenden ist das eine Katastrophe mit Ansage und für die in Berlin Regierenden eines von mittlerweile kaum noch aufzählbaren Fanalen. Sie verlieren massenhaft Wähler an eine Partei, die selbst alles andere als gefestigt erscheint. Eine Partei, die vor allem mit ihren extremen innerparteilichen Machtkämpfen statt mit Konzepten für Nachrichten sorgt. Einer Partei mit einem Thüringer Landeschef namens Björn Höcke, der in einem aktuellen Brandbrief dem eigenen Parteivorstand empfiehlt, sich aus der eigentlichen Politik herauszuhalten und "sich mit der Erstellung von Werbematerial und alternativen Medienstrategien" zu beschäftigen. Einer Partei, die derzeit vor allem die Frage umtreibt, ob sie einen Sonderparteitag nötig habe, um diesen Bundesvorstand neu zu besetzen.

Für die vergangenen Wahlerfolge ebenso wie für die wohl noch bevorstehenden hat die AfD programmatisch nicht viel tun müssen. Den Wahlkampf für die AfD betreibt vor allem die Bundesregierung selbst, indem sie angestammte Unions- und SPD-Wähler scharenweise vergrault. Dafür, dass es nicht noch viel übler ausgeht für die Regierenden, sorgt allerdings die AfD. Das ist Wahlkampf verkehrt.

Denn vermutlich schöpft die AfD ihr Potential noch längst nicht aus. Das legen nicht nur die viel größeren Erfolge der programmatisch ähnlich aufgestellten FPÖ in Österreich nahe, sondern auch die Differenz zwischen der riesigen Unzufriedenheit mit der Bundesregierung  und der tatsächlichen Wählerschaft der AfD.

Die Zustimmung zu Angela Merkels Flüchtlingspolitik sank laut ARD-Deutschland-Trend um acht Punkte auf jetzt 34 Prozent, ihre Politik insgesamt finden nur noch 47 Prozent der Deutschen gut. 44 Prozent der Deutschen wünschen eine völlige Schließung der Grenzen für Flüchtlinge, laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage.

Wie die etablierten Parteien mit der AfD umgehen

Letzte Hemmschwelle vor den Rechtspopulisten

Da die im Bundestag vertretenen Oppositionsparteien beim derzeit alles dominierenden Einwanderungsthema ganz auf Regierungslinie sind, bleibt denen, die das Vertrauen in die Regierung verloren haben, nur: Augen zu und weiter auf eine Umkehr bei Union und SPD hoffen, resignieren und gar nicht wählen – oder AfD wählen.

Letzteres haben derzeit etwa 12 Prozent der Deutschen vor. „Nur“ muss man sagen, denn der von Ursula von der Leyen nach den letzten Landtagswahlen gezogene Schluss, dass offenbar über 80 Prozent die Einwanderungspolitik Merkels mittrügen, ist angesichts der oben genannten Umfragen schlicht falsch. Tatsächlich ist es wohl eher so, dass allein eine Hemmschwelle noch größere Stimmenwanderungen von Union und SPD zu den Rechtspopulisten verhindert.

Das größte Problem der AfD heißt Björn Höcke. Seine Prominenz innerhalb der Partei hält bürgerliche Kritiker der etablierten Parteien davon ab, zur AfD überzulaufen. Der Mann befindet sich ohne Frage mit seinem politischen Weltbild am äußersten rechten Rand des verfassungsrechtlich akzeptablen Spektrums. Für bürgerlich, konservativ oder liberal denkende Menschen ist er nicht wählbar. Übrigens nicht nur wegen des nationalistisch bis völkischen Tons seiner Auslassungen, sondern auch wegen seiner quasi-sozialistischen, kollektivistischen Vorstellungen. Der Mann will keine Bürgergesellschaft, sondern eine Volksgemeinschaft. Das freie Individuum, geschweige denn der selbstständige Unternehmer, kommt in seinen Reden und Facebook-Posts nicht vor.

So jemand kann in Deutschland und erst recht in Thüringen durchaus eine gewisse Wählerschaft und auf Facebook eine in die Tausende gehende Gefolgschaft anziehen. Aber er stößt eben noch deutlich mehr potentielle Wähler und erst recht potentielle Mitglieder und Unterstützer ab. Wer bürgerliche Ideale lebt und einen gesellschaftlichen Ruf zu verlieren hat, kann keinen Höcke unterstützen.

Die Gesichter der AfD

Und darum kann eine Partei, die einen Höcke in führender Position hat, in einer immer noch bürgerlich geprägten deutschen Gesellschaft nicht zur Volkspartei aufsteigen. Je prominenter und präsenter Höcke und seine tatsächlich gläubigen Anhänger oder einfach nur zynisch-taktischen Verbündeten in der AfD sind, desto mehr Grund gibt es für potentielle Unterstützer, den Mitgliedsantrag, die Spende oder auch nur Wahlstimme zurückzuhalten.

Mit Höcke platzt der Plan der AfD, eine Volkspartei zu werden

Schon als die AfD noch eine Partei der Ökonomie-Professoren und Ex-Unionsmitglieder war, versuchten nicht nur professionelle „Antifaschisten“ sondern vor allem die CDU – nach einer kurzen, gescheiterten Phase der betonten Ignoranz – die neue Konkurrenz als rechts vom akzeptablen Spektrum zu präsentieren.

Natürlich gab es von Anfang an neben den Professoren auch höchst zweifelhafte Rechtsaußenvertreter. Doch nun gibt es dank Höcke und Konsorten sehr viel mehr Argumente für den Vorwurf als damals. Allerdings muss man sagen: Jede Stigmatisierung eines politischen Gegners steigert auch die Tendenz zu einer sich selbst verstärkenden  Radikalisierungsspirale. Die Gemäßigten, die einen öffentlichen Ruf und Freundschaften zu verlieren haben, springen ab und die Übriggebliebenen legen - ist der Ruf erst ruiniert - alle Hemmungen ab.

In der AfD gibt es neben den überzeugten Höcke-Anhängern eine gewisse Zahl ehrgeiziger Leute, die aus taktischen Erwägungen Zweckbündnisse mit ihm einzugehen bereit sind. Es mag darunter Leute geben, die vorhaben, ihn später, wenn er seinen taktischen Zweck für ihre Ambitionen erfüllt hat, loszuwerden, um das Projekt der neuen Volkspartei wieder aufzunehmen, bevor es endgültig zerstört ist. Das ist ein Spiel mit dem Feuer.

Es gibt aber vermutlich auch den ein oder anderen, der lieber ein paar Jahre an der Spitze einer gesellschaftlich geschmähten 5-Prozent-Partei Landtagsfraktionschef ist, als auf der Hinterbank einer 20- oder 30-Prozent-Partei im Bundestag zu sitzen – oder ganz in der innerparteilichen Versenkung zu verschwinden.

Gauland hat kaum noch einen Ruf zu verlieren

Frauke Petry hat vor, die AfD zu einer konservativen Volkspartei zu machen. Zu einer, die die von ihr so genannten „Altparteien“ angreift und in der Öffentlichkeit provoziert, aber letztlich doch irgendwann ein akzeptabler Gesprächs- und vielleicht sogar irgendwann Koalitionspartner für andere Parteien sein soll. Und sie will diese Partei alleine führen. Sie wird wissen, dass das mit einem Höcke nicht geht.

Vermutlich weiß das auch Alexander Gauland. Trotzdem nennt er Höcke einen „Freund“ und übt immer wieder den Schulterschluss mit ihm. Vermutlich hat er, der als Ex-CDU-Staatssekretär noch eine persönliche Rechnung mit seinen früheren Parteifreunden offen hat, ohnehin andere Pläne mit der AfD als Petry. Einen Ruf zu verlieren hat der Mann jedenfalls allmählich nicht mehr.

Bei Jörg Meuthen und seinem Machtkampf mit Petry liegen die Dinge anders. Es geht offenbar vor allem ums Persönliche und die Macht an sich. Nach der unwürdigen Stuttgarter Schlammschlacht um den antisemitischen Spinner Wolfgang Gedeon hat Meuthen nun Petry via "Bild"-Interview ein öffentliches Versöhnungsangebot gemacht. Doch es wird vermutlich allenfalls einen Waffenstillstand geben.

Die Sprüche der AfD

Wenn die Kämpfe in der AfD-Führung weiter in gewohnter Manier als persönliches Hauen und Stechen stattfinden, erschweren diese, dass die neue Partei ihr Profil auf schwer zu beackernden Feldern schärft, ohne die sie langfristig keine seriöse Politik wird machen können. Die AfD wird, wenn sie nicht in ihrem eigenen Mief ersticken will, nicht nur mit Grundsatzkritik an der Einwanderungspolitik der etablierten Parteien punkten können, sondern in der Wirtschafts- und vor allem der Sozialpolitik den Test der Seriosität bestehen und eigene Antworten auf die großen ökonomischen Zukunftsfragen finden müssen.

Antworten auf grundlegende Probleme hat man lange nicht gehört von einer Partei, die mal von Ökonomieprofessoren gegründet wurde. Wenn sie durch Höcke und Konsorten ihre ohnehin seit der Abspaltung der „Alfa“-Partei arg geschmälerte ökonomische Kompetenz vergrault, wird sie den Test nicht bestehen und nie koalitionsfähig werden. Denn dann wird sie ihren Wählern nicht das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität stillen, sondern selbst nur Unruhefaktor sein.

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