Petry und Meuthen AfD steuert auf Führungskrise zu

Zwei Bundesvorsitzende hat die AfD, Frauke Petry und Jörg Meuthen. Beide stehen derzeit parteiintern unter Druck. Wenn es ihnen nicht gelingt, sich zu behaupten, schlittert die Partei in eine handfeste Führungskrise.

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Frauke Petry und Jörg Meuthen: Auf die beiden Parteivorsitzenden der AfD könnten turbulente Tage zukommen. Quelle: dpa

Berlin Es sind Schicksalstage für die AfD-Spitze: Innerhalb der rechtspopulistischen Partei stehen die beiden Bundesvorsitzende Frauke Petry und Jörg Meuthen unter erheblichem Druck. Einflussreiche AfD-Politiker wollen Petry als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2017 verhindern.

Ein Sturm braut sich auch über Petrys Mit-Bundeschef Jörg Meuthen zusammen. Am kommenden Dienstag muss er selbst eine Machtprobe bestehen. Auf sein Betreiben hin wird dann die AfD-Landtagsfraktion über den Ausschluss ihres Mitgliedes Wolfgang Gedeon wegen antisemitischer Äußerungen entscheiden. Meuthen hat persönliche Konsequenzen angedroht, sollte Gedeon Fraktionsmitglied bleiben.

Petry galt bislang als wahrscheinliche Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl. Die AfD-Bundesvorstandsmitglieder Albrecht Glaser und Dirk Driesing haben sich bereits öffentlich für die 41-Jährige ausgesprochen. Parteiintern heißt es jedoch, Petry genieße in großen Teilen der Parteispitze keinen Rückhalt.

Der Eindruck spiegelt sich wider in einem Treffen führende Parteigrößen am vergangenen Mittwochabend in Berlin. Bei der Zusammenkunft soll nach übereinstimmenden Medienberichten darüber gesprochen worden sein, wie Petrys Spitzenkandidatur verhindert werden könnte. Der AfD-Chefin habe man unter anderem vorgeworden, „charakterlich ungeeignet“ zu sein, berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) ohne Nennung von Quellen. Eine an Petry schriftlich gestellte Bitte des Handelsblatts um eine Stellungnahme, ließe die AfD-Chefin unbeantwortet.

Gegenüber dem RND nannte sie den Vorwurf „zu unspezifisch, um ihn zu kommentieren“. Derartige Attacken wolle sie wie in der Vergangenheit intern klären. Sie kündigte an, mit Meuthen die Situation zeitnah besprechen zu wollen.

Meuthen hatte zuvor die baden-württembergische AfD-Politikerin Alice Weidel als mögliche Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Bundestagswahl 2017 ins Spiel gebracht.  Er sagte der „Bild“-Zeitung: „Ich könnte mir Alice Weidel sehr gut als Spitzenkandidatin vorstellen. Sie hat dafür das Format und wird sich in wenigen Tagen öffentlich äußern.“

Doch diese „Nominierung“ war mit Weidel wohl nicht abgesprochen. Sie reagierte am Donnerstag etwas erstaunt und sagte: „Ich freue mich über das von Jörg Meuthen entgegengebrachte Vertrauen und den Zuspruch, den ich für meine Arbeit in den verschiedenen Gremien bekomme. Allerdings ist die Frage der Spitzenkandidatur für mich kein Thema.“


Gauland: „Es ist nicht die Zeit, eine Spitzenkandidatur auszurufen“

Leicht angesäuert reagierte der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland auf Meuthens Vorstoß. „Es ist nicht die Zeit, eine Spitzenkandidatur auszurufen“, sagte Gauland der Nachrichtenagentur Reuters. „Wir glauben nicht, dass heute oder morgen eine Spitzenkandidatur in der AfD notwendig oder das Ziel unseres Handels sein sollte.“ Gauland meint zudem, seine Partei könne sich auch ein „Spitzenteam“ vorstellen.

Im Parteivorstand wird Gauland schon länger als möglicher Kandidat gehandelt. Meuthen hat bislang kein Interesse an dieser Position gezeigt. Der Vorsitzende der baden-württembergischen AfD-Landtagsfraktion steht außerdem bei seiner Fraktion im Wort. Er hatte versprochen, bis zum Ende der Legislaturperiode in Stuttgart zu bleiben.

Die Karten könnten allerdings neu gemischt werden, falls Meuthen die Fraktion demnächst aus anderen Gründen verlassen sollte. Meuthen hatte mit Austritt aus der Fraktion gedroht, sollte sich nicht die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit finden, um den AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon wegen antisemitischer Schriften aus der Fraktion auszuschließen. Die Abstimmung steht am kommenden Dienstag an.

Gedeon, der auch den Kreisverband Konstanz führt, hatte in einem Buch im Zusammenhang mit dem Holocaust von „gewissen Schandtaten“ und einer „Zivilreligion des Westens“ geschrieben. Die Kritik an ihm weist er als „Medienkampagne“ zurück. Meuthen hatte jedoch mehrfach betont: „Wir dulden keinen Antisemitismus in unseren Reihen.“

Rückendeckung erhält Meuthen auch von den Landesvorsitzenden seiner Partei. Die Äußerungen Gedeons passten in keiner Weise zur AfD, sagt der rheinland-pfälzische Fraktionsvorsitzende Uwe Junge. Sein Landesverband und die Fraktion in Mainz tolerierten diese nicht „und stellen sich hinter Jörg Meuthen“. Der Chef der Niedersachsen-AfD, Paul Hampel, erklärt: „Jörg Meuthen verteidigt das Parteiprogramm, indem er den Ausschluss von Herrn Gedeon fordert.“ In einer turnusmäßigen Telefonkonferenz befürworteten die Landeschefs denn auch mehrheitlich einen Parteiausschluss.


Meuthen vor Machtprobe, Petry Parteichefin auf Abruf

Ob sich Meuthen jedoch durchsetzen kann, ist nicht ausgemacht. Bei einem ersten Votum hatten 15 von 23 Mitgliedern der Fraktion für einen Antrag gegen Gedeon gestimmt. Bei einem Meinungsbild kurze Zeit danach sei der Anteil der Fraktion, der Gedeon loswerden will, aber geschrumpft, hieß es. Es wird also unwahrscheinlicher, dass die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommt. Auch Meuthen zeigt sich keineswegs überzeugt, dass seine Drohung den gewünschten Erfolg hat: „Es kann durchaus passieren, dass es nicht reicht.“ Dann wäre der Hochschulprofessor fraktionsloses Mitglied des Landtags.

Ob er sich dann noch als Bundesvorsitzender halten kann? Für den Ökonomen steht nach Meinung des Berliner Politikwissenschaftlers Oskar Niedermayer sogar noch weit mehr auf dem Spiel. „Wenn er die Fraktion verlässt, kann er meiner Meinung nach nur in der AfD bleiben, wenn er von der Partei eindeutig Rückendeckung erhält, das heißt, er müsste sich seine Position als Landesvorsitzender in einem außerordentlichen Parteitag bestätigen lassen“, sagte Niedermayer dem Handelsblatt. Sollte Meuthen scheitern, würde dies überdies das Machtgefüge in der Bundes-AfD „deutlich“ verschieben, weil er der „profilierteste Vertreter“ des moderaten Flügels sei.     

Und Petry? Sie wäre womöglich eine Parteivorsitzende auf Abruf. Nicht nur, weil ihr Rückhalt im Vorstand derzeit nicht sehr groß ist, sondern weil sich ihr Erzrivale, der Thüringer Landeschef Björn Höcke, immer deutlicher mit Einzelaktionen in Stellung bringt. Nur in ihrem sächsischen Landesverband ist Petry relativ unumstritten. Zudem kann sie auf die Anhänger ihres Lebensgefährten Marcus Pretzell setzen, der den nordrhein-westfälischen AfD-Landesverband leitet.

Mit Material aus Agenturen.

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