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Piraten-Geschäftsführer Ponader kündigt Rücktritt an

In endlosen Personaldebatten wurde Johannes Ponader immer wieder zum Rücktritt aufgefordert - ihm wird erhebliche Mitschuld am Niedergang der Piratenpartei in den Umfragewerten gegeben. Nun zieht der Piraten-Geschäftsführer die Konsequenz und geht von Bord. Die Partei steckt in der Krise.

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Johannes Ponader, der umstrittene Politische Geschäftsführer der Piratenpartei, zieht die Konsequenz aus dem parteiinternen Streit um seine Person und geht. Quelle: dpa

Der umstrittene politische Geschäftsführer der Piratenpartei, Johannes Ponader, will sein Amt im Mai aufgeben. Das teilte eine Parteisprecherin am Mittwochabend nach einer Bundesvorstandssitzung in Berlin mit. Ponader erklärte, er werde sein Amt auf dem Parteitag vom 10. bis 12. Mai in Neumarkt/Oberpfalz zur Verfügung stellen, obwohl dort nicht wie von ihm gefordert der komplette Vorstand neu gewählt werden soll. Er wolle seine Forderung nunmehr „persönlich umsetzen“.

Ponader stand in den letzten Monaten im Zentrum quälender Personaldebatten und war wiederholt zum Rücktritt aufgefordert worden. Dem 36-Jährigen, der seit knapp einem Jahr amtiert, wird erhebliche Mitschuld am Niedergang der Partei in den Meinungsumfragen gegeben, die nach derzeitigem Stand den Einzug in den Bundestag klar verpassen würde.

Ponader hatte zuletzt mehrfach dafür plädiert, beim Parteitag einen neuen Vorstand zu wählen, um die Partei fit für den Bundestagswahlkampf zu machen. Bei einer Mitgliederbefragung fand sein Vorschlag aber keine Mehrheit. Daher wollen sich die Piraten bei ihrem nun von zwei auf drei Tage verlängerten Parteitag vor allem ihrem Wahlprogramm widmen, mit Themen wie Freiheit und Grundrechte, Demokratiereform und Mitbestimmung, Datenschutz und Netzpolitik. Lediglich für vakante Vorstandsposten - mit Ponaders Position wären das drei - soll es Nachwahlen geben.

Die Werkzeuge der Piraten
PiratenpadEs ist der kollektive Notizblock der Piratenpartei: Im Piratenpad können gemeinsam Protokolle geschrieben oder Pressemitteilungen entworfen werden. Der Vorteil: In Echtzeit können mehrere Personen ein Dokument online bearbeiten, es wird farblich hervorgehoben, wer was geändert hat – das lässt sich damit unterscheiden. Technische Grundlage ist die inzwischen zu Google gehörende Software EtherPad, die auch Unternehmen nutzen können.
MumbleEines der wichtigsten internen Kommunikationswerkzeuge ist Mumble – eine Mischung aus Chat und Telefonkonferenz. Sogar viele Vorstandssitzungen werden hier abgehalten. Gegenüber klassischen Telefonkonferenzen gibt es mehrere Vorteile: Das Programm lässt sich leicht auf dem Computer installieren und über den Chat kann parallel kommuniziert werden – so können beispielsweise Links verschickt werden. Wenn jemand spricht wird das Mundsymbol neben dem Nutzernamen rot, dadurch kann man die Stimmen besser auseinanderhalten, als bei normalen Telefonkonferenzen. Ähnliche Funktionen bieten auch Skype oder TeamSpeak, dass vor allem von Online-Computerspielern zur Verständigung genutzt wird. Eine Institution bei den Piraten ist vor allem der „Dicke Engel“ (inzwischen umbenannt in ErzEngel). Jeden zweiten Donnerstag um 19:30 Uhr versammeln sich zahlreiche Piraten in diesem Mumble-Raum und diskutieren teils mit Gästen aktuelle Themen.
Liquid FeedbackEin zentrales Element ist das Computerprogramm Liquid Feedback (LQFB), eine Art Abstimmungstool, mit dem ermittelt werden soll, wie die Mehrheit der Partei zu bestimmten Positionen steht. Die Besonderheit: Das Programm gibt den Parteimitgliedern die Möglichkeit, ihre Stimme an eine andere Person zu delegieren, der sie mehr Kompetenz in bestimmten Fragen zutrauen. Allerdings ist Liquid Feedback so revolutionär wie umstritten. Während vor allem der Berliner Landesverband LQFB intensiv nutzte, waren andere Teile der Partei und auch der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz lange skeptisch. Wie intensiv das Programm genutzt wird und welche Bedeutung den Entscheidungen zukommt ist daher noch in der Diskussion.
Wikis  Wikis sind der Klassiker, die meisten Webseiten nutzen eine Wiki-Software. Sie lassen sich leicht erstellen, erweitern und vor allem auch von vielen Beteiligten bearbeiten. Das Piratenwiki ist damit die zentrale Informations- und Koordinationsplattform.     Auch manche Unternehmen setzen inzwischen Wikis ein – vor allem für die interne Kommunikation. Das bekannteste Projekt ist Wikipedia.
Blogs   Auch Weblogs werden intensiv genutzt. Viele Piraten betreiben eigene Blogs, auf denen sie Debatten anstoßen oder bestimmte Dinge kommentieren. Auch die Piratenfraktion Berlin hat nach dem ersten Einzug in ein Landesparlament ein Blog gestartet, um über ihre Arbeit zu informieren.
Twitter   Der Kurznachrichtendienst ist der vielleicht beliebteste Kanal der öffentlichen Auseinandersetzung, kaum ein Tag vergeht an dem nicht irgendeine Äußerung oder ein echter oder vermeintlicher Fehltritt zum #Irgendwasgate und #epicfail ausgerufen werden. 
Diaspora   Auch andere soziale Netzwerke werden natürlich intensiv genutzt. Jedoch ist Facebook beispielsweise bei manchem Piraten schon wieder out. Julia Schramm beispielsweise, Herausforderin von Sebastian Nerz um den Parteivorsitz, hat sich wieder abgemeldet: „Es ist wie ein widerlicher Kaugummi.“ Stattdessen nutzt sie das alternative Netzwerk Diaspora.

Ponader erklärte in seinem Blog im Internet, die Entscheidung zum Rücktritt habe zum einen persönliche Gründe. „Ich bin der Meinung, dass in einer so jungen Partei, wie wir das sind, sowohl die ehrenamtlichen Vorstände als auch die Partei nach einem Jahr gemeinsamen Wegs auf einem Wahlparteitag die Gelegenheit zu einer gemeinsamen Neubestimmung der Arbeit haben sollten.“

Es gebe aber auch politische Gründe. „Ein massiver Rückgang unserer Zustimmungswerte sowie das geringe Wahlergebnis in Niedersachsen müssen jedes verantwortungsvolle Mitglied unserer Partei nachdenklich machen. Ich sehe die Hauptverantwortung für diesen Vertrauensverlust beim Vorstand und unserer oft fragwürdigen Außenwirkung der letzten Monate.“ Und: „Im Kreuzfeuer ständiger Konflikte zu arbeiten ist anstrengend - für alle Beteiligten.“ Nach der Neuwahl eines politischen Geschäftsführers erhoffe er sich mehr Freiheit, „kraftvoll inhaltlich zu wirken“.

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