Piratenpartei Johannes Ponader: der Hartz-IV-Pirat

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Ponader wirbt mit Transparenz

Die Werkzeuge der Piraten
PiratenpadEs ist der kollektive Notizblock der Piratenpartei: Im Piratenpad können gemeinsam Protokolle geschrieben oder Pressemitteilungen entworfen werden. Der Vorteil: In Echtzeit können mehrere Personen ein Dokument online bearbeiten, es wird farblich hervorgehoben, wer was geändert hat – das lässt sich damit unterscheiden. Technische Grundlage ist die inzwischen zu Google gehörende Software EtherPad, die auch Unternehmen nutzen können.
MumbleEines der wichtigsten internen Kommunikationswerkzeuge ist Mumble – eine Mischung aus Chat und Telefonkonferenz. Sogar viele Vorstandssitzungen werden hier abgehalten. Gegenüber klassischen Telefonkonferenzen gibt es mehrere Vorteile: Das Programm lässt sich leicht auf dem Computer installieren und über den Chat kann parallel kommuniziert werden – so können beispielsweise Links verschickt werden. Wenn jemand spricht wird das Mundsymbol neben dem Nutzernamen rot, dadurch kann man die Stimmen besser auseinanderhalten, als bei normalen Telefonkonferenzen. Ähnliche Funktionen bieten auch Skype oder TeamSpeak, dass vor allem von Online-Computerspielern zur Verständigung genutzt wird. Eine Institution bei den Piraten ist vor allem der „Dicke Engel“ (inzwischen umbenannt in ErzEngel). Jeden zweiten Donnerstag um 19:30 Uhr versammeln sich zahlreiche Piraten in diesem Mumble-Raum und diskutieren teils mit Gästen aktuelle Themen.
Liquid FeedbackEin zentrales Element ist das Computerprogramm Liquid Feedback (LQFB), eine Art Abstimmungstool, mit dem ermittelt werden soll, wie die Mehrheit der Partei zu bestimmten Positionen steht. Die Besonderheit: Das Programm gibt den Parteimitgliedern die Möglichkeit, ihre Stimme an eine andere Person zu delegieren, der sie mehr Kompetenz in bestimmten Fragen zutrauen. Allerdings ist Liquid Feedback so revolutionär wie umstritten. Während vor allem der Berliner Landesverband LQFB intensiv nutzte, waren andere Teile der Partei und auch der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz lange skeptisch. Wie intensiv das Programm genutzt wird und welche Bedeutung den Entscheidungen zukommt ist daher noch in der Diskussion.
Wikis  Wikis sind der Klassiker, die meisten Webseiten nutzen eine Wiki-Software. Sie lassen sich leicht erstellen, erweitern und vor allem auch von vielen Beteiligten bearbeiten. Das Piratenwiki ist damit die zentrale Informations- und Koordinationsplattform.   Auch manche Unternehmen setzen inzwischen Wikis ein – vor allem für die interne Kommunikation. Das bekannteste Projekt ist Wikipedia.
Blogs  Auch Weblogs werden intensiv genutzt. Viele Piraten betreiben eigene Blogs, auf denen sie Debatten anstoßen oder bestimmte Dinge kommentieren. Auch die Piratenfraktion Berlin hat nach dem ersten Einzug in ein Landesparlament ein Blog gestartet, um über ihre Arbeit zu informieren.
Twitter  Der Kurznachrichtendienst ist der vielleicht beliebteste Kanal der öffentlichen Auseinandersetzung, kaum ein Tag vergeht an dem nicht irgendeine Äußerung oder ein echter oder vermeintlicher Fehltritt zum #Irgendwasgate und #epicfail ausgerufen werden. 
Diaspora  Auch andere soziale Netzwerke werden natürlich intensiv genutzt. Jedoch ist Facebook beispielsweise bei manchem Piraten schon wieder out. Julia Schramm beispielsweise, Herausforderin von Sebastian Nerz um den Parteivorsitz, hat sich wieder abgemeldet: „Es ist wie ein widerlicher Kaugummi.“ Stattdessen nutzt sie das alternative Netzwerk Diaspora.

Ponader hält die Kritik an seiner Person für fehlgeleitet. „Ich gehe absolut offen damit um, dass ich Arbeitslosengeld beziehe“, sagte er Wirtschaftswoche Online.

Seine „Eingliederungsvereinbarung“ mit dem Berliner Jobcenter hat er schon vor Monaten ins Internet gestellt. Aus ihr geht hervor, dass er auch ohne die Zustimmung der Arbeitsagentur auf Reisen gehen kann – der entsprechende Passus wurde vom zuständigen Arbeitsvermittler aus dem Papier gestrichen.
„Dass die Anwesenheitspflicht für mich nicht gilt, ist in der Tat ein Privileg“, räumt Ponader ein. Das System der Arbeitslosenhilfe sei insgesamt unfair. „Wer seine Rechte kennt, kann die Vereinbarung anpassen. Alle anderen haben das Nachsehen.“

Das zuständige Job Center in Berlin sieht in der Ausnahmeregelung denn auch kein Problem. Eingliederungsvereinbarungen seien stets auf den Einzelfall zugeschnitten, so ein Sprecher. „Wenn Herr Ponader in den Abendstunden durch die deutschen Talkshows zieht, dann ist das sein Privatvergnügen.“

Kein Einzelfall

Anders sieht die Sache aus, wenn Ponader als Talkgast eine Vergütung einstreicht. Denn oft werden Talkshow-Gäste für ihren Besuch auch finanziell entlohnt. Für seinen Auftritt bei Markus Lanz erhielt Ponader immerhin 500 Euro. „Solche Einkünfte werde ich nicht nur der Arbeitsagentur mitteilen, sondern auch im Internet veröffentlichen“, sagte Ponader, der sich als Pirat ganz dem Transparenzgedanken verpflichtet sieht.

Tatsächlich dürfte Johannes Ponader in bester Gesellschaft sein, heißt es bei der zuständigen Arbeitsagentur. „Herr Ponader ist nicht die einzige Person im deutschen Fernsehen, die Arbeitslosengeld II bezieht.“

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