
Die Piraten haben einen Sinn für Kontraste, das muss man ihnen lassen. Die Holstenhallen in Neumünster sind vom Internethype maximal weit entfernt, extra verlegten Gigabyteleitungen zum Trotz.
Kein Schild, keine Ordner: Wer es nicht wüsste, würde nicht glauben, dass hier die derzeit meist beachtete Partei zu ihrem Bundesparteitag geladen hat. Die Besucher laufen erst einmal durch eine Vorhalle mit Schlafsäcken und Isomatten bevor sie zum eigentlichen Parteitag vordringen können. Viele der 2500 angereisten Freibeuter schlafen direkt am Ort des Geschehens.
Die raue Welt des Wahlkampfes empfängt die Piraten bereits am Bahnhof: dort hat die Linke üppig plakatiert. "Keine stimme den Nazis" steht dort, daneben die Piratenflagge.
In Schleswig-Holstein wird am 6. Mai gewählt und die übrigen Parteien versuchen, aus den Problemen und Schwächen der Piraten Erfolge zu generieren. Den Kampf haben die Etablierten längst aufgenommen.
Die Newcomer kommen ohne die meisten Insignien der Bedeutung aus, die sonst auf Parteitagen Usus sind: Es gibt keine Werbestände von Unternehmen und Verbänden, keine schicken Gratisbuffets, dafür ein gefühltes Laptop-Teilnehmer-Verhältnis von 1:1. Überall im Saal herrscht das typische Orange vor, auf T-Shirts, Pullis und Fahnen.





Noch ist die Partei Größer als ihre Protagonisten und erst recht als ihr Programm. Dennoch danken hier einige der bisherigen prominenten Wortführer ab, die den Piraten bisher Gesicht, Profil und Aufmerksamkeit verschafft haben - allen voran Marina Weisband. "Ich habe alles gegeben, was ich geben konnte", sagt sie heute unter großem Applaus. "Es war nicht perfekt, aber ich bin zufrieden."
Alles andere als Perfekt war die Außendarstellung, der Umgang mit rechtem Gedankengut in der Partei. Der Parteitag zeigt hier klare Kante: Frauen in "Brains against racism" - Shirts, Flyer mit Demoaufrufen und Poster auf den Toiletten. Der Chef Sebastian Nerz erntet für seine Erklärung gegen Nazis und Antisemitismus breite Unterstützung. Sogar eine Erklärung gegen Holocaust-Relativierer wird vorgelesen.
Ganz normal sind die Piraten dann doch nicht: als Gefion Thümer spricht, fleht sie den Saal an, ihr nicht zu twittern. Sie könne sonst ihre Notizen auf dem iPhone nicht lesen. Und als der scheidende Bundesvorstand verabschiedet wird, gibt es Geschenke auf Piratenart: Bier für die Frauen, Blumen für die Männer.