Maut-Untersuchungsausschuss Andreas Scheuer, der Unternehmensschreck

Andreas Scheuer (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Quelle: dpa

Hat Andreas Scheuer gelogen? Nach einer Anhörung im Bundestag steht Aussage gegen Aussage. Das Maut-Debakel schadet längst nicht nur dem Verkehrsminister selbst – sondern auch Deutschlands Ansehen als verlässlicher Vertragspartner für Unternehmen.

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Es ist ja nicht so, als wisse Andreas Scheuer nicht doch noch zu überraschen. Am Donnerstagabend, kurz vor Mitternacht, will der Verkehrsminister im Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Maut-Debakels beitragen. Bislang gab sich der CSU-Politiker stets selbstbewusst: Er habe sich nichts vorzuwerfen.

Niemand, nicht er, nicht sein Ministerium, und auch nicht mehrere externe Gutachter, hätten damit gerechnet, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Juni 2019 das CSU-Lieblingsprojekt Ausländer-Maut begraben würde. Eben weil sie, wie von einigen dann doch befürchtet, EU-Ausländer diskriminiere. Auch in der Rückschau, erklärte Scheuer wiederholt, würde er alles wieder genauso machen.

Diese feste Überzeugung hat er nun im Ausschuss dann doch, zumindest ein bisschen, korrigiert. Konkret: Zwei Treffen im Herbst 2018 sieht Scheuer aus heutiger Sicht als Fehler. „Ich hätte diese Gespräche besser nicht geführt“, sagte er. So wäre ihm eine Debatte erspart geblieben, die inzwischen immer mehr in den Fokus der Maut-Aufarbeitung gerückt ist und sich letztlich um die Frage dreht: Hat der Minister gelogen?

Es geht um persönliche Treffen zwischen Scheuer und seinem damals für das Thema zuständigen Staatssekretär Gerhard Schulz mit Vertretern der österreichischen Maut-Firma Kapsch und dem deutschen Ticketanbieter Eventim. Beide Firmen wollten zusammen das Maut-System betreiben, bekamen dafür auch Ende 2018 den Zuschlag. Die Treffen, um die es geht, fanden jedoch mehrere Wochen vor der Vertragsunterzeichnung statt. Dass diese Zusammenkünfte nach Einschätzung des Bundesrechnungshofs in einem laufenden Vergabeverfahren durchaus problematisch waren, ist nur einer von mehreren – vorsichtig ausgedrückt – bemerkenswerten Aspekten dieser Termine.

Als „Geheimgespräche“ sind die Treffen inzwischen bekannt geworden, weil das Ministerium die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses nur auf Nachfrage über den Inhalt informierte. Insbesondere das zweite Treffen sorgt dafür, dass nach der Ausschusssitzung Aussage gegen Aussage steht. Denn vor Scheuer und seinem Ex-Staatssekretär Schulz standen Georg Kapsch, Chef des gleichnamigen österreichischen Unternehmens, und Karl-Peter Schulenberg, CEO von Eventim, auf der Zeugenliste. So konnten alle Teilnehmer des zweiten „Geheimgesprächs“ nacheinander befragt werden.

Schulenberg erklärte, er habe Scheuer damals angeboten mit einer Vertragsunterzeichnung bis zur Entscheidung des EuGH zu warten. Das Angebot der Maut-Betreiberfirmen lag damals eine Milliarde Euro über den vom Haushalt bewilligten zwei Milliarden Euro. Mehr Zeit erhöhe die Chancen, sich doch noch einig zu werden – und böte zudem die Möglichkeit, das Risiko eines negativen EuGH-Urteils nicht einpreisen zu müssen. Damit begründete Schulenberg in der Anhörung seinen Vorschlag von damals. Scheuer habe die Idee jedoch sofort abgelehnt, da die Maut „noch im Jahr 2020 eingeführt werden solle“, die Zeit dränge und er nicht beim Haushaltsausschuss um mehr Geld beten werde.

Der Österreicher Kapsch, der Schulenberg beim Heimspiel im deutschen Ministerium die Gesprächsführung überließ, stellte Verlauf und Inhalt des Treffens ähnlich dar. Ex-Staatssekretär Schulz will sich an vieles nicht mehr so richtig erinnern können. Und auch Scheuer blieb dabei, es habe nach seiner Erinnerung kein solches Angebot gegeben. Denn genau das hatte er bereits vor einem Jahr im Bundestag erklärt, nachdem er nach einem „Spiegel“-Artikel gefragt wurde, der über Schulenbergs Vorschlag berichtet hatte.

Aussage gegen Aussage. Was die Frage nicht abschließend klärt: Lügt der Minister? Kann oder will er sich einfach nicht richtig erinnern?

Die Opposition ist nach der Sitzung umso mehr davon überzeugt, dass Scheuer als Verkehrsminister nicht mehr tragbar ist. Die Rücktrittsforderungen von Grünen, FDP und Linken waren schon in den vergangenen Tagen erneut lauter geworden. Aber auch Kirsten Lühmann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD, ließ offen erkennen, dass sie die Aussagen von Kapsch und Schulenberg für glaubwürdig hält.

Gleich zu Beginn betonte Scheuer, die Maut sei schließlich nicht sein Projekt, sondern längst per Gesetz beschlossen gewesen, als er im März 2018 ins Amt kam. Ob es ihn bis zur Bundestagswahl im kommenden Jahr rettet?

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