
Die Maut werde kommen, zu "100 Prozent", sagte Alexander Dobrindt bereits mehrfach. Noch im Jahr 2016 wolle der Bundesverkehrsminister die Maut scharf stellen. Der Bundestag hat die umstrittene "Infrastrukturabgabe" bereits abgenickt. Läuft also, könnte man meinen.
Doch fern der Hauptstadt baut sich politischer Widerstand auf, der das bayerische Prestigeprojekt in seinen Grundfesten erschüttern könnte. Denn am heutigen Tag stimmen die 16 Bundesländer über das Gesetz ab. Zwar können sie es nicht kippen, aber doch deutlich verzögern. Dobrindt bekommt das Thema nicht vom Tisch.
Fragen und Antworten zum Pkw-Maut-Gesetz
Die Maut soll für alle Autos und Wohnmobile bis zu einem Gewicht von 3,5 Tonnen auf Autobahnen erhoben werden. Inländische Fahrzeughalter bekommen die Abgabe über die Kfz-Steuer erstattet, so dass sie unterm Strich nicht zusätzlich belastet werden.
Es wird drei Arten von Vignetten geben. Eine pro Jahr, eine für zwei Monate und eine für zehn Tage. Deutsche erhalten automatisch eine Jahresvignette, deren Kosten sich an Hubraum und Schadstoffausstoß bemessen und maximal 130 Euro betragen soll. Die Vignette ist Pflicht. Weil die Maut für Deutsche formal auch auf Bundesstraßen gelten soll, sei sie auch nicht zu umgehen, heißt es. Inländische Fahrzeughalter erhalten die Ausgaben aber wie erwähnt bei der Kfz-Steuer zurück.
Der Preis der Kurzzeitvignetten wurde auf Druck der SPD und auf Hinweis der EU-Kommission noch geändert und gestaffelt: Die Zehn-Tages-Vignette auf Autobahnen für Ausländer soll je nach Fahrzeugklasse entweder 5 Euro, 10 Euro oder 15 Euro kosten. Für zwei Monate sind 16, 22 oder 30 Euro fällig. Die Vignetten könne über das Internet oder an Tankstellen gekauft werden.
Die Vignette funktioniert elektronisch, wird also nicht auf die Scheibe aufgeklebt. Bei Zahlung wird sie automatisch mit dem Kfz-Kennzeichen verbunden. Das Bundesamt für Güterkraftverkehr (BAG) kontrolliert über fest installierte oder mobile Geräte per Fotoabgleich die Kennzeichen und erkennt, ob gezahlt wurde oder nicht. Dieses Verfahren existiert etwa auf verschiedenen Strecken in den USA.
Dobrindt hat sie für 2016 angekündigt, dieses Jahr soll zur technischen Vorbereitung dienen. Unklar ist, ab wann genau im Jahr 2016 die Abgabe kassiert wird. In Koalitionskreisen wurde damit zuletzt erst Ende 2016 gerechnet.
Nach Abzug von Bürokratiekosten sollen nach Dobrindts Angaben unter dem Strich jährlich 500 Millionen Euro bleiben. Sie sind zusätzlich für den Straßenbau vorgesehen. Zuvor müssen aber auch noch einmalige Kosten, etwa für das Erfassungssystem, finanziert werden, die deutlich über 300 Millionen Euro betragen.
Im Bundesrat gibt es erheblichen Widerstand gegen die Pläne. Weil das Gesetz aber nicht zustimmungspflichtig ist, kann es die Länderkammer nicht stoppen. Anfang Mai will sie abschließend noch einmal debattieren.
Anschließend prüft Bundespräsident Joachim Gauck, ob das Gesetz verfassungsmäßig zustande gekommen ist. In Einzelfällen haben Bundespräsidenten Gesetze scheitern lassen.
Als Haupthürde gilt aber die Prüfung der EU-Kommission, ob eine Ausländerdiskriminierung vorliegt. Dies könnte ein Vertragsverletzungsverfahren auslösen. Zudem wird es voraussichtlich vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) untersucht. Dies kann aber mehrere Jahre dauern.
Vor allem Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben ihre Opposition gegen die Maut angekündigt. Als potenzielle Unterstützer zählen Brandenburg und Schleswig-Holstein. Auch das unions-geführte Saarland und das notorisch bayern-kritische Niedersachsen könnten sich einem Nein anschließen - und den Vermittlungsausschuss anrufen.
Den Verkehrsminister würde die Länder-Opposition doppelt düpieren. Denn zum einen haben die Länder eigentlich kein Veto-Recht. Die Maut ist formell ein Einspruchsgesetz, das heißt die Länder können sich zwar fürchterlich beklagen, aber das Gesetz nicht zu Fall bringen. Doch gerade deshalb wäre eine Blockade eine peinliche Schlappe für Dobrindt. Das Gesetz wird als defekter Formel-1-Wagen gebrandmarkt, der auf den letzten Metern in die Box geholt wird.
Die Länder stören sich vor allem daran, dass die Maut den Shopping-Verkehr aus dem Ausland abwürgen könnte. Anders als die Deutschen müssen Ausländer zwar nur für die Nutzung der Autobahnen bezahlen, doch selbst das könnte dazu führen, dass Autofahrer aus den Nachbarstaaten nicht mehr in den Supermarkt nach Deutschland kommen. Rheinland-Pfalz hofft deshalb, dass ein Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag auf einen Kompromiss hinaus laufen könnte, der eine mautfreie Zone von 30 Kilometern definiert.
Doch damit wäre Dobrindts zweite Schlappe besiegelt. Denn sollten die Länder heute den Vermittlungsausschuss anrufen, droht dem Gesetz eine Verzögerung von mehreren Monaten. Beide Kammern würden einen Kompromiss suchen, der Bundestag müsste später noch einmal abstimmen. Die Einführung der Pkw-Maut könnte sich so auf die zweite Jahreshälfte 2016 verzögern - oder noch später.
Zudem ist nicht auszuschließen, dass die Einnahmen sinken. Dobrindt hofft auf eine halbe Milliarde Euro pro Jahr, Kritiker sehen die Einnahmen ohnehin bei nur 100 Millionen Euro. Jeder weitere Einschnitt droht die Begründung für die Maut, nämlich alle Autofahrer zur Finanzierung der Infrastruktur hinzu zu ziehen, weiter aufzuweichen.
Für den Bundesverkehrsminister steht viel auf dem Spiel. In der "Bild"-Zeitung ging er deshalb im Vorfeld in die Offensive: "Ich kann die SPD nur warnen, einen frisch ausgehandelten Kompromiss im Bundesrat zu behindern." Und Horst Seehofer legte an anderer Stelle nach: Ein Nein des Bundesrates wäre "eine schwere Belastung für die Koalition" - und wohl am meisten eine Belastung für den CSU-Chef selbst, der sein Lieblingsprojekt von allen am stärksten vorantrieb.