Pkw-Maut Gut, dass sie endlich kommt

Die Zornfraktion im Netz hat ein neues Lieblingsthema: die PKW-Maut. Dabei ist die weder ungerecht, noch Beutelschneiderei. Im Gegenteil, sie war überfällig.

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Hinweisschild auf die Mautpflicht Quelle: dpa

Man mag von der CSU im Allgemeinen und der Leistungsbilanz ihres Verkehrsministers Dobrint im Besonderen halten, was man will. Doch die Zorneswelle, die nach der gestern verkündeten (voraussichtlichen) Einigung zwischen Bundesregierung und EU-Kommission über die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland wieder einmal durchs Netz schwappt, die geht am Problem und seiner nun gefundenen Lösung meilenweit vorbei.

Oder anders gesagt, sie ist ein weiterer Beleg dafür, wie viele Leute im Netz offenbar zuerst lospoltern und erst dann nachdenken. Oder sich mit Letzterem erst gar nicht mehr abgeben. Ich frage mich, was diesen Zornesreflex auslöst. Denn logisch ist er jedenfalls in Sachen Maut nicht.

Wenn die Regelung kommt, wie sie sich bisher darstellt, dann wird die Kfz-Steuer für ALLE aktuell in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge MINDESTENS in Höhe der Maut gesenkt. Besitzer von Euro-6-Fahrzeugen bekommen sogar noch mehr erlassen. Das heißt, dass die deutschen Autofahrer als Folge der Maut-Einführung und auf Druck der EU-Kommission in Summe sogar eine finanzielle Entlastung bekommen.

Insofern finde ich die allgemeine Erregung über die Einführung der Maut sehr sonderbar. Oder anders herum #DankeEuropa.

Zudem sollten wir die Perspektiven mal zurecht rücken. Es handelt sich bei der Maut nicht um eine Benachteiligung der EU-Ausländer, sondern schlicht nur um deren erstmalige nennenswerte Beteiligung an den Bau- und Unterhaltskosten des deutschen Verkehrsnetzes - des wichtigsten und meistgenutzten Transitstraßennetzes in ganz Europa überhaupt.

Keine Maut zu erheben, ist eine Diskriminierung

Das nämlich wurde bisher im Falle der Kfz-Steuer ausschließlich über Inländer und im Fall der Mineralölsteuer nur zu einem kleinen Teil über ausländische Nutzer finanziert. Jetzt bekommen wir erstmals eine Mitfinanzierung durch alle Nutzer. Wer jetzt von Ausländer-Diskriminierung faselt, blendet aus, dass wir bisher eine massive Inländer-Diskriminierung hatten. Und die ist in der EU nicht weniger unerwünscht als das Gegenteil.

Solange es keine europaweite Kompensation der Kosten für den Infrastrukturausbau gibt, bleiben nationale Regelungen m.E. ein legitimer Weg zur Kostenverteilung. Nicht umsonst lassen sich beispielsweise die Alpenländer - darunter der EU-Staat Österreich, der jetzt so vehement gegen die deutsche Maut wettert - ihre drastisch höheren Bau- und Unterhaltskosten für die Straßen ja längst von Ausländern über eine Maut mitfinanzieren. Und selbstverständlich sind beispielsweise die - im Grunde ja nur für urlaubende oder durchreisende Ausländer interessanten - österreichischen Kurzzeit-Vignetten drastisch teurer als die Ganzjahres-Vignetten, mit denen Österreichs Autofahrer über ihre Autobahnen rollen. Insofern sollten wir deren Klagedrohungen recht gelassen entgegen sehen.

Was bei der Pkw-Maut auf die Autofahrer zukommt

Ganz abgesehen davon, dass es sogar unter Gerechtigkeitsaspekten völlig vertretbar wäre, wenn der Gebrauch von Verkehrswegen bei uns in Deutschland nutzungsabhängig kassiert würde. So wie das jeder bei höheren Ticketgebühren für weitere Reisen mit der Bahn oder mit dem Flugzeug als völlig selbstverständlich akzeptiert.

Bisher fahren die Pendler bevorzugt

Der Aufschrei, dass Pendler dann überproportional belastet werden, lenkt dabei nur von der Tatsache ab, dass - wer außerhalb der Ballungsräume lebt - dafür durchweg den Vorteil deutlich niedrigerer Lebenshaltungskosten bei Miete, Einkauf, etc. hat. Das heißt, höheren Verkehrskosten stehen Ersparnisse an anderer Stelle gegenüber. Wer das nicht glaubt, muss einfach mal Kosten einer durchschnittlichen Mietwohnung in Großstädten mit denen im entfernteren Umland vergleichen.

Wer all das bei der aktuellen Maut-Diskussion außer Acht lässt, und einfach nur unbedacht herumpoltert, der verkürzt die Realität. Das mag bei der Optimierung des persönlichen Budgets nachvollziehbar seinen, richtiger wird es dadurch nicht.

Und "gerecht" ist es schon gar nicht.

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