Über Alexander Dobrindts Musikgeschmack ist eigentlich nichts bekannt. Außer vielleicht, dass ein führender CSU-Mann schon berufsbedingt keine Abneigung gegen gelegentliche Blasmusik in Bierzelten haben sollte. Zur Pkw-Maut, dem heikelsten Projekt des Bundesverkehrsministers und seiner CSU passte jedenfalls ein Refrain von Xavier Naidoo, den auch schon deutsche Nationalkicker mitsangen: „Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer.“ Seine komplette Amtszeit ringt Dobrindt nunmehr für die Maut - und ist im zweiten Anlauf fast im Ziel. Ob er es erreicht, entscheidet sich am Freitag bei einem Showdown im Bundesrat.
Worum geht es in der Länderkammer?
Um die Einführung der „Infrastrukturabgabe“ endlich voranzubringen, will Dobrindt die Maut-Gesetze ändern, die seit 2015 gelten, aber bisher nicht umgesetzt werden. So hat er es mit der EU-Kommission vereinbart, die dann grünes Licht für die Maut geben will. Konkret geht es um neue Preisstufen der Kurzzeittarife für Fahrer aus dem Ausland und eine höhere Maut-Entlastung für Inländer mit abgasarmen Euro-6-Autos bei der Kfz-Steuer. Der Bundestag hat das Paket vor einer Woche beschlossen. Der Bundesrat kann nun nicht alles platzen lassen - aber entscheiden, ob er den Vermittlungsausschuss anruft.
Was sind die Szenarien?
Schickt die Länderkammer die Maut in den Vermittlungsausschuss, kann sie das Verfahren verschleppen - je nach Eskalationsbereitschaft auch so lange, dass Dobrindt seine Nachbesserungen bis zur Bundestagswahl am 24. September nicht mehr perfekt machen könnte. Im Gesetzblatt stünde dann weiter das bisherige Maut-Modell ohne Segen aus Brüssel. Die Ausschüsse des Bundesrats empfehlen ein Vermittlungsverfahren mit abgestuften Zielen von einer „grundlegenden Überarbeitung“ bis zur „Aufhebung des Gesetzes“. Offen war allerdings, ob der Bundesrat tatsächlich so votiert. Beim ersten Anlauf 2015 ließ das Plenum die Gesetze trotz allen Theaterdonners passieren. Kommt es wieder so, wäre Dobrindts Maut in der Version 2.0 endgültig beschlossene Sache.
Was die Pkw-Maut konkret für Autofahrer vorsieht
Inländer sollen für das knapp 13 000 Kilometer lange Autobahnnetz und das 39 000 Kilometer lange Netz der Bundesstraßen Maut zahlen. Pkw-Fahrer aus dem Ausland nur auf den Autobahnen.
Alle inländischen Autobesitzer müssen eine Jahresmaut zahlen, die vom Konto abgebucht wird. Sie richtet sich nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Motors. Im Schnitt kostet sie 67 Euro, maximal 130 Euro. Benziner sind günstiger als Diesel.
Für Ausländer gibt es neben der genauso berechneten Jahresmaut auch zwei mögliche Kurzzeittarife: Eine Zehn-Tages-Maut für 2,50, 4, 8, 14, 20 oder 25 Euro sowie eine Zwei-Monats-Maut für 7, 11, 18, 30, 40 oder 50 Euro (ebenfalls je nach Größe und Umweltfreundlichkeit).
Mautpflichtig sind auch Wohnmobile. Motorräder, Elektroautos, Wagen von Behinderten und Krankenwagen sind mautfrei.
Statt an Klebe-Vignetten sollen alle Mautzahler über das Nummernschild ihres Autos zu erkennen sein. Kontrolliert werden soll dies in Stichproben durch einen elektronischen Kennzeichen-Abgleich. Daten sollen nur hierfür erfasst und schnell wieder gelöscht werden.
Wer keine Maut zahlt und erwischt wird, muss eine Geldbuße zahlen. Genaue Summen sind noch nicht festgelegt. Geldbußen sollen auch im Ausland eingetrieben werden.
Inländer, die nachweisen können, dass sie in einem Jahr nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen gefahren sind, können die Maut zurückfordern. Nachweis könnte ein Fahrtenbuch sein.
Wann kommt die Maut denn nun?
Für Autofahrer aus dem In- und Ausland bleiben die Autobahnen und Bundesstraßen erstmal gratis - egal, wie der Bundesrat entscheidet. Denn den Start der Maut peilt Dobrindt erst für 2019 an. Für ihn selbst drängt aber die Zeit, will er sein Vorhaben so unumkehrbar wie möglich machen. Kommen die Änderungsgesetze bis zur Wahl nicht mehr durch, läge es in der Hand einer neuen Bundesregierung, was sie mit der geparkten Maut 1.0 anfängt. Der Minister wirbt denn auch mit der Verlockung, dass alle Einnahmen von vier Milliarden Euro von In- und Ausländern fest für Investitionen reserviert wären - anders als die bisherigen Steuern, die in den allgemeinen Haushalt fließen.
Wie geht es weiter?
Dobrindt hält sich schon für den nächsten Schritt bereit. Kommt das Gesetzgebungsverfahrens jetzt zum Abschluss, soll eine europaweite Ausschreibung für den künftigen privaten Betreiber des Systems zur Maut-Erhebung herausgehen, die mehrere Monate beanspruchen dürfte. Farbe bekennen könnten dann auch Nachbarländer wie Österreich, die seit Monaten eher allgemein damit drohen, die deutsche Maut noch per Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu kippen. Offen sind ebenfalls noch einige Regelungen, die Autofahrer interessieren dürften - zum Beispiel zu Gebühren oder Bußgeldern für Mautpreller.