Pkw-Maut Sonderkonjunktur für Tankstellenbetreiber

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat sich durchgesetzt. Die Maut kommt. Doch unterm Strich dürfte sich das Geschäft für den Staat kaum lohnen.

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Einigung mit der EU: Was die Maut für den Autofahrer bedeutet. Quelle: dpa, Montage

Tankstellenbetreiber an der Grenze können sich schon freuen. Sie erwartet bald eine kleine Sonderkonjunktur. Denn Ausländer, die ihr Maut-Ticket nicht zuvor online gelöst haben, müssen künftig einen Extra-Stopp einlegen, um eine Vignette zu erwerben. Mindestens 2,50 Euro muss dann jeder Autofahrer auf die Theke legen oder in einen Automaten schmeißen, der sein Fahrzeug nicht in Deutschland gemeldet hat – je nach Schadstoffklasse auch bis zu 20 Euro. Dann darf er zehn Tage lang nach Herzenslust über deutsche Autobahnen brettern. Und der Tankstellenbetreiber darf hoffen, dass sich der Gast aus dem Ausland gleich noch einen Kaffee und ein Brötchen dazu kauft.

Deutschland wird Mautland. Für die Verkehrspolitik ist der Kompromiss, den Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc gestern miteinander gefunden haben, eine Zäsur. Künftig zahlen alle Autofahrer für die Benutzung der Autobahnen. Fahrzeughaltern aus Deutschland wird die Maut automatisch abgezogen. Wer aus dem Ausland anrauscht, muss sich gezielt um die Erlaubnis kümmern.

Die Maut könnte floppen

Für den CSU-Politiker wirkt die Einigung mit Brüssel zunächst wie ein Erfolg. Dobrindt will Gerechtigkeit schaffen. So wie die Bayern in Österreich beim Grenzübergang eine Maut-Vignette zahlen müssen, sollen künftig auch Österreicher hier zu Lande zur Kasse gebeten werden, um für die Sanierung der Betonpisten zu zahlen. 500 Millionen Euro pro Jahr erwartet der Bundesverkehrsminister pro Jahr, bezahlt allein durch die Ausländer. Was logisch und üppig klingt, hat aber einen Haken. Finanziell könnte die Maut ein veritabler Flop werden.

Die von vielen schon totgesagte Pkw-Maut kommt voran - wenn auch mit Nachbesserungen. Dass Brüssel damit einverstanden ist, stößt prompt auf Proteste. Droht dem CSU-Prestigeprojekt bald neuer Rechtsstreit?

So erwartet der Ökonom Alexander Eisenkopf ein „Nullsummenspiel“. Der Wissenschaftler der Zeppelin Universität am Bodensee errechnete schon vor einem Jahr in seinen Analysen nur Bruttoeinnahmen von 350 Millionen Euro. Davon abzuziehen seien Erhebungskosten in Höhe von rund 203 Millionen Euro pro Jahr. Hinzu kämen die Einmalkosten für die Einführung der Maut, die zerlegt über die nächsten zehn Jahre rund 40 Millionen Euro pro Jahr ausmachen würden. Damit lägen die Nettoeinnahmen bei etwas mehr als 100 Millionen Euro. Das allein wären schon deutlich weniger als die von Dobrindt versprochene halbe Milliarde Euro.

Doch die EU-Kommission hat Dobrindt in der nun vorliegenden Fassung Zugeständnisse abgerungen. Künftig startet die billigste Kurzzeitvignette für Ausländer bei einem Preis von 2,50 Euro (und nicht wie geplant bei fünf Euro). Außerdem zahlen einige deutsche Autofahrer künftig sogar weniger Maut als sie vorher als Kraftfahrzeugsteuer eingezahlt haben. Damit sinken aber die Einnahmen aus der Maut, die deutsche Autofahrer zahlen werden. Experten rechnen mit bis zu 100 Millionen Euro weniger. „Damit verkommt das Ganze zu einem Nullsummenspiel und einem bürokratischem Monstrum“, sagt Eisenkopf.

Aufwand bleibt unklar

Man hätte es auch ganz einfach haben können. Eine Erhöhung der Mineralölsteuer um einen Cent würde dem Staat rund 600 Millionen Euro einbringen, rechnen Experten vor. Erhöhte man um einen weiteren Cent, könnte der Staat mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr zusätzlich in die Verkehrsinfrastruktur investieren – ganz ohne bürokratischen Aufwand. Die Mineralölsteuer wird im Übrigen auch von Ausländern bezahlt, die in Deutschland tanken. Dazu gehört zwar nicht jeder Ausländer, der auf deutschen Autobahnen ist, aber sicher doch ein größerer Teil.

Was bei der Pkw-Maut auf die Autofahrer zukommt

Wie viel Aufwand die geplante Einführung der Maut bedeuten wird, ist noch nicht ganz klar. Die Bundesregierung plant eine „Infrastrukturabgabe“ mittels einer „elektronischen Vignette (E-Vignette)“, heißt es. Die Fahrberechtigung ist dann mit dem amtlichen Kraftfahrzeugkennzeichen verknüpft. Weder deutsche noch ausländische Autofahrer müssen also eine Vignette an die Windschutzscheibe kleben oder sonst wo anbringen. Die Polizei soll künftig über das Nummernschild erkennen können, ob ein Fahrer die Maut bezahlt hat oder nicht. Es wird dann aller Voraussicht nach zusätzliche Kontrollen geben, so wie die Polizei heute auch die Geschwindigkeit überprüft.

Wie die Vignetten online und an Automaten etwa an Tankstellen gekauft werden können, steht ebenfalls noch nicht fest. „Der Betrieb wird ausgeschrieben“, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium. Davon wird auch abhängen, wie viel Geld der Steuerzahler für die Einführung der Maut bezahlen muss.

Ob es aber überhaupt zur deutschen Maut kommt, ist noch gar nicht klar. Denn die niederländische Regierung hat eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof angekündigt. Möglicherweise würden sich auch Österreich, Belgien und Dänemark einer Klage anschließen, hieß es. Die Chancen für Deutschlands Nachbarn stehen nicht schlecht. Denn unterm Strich belastet die Maut ausschließlich Ausländer. Mit dem Diskriminierungsverbot innerhalb der Europäischen Union ist das schwer vereinbar. Und mit dem europäischen Gedanken eines freien und grenzenlosen Kontinents ohnehin.

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