Aber: Die meisten Kunden dürften zum teureren Angebot greifen, weil sie von Ärger mit der Staatsanwaltschaft verschont bleiben. Die Erfahrungen mit Musikdownloads haben gezeigt: Sobald legale Möglichkeiten bestehen, geht der illegale Konsum drastisch zurück. Zudem kann der Staat den Verkaufspreis des legalen Cannabis über die Höhe der Steuer flexibel gestalten und konkurrenzfähig halten. Klar ist: Eine Freigabe ginge nicht spurlos an der Mafia vorbei. In Mexiko brechen den Drogenkartellen die Einnahmen weg, seitdem neben Colorado auch die US-Bundesstaaten Washington, Oregon und Alaska das Kiffen erlauben. Laut US-Grenzpolizei ging der Handel mit Marihuana im Jahr 2014 im Vergleich zu 2011 um 24 Prozent zurück.
2. Polizei spart Zeit für Wichtigeres
Mehrere Dutzend Mal schwärmte die Berliner Polizei im Januar und Februar aus. Ziel: Drogendealer im Görlitzer Park in Kreuzberg, dem Schwarzmarkt-Hotspot der Hauptstadt. Rund 1600 Personen wurden kontrolliert, mehr als 650 Strafanzeigen aufgesetzt, die Mehrzahl davon Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Aufwand: 14.000 „Einsatzkräftestunden“. Geschätzte Kosten: eine halbe Million Euro. Für eine finanziell ramponierte Stadt ein echtes Vermögen. Wenn die Razzien doch wenigstens Wirkung auf den Drogenmarkt zeigen würden.
Cannabis-Gesetze weltweit
Uruguay hat seit 2013 weltweit die liberalsten Gesetze. Verkauf von Cannabis mit THC-Gehalt bis zu 15 Prozent ist legal. Die Umsetzung dauert noch bis Ende 2015. Statt selbst anzubauen, erteilt der Staat Produktionslizenzen an Unternehmen. Verkauf über Apotheken – und zwar billig: ein Dollar pro Gramm. Nur an Einheimische. Behörde kontrolliert. Käufer werden registriert.
Mindestalter: 18
Besitz: Unbegrenzt
Verkauf: Club, Apotheke, Eigenanbau
Der US-Bundesstaat erlaubt den privaten Besitz und Konsum von Cannabis. Verkauft wird Hanf in Fachgeschäften. Das Geschäft lockt Touristen in Scharen. Auch der kommerzielle Anbau ist erlaubt. Joints in der Öffentlichkeit sind tabu. Ähnliche Regelungen gibt es in Alaska, Washington, Oregon. Die Hauptstadt Washington DC erlaubt den Besitz, verbietet aber den Verkauf.
Mindestalter: 21
Besitz: 28 Gramm
Verkauf: Hanfshops
Die Niederlande sind Europas Kifferparadies. Doch der Konsum von Joints ist nur in Coffeeshops erlaubt – und zwar nur für Holländer und in Holland lebende Ausländer. Ansonsten bleibt der Hanfbesitz verboten. Bis fünf Gramm werden aber strafrechtlich nicht verfolgt. Kommerzieller Anbau ist verboten. Coffeeshop-Inhaber importieren Gras etwa aus Marokko.
Mindestalter: 18
Besitz: Nur Konsum in Coffeeshops
Verkauf: Coffeeshops
Portugal setzt zwar weiterhin auf Prohibition und verbietet den Besitz von Cannabis, behandelt Kiffer (und Konsumenten anderer Drogen) aber nicht mehr als Kriminelle. Wer mit bis zu 25 Gramm Cannabis erwischt wird, muss Sozialstunden ableisten oder wird zum Therapeuten geschickt. Die Stigmatisierung fällt somit weg.
Mindestalter: Grundsätzlich verboten
Besitz: Entkriminalisiert bis 25 Gramm
Verkauf: Verboten
Spanien entwickelt sich zum Kifferhotspot Europas. Der Staat erlaubt den Eigenanbau und privaten Konsum von Cannabis zu Hause. Auch Kifferclubs sind erlaubt. Landesweit gibt es rund 500 davon, allein 200 in Barcelona. Die Stadt gilt inzwischen als „New Amsterdam“. Kauf und Verkauf von Hanf sind verboten.
Mindestalter: 18
Besitz: Eigenanbau
Verkauf: Verboten
Cannabis-Produkte sind illegale Suchtmittel. Besitz, Anbau und Handel sind verboten. Das Betäubungsmittelgesetz sieht Geldstrafen oder bis zu fünf Jahre Haft vor. Beim Umgang mit „nicht geringen Mengen“ - bei Haschisch und Marihuana 500 Konsumeinheiten à 15 Milligramm Tetrahydrocannabinol (THC) - liegt die Höchststrafe bei 15 Jahren Haft. Für „Gelegenheitskiffer“ kennt das Gesetz die Untergrenze der „geringen Menge“ zum Eigenverbrauch. Bei wenigen Konsumeinheiten kann die Staatsanwaltschaft von einer Strafverfolgung absehen. Das ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt.
Ein Jahr nach der Legalisierung von Cannabis für medizinische Anwendungen hat die Substanz nach Medienberichten noch keinen Patienten erreicht. Zwar können Ärzte bei schweren Erkrankungen wie Krebs, Multipler Sklerose oder Parkinson Cannabis verschreiben, doch ist das Mittel noch nicht verfügbar. Kritiker werfen dem Gesundheitsministerium in Prag mutwillige Verzögerung bei der Vergabe von Züchterlizenzen vor.
Doch die Polizei rackert sich meist in Scheingefechten ab. Laut Rechtslage gilt „jeder noch so geringfügige Besitz als strafbar“, sagt André Schulz, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Die Polizei sei daher rechtlich verpflichtet, den Besitz von Cannabis zu ahnden. „Doch 95 Prozent der Verfahren werden schon heute als Bagatelldelikt wieder eingestellt.“ Im Klartext: Der Staat laviert zwischen Hü und Hott, die Polizei badet es aus.
Pro Jahr geben wir Steuerzahler dank der deutschen Repressionspolitik laut Experten ein bis zwei Milliarden Euro aus. So gab es bundesweit 2013 laut Bundeskriminalamt 145.000 geahndete Cannabisdelikte. Das sind fast drei Prozent aller in Deutschland erfassten Kriminalitätsfälle. Drei Viertel davon gehen auf den „allgemeinen Konsum“ zurück, sprich: auf Teenager und Erwachsene mit ein paar Gramm Gras in der Jeans. „Cannabis bleibt das am häufigsten konsumierte Rauschgift“, heißt es im Jahresbericht 2013 – mit jährlich steigenden Fallzahlen. Trotz Verbot wird also gekifft wie selten zuvor.
Jetzt machen sogar diejenigen Dampf, die für sich in Anspruch nehmen, Ahnung von Recht und Ordnung zu haben. Ein Netzwerk von 122 Strafrechtsprofessoren fordert, den Konsum von Cannabis endgültig von der Liste strafrechtlicher Tatbestände zu streichen. „Die Prohibition ist unverhältnismäßig kostspielig“, heißt es in einer Resolution des Schildower Kreises. Ein Blick nach Colorado stützt die liberale Haltung der Juristen. Dort ging die Kriminalität nach der Liberalisierung des Hanfkonsums 2014 um vier Prozent zurück. Die Zahl der Verkehrsunfälle blieb unverändert.
3. Der Steuerzahler profitiert
Wie wäre es mit einer Pauschalreise auf Dope? Veranstalter in Colorado verkaufen vierstündige Busfahrten zu Hanfshops und -bauern für 90 Dollar pro Person. Gekifft wird im Bus – Knabbereien gegen den Fressflash inklusive. Der „Stoney Saturday“ sei „die beliebteste Tour“, schreibt ein Anbieter.
Die Trips auf Trip boomen. Eine solche Art zu reisen ist vielleicht nicht jedermann geheuer. Aber Ökonomen wie Haucap fordern sogar, die Freigabe „nicht auf ein lokales Gebiet zu beschränken. Das hätte unweigerlich einen unangenehmen Drogentourismus zur Folge.“ Je breiter das Angebot, desto sanfter der Effekt. „Von der Größe her wäre Deutschland prädestiniert für eine Freigabe.“