
Drei Wochen nach dem Weihnachtsmarkt-Anschlag in Berlin kommen sich die Koalitionsparteien bei der Verschärfung einzelner Sicherheitsmaßnahmen näher. Nachdem Bundesjustizminister Heiko Maas sich bereits mit einer umfassenderen Abschiebehaft für Gefährder einverstanden erklärt hat, zeigt der SPD-Politiker sich nun auch offen für den Einsatz von Fußfesseln. „Wir müssen alles tun, um Gefährder so gut wie möglich im Blick zu haben, auch vor einer möglichen Verurteilung“, sagte er. „Dabei darf der Einsatz von elektronischen Fußfesseln kein Tabu sein.“
Als Gefährder stufen die Sicherheitsbehörden jene Extremisten ein, denen sie einen Anschlag zutrauen. Maas hatte als Reaktion auf die Gewalt- und Terrortaten im Sommer in München, Ansbach und Würzburg bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Fußfessel für verurteilte Extremisten zulässt, allerdings erst nach der Haft.
Er will am Dienstag mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière über Konsequenzen aus dem Lkw-Anschlag beraten. Der CDU-Politiker hatte bereits einen Gesetzentwurf zur Abschiebehaft für ausreisepflichtige Gefährder vorgelegt und plant seit Oktober, einen neuen Haftgrund Gefährdung der öffentlichen Sicherheit einzuführen. Maas kündigte dazu am Sonntag eigene Vorschläge an und sagte: „Abschiebehaft sollte künftig für Gefährder auch dann verhängt werden dürfen, wenn die Herkunftsstaaten bei der Rückführung nicht kooperieren.“
Große Terroranschläge in Europa
Ein Lieferwagen rast auf der Flaniermeile "Las Ramblas" im Zentrum Barcelonas in eine Menschenmenge. Nach offiziellen Angaben soll es mindestens einen Toten und 32 Verletzte gegeben haben, Medien berichten von zwölf Toten. Die Polizei bestätigt, dass es sich um einen Terroranschlag handelt. Die Hintergründe der Tat sind zunächst unklar.
Auf der London Bridge überfahren drei Attentäter mehrere Fußgänger, dann greifen sie eine beliebte Markthalle an. Mindestens sechs Menschen kommen ums Leben, die Angreifer werden getötet.
Bei dem Selbstmordanschlag in Manchester auf Gäste eines Pop-Konzerts hatte Salman Abedi, ein Brite libyscher Abstammung, 22 Menschen ermordet. Außerdem wurden 116 Menschen zur Behandlung von Verletzungen in Krankenhäuser gebracht. Die Polizei geht davon aus, dass Abedi kein Einzeltäter war, sondern dass ein ganzes Terrornetzwerk hinter der Tat steckt.
Auf dem Pariser Boulevard Champs-Élysées schießt ein Islamist mit einem Sturmgewehr in einen Polizeiwagen. Ein Beamter wird getötet, zwei weitere Polizisten und eine deutsche Passantin werden verletzt. Die Polizei erschießt den Angreifer, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamiert die Attacke für sich.
Ein gekaperter Lastwagen rast in einer Einkaufsstraße erst in Stockholm in eine Menschenmenge und dann in ein Kaufhaus. Fünf Menschen werden getötet, 15 verletzt. Noch am selben Tag nimmt die Polizei einen 39-jährigen Usbeken unter Terrorverdacht fest.
Ein Attentäter steuert ein Auto absichtlich in Fußgänger auf einer Brücke im Zentrum Londons und ersticht anschließend einen Polizisten. Von den Opfern auf der Brücke erliegen vier ihren Verletzungen. Sicherheitskräfte erschießen den Täter.
Auf dem Pariser Flughafen Orly verhindern Soldaten nur knapp einen möglichen Terroranschlag. Ein Mann will einer dort patrouillierenden Soldatin das Gewehr entreißen und wird von anderen Soldaten erschossen. Erst Anfang Februar war nahe dem Louvre-Museum ein Ägypter niedergeschossen worden, der sich mit Macheten auf eine Militärpatrouille gestürzt hatte.
Am Abend des 19. Dezember 2016 rast ein LKW in einen Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche. Das Attentat fordert 12 Tote und viele teils Schwerverletzte.
In Nordfrankreich ermorden zwei Angreifer einen katholischen Priester in einer Kirche und verletzen eine weitere Person schwer. Beide Attentäter werden von den Sicherheitskräften erschossen.
In Ansbach in Bayern sprengt sich ein 27-jähriger syrischer Flüchtling vor dem Eingang zu einem Musikfestival mit einer Rucksackbombe in die Luft. Der Attentäter stirbt. 15 Menschen werden verletzt. Auf dem Handy des Mannes findet die Polizei später ein Bekennervideo. Das IS-Sprachrohr Amak behauptet einen Tag später, der Attentäter sei „Soldat des Islamischen Staates“.
In einem Vorort von Würzburg greift ein 17-jähriger Flüchtling aus Afghanistan in einem Regionalzug Fahrgäste mit einer Axt an. Er verletzt mehrere Menschen teils schwer. Auf seiner Flucht wird er von der Polizei erschossen. Einen Tag später veröffentlichte das IS-Sprachrohr Amak im Internet ein Video des Attentäters. Darin spricht er davon, dass er im Auftrag des IS gehandelt habe und sich an Nicht-Muslimen rächen wollte, die seinen Glaubensbrüdern Leid angetan hätten.
In Nizza fährt ein schwer bewaffneter Franzose tunesischer Herkunft mit einem Lastwagen in die Menge, die den französischen Nationalfeiertag feiert. Er tötet 84 Menschen.
Am Flughafen Istanbul-Atatürk schoss am 28. Juni 2016 ein Attentäter in der Eingangshalle mit einem Sturmgewehr um sich, warf Handgranaten in die Menge und zündete einen Sprengsatz. Zeitgleich sprengte sich ein weiterer Attentäter in einem Parkhaus in die Luft. Ein dritter Täter zündete offenbar einen Bombe in U-Bahn-Nähe. Die türkische Regierung ordnet den Anschlag dem Islamischen Staat zu. Insgesamt kamen 44 Menschen ums Leben (darunter die drei Attentäter); 239 weitere wurden verletzt. (Stand: 29.06.2016, 14:30 Uhr)
Ein Franzose marokkanischer Herkunft ermordet in einem Pariser Vorort einen Polizisten und dessen Lebensgefährtin, die ebenfalls bei der Polizei arbeitet.
Am Morgen des 22. März 2016 sprengten sich zwei Terroristen am Flughafen Brüssel-Zaventem in die Luft sowie ein weiterer im U-Bahnhof Maalbeek/Maelbeek in der Brüsseler Innenstadt nahe der EU-Behörden. Nach offiziellen Angaben kamen 35 Menschen ums Leben, darunter drei der Attentäter. Mehr als 300 Personen wurden verletzt.
Zwei Attentäter brachten ihr gestohlenes Auto an der Bushaltestelle einer Metrostation im Stadtzentrum von Ankara zur Explosion – 38 Menschen kamen ums Leben, darunter waren auch die Attentäter. Mehr als 120 Menschen wurden verletzt. Zu dem Anschlag, der sich am 13. März 2016 ereignete, bekannte sich eine Splittergruppe der Terrororganisation PKK.
Ein IS-Attentäter sprengte sich am 12. Januar 2016 auf dem belebten Sultan-Ahmed-Platz in Istanbul in die Luft – und riss 12 Menschen mit in den Tod. Elf von ihnen gehörten einer deutschen Touristengruppe an. 13 weitere Personen wurden verletzt.
Extremisten mit Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat greifen die Konzerthalle Bataclan und andere Ziele in der französischen Hauptstadt Paris an. Dabei kommen 130 Menschen ums Leben. Ein Hauptverdächtiger im Zusammenhang mit den Angriffen ist der 26 Jahre alte Salah Abdeslam, der am 18. März 2016 in Brüssel festgenommen wird.
Ein 22-jähriger radikalislamischer Angreifer tötet den Filmemacher Finn Nørgaard und einen jüdischen Wachmann einer Synagoge in Kopenhagen. Bei einem Feuergefecht mit einer Spezialeinheit der Polizei wird er erschossen.
Drei Extremisten töten bei einer mehrere Tage dauernden Terrorwelle in Paris 17 Menschen, bevor sie selbst erschossen werden. Zunächst greifen zwei Brüder das Büro der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ an und erschießen zwölf Menschen. Für den den Angriff übernimmt Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel die Verantwortung. In den Tagen darauf tötet ein weiterer Extremist eine Polizistin und nimmt in einem koscheren Supermarkt Geiseln. Vier jüdische Kunden sterben.
Im Jüdischen Museum in Brüssel tötet ein Angreifer mit einer Kalaschnikow vier Menschen. Der mutmaßliche Täter ist ein ehemaliger französischer Kämpfer, der Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien haben soll.
Zwei von Al-Kaida inspirierte Extremisten greifen auf einer Londoner Straße den britischen Soldaten Lee Rigby an und töten ihn mit Messern und einem Fleischerbeil.
Ein Bewaffneter, der nach eigenen Angaben Verbindungen zur Al-Kaida hat, tötet in der südfranzösischen Stadt Toulouse drei jüdische Schulkinder, einen Rabbi sowie drei Fallschirmjäger.
Der muslimfeindliche Extremist Anders Behring Breivik legt eine Bombe im Regierungsviertel der norwegischen Hauptstadt Oslo und greift anschließend ein Jugendlager auf der Insel Utøya an. 77 Menschen werden getötet, viele davon Teenager.
52 Pendler kommen ums Leben, als sich vier von Al-Kaida inspirierte Selbstmordattentäter in drei Zügen der Londoner U-Bahn und einem Bus in die Luft sprengen.
Bombenanschläge auf Züge zum Madrider Bahnhof Atocha töten 191 Menschen.
Der Attentäter von Berlin, Anis Amri, war als Gefährder eingestuft und ausreisepflichtig, konnte aber nicht abgeschoben werden, weil sein Heimatland Tunesien ihm keine Papiere ausstellte.
Grünen-Chefin Peter: elektronische Fußfessel "problematisch"
Die Grünen-Parteichefin Simone Peter hält den Einsatz von elektronischen Fußfesseln bei sogenannten Gefährdern als Konsequenz aus dem Berliner Terroranschlag für „problematisch“. „Genauso wie wir sagen: Bei der Videoüberwachung kann es in sensiblen Bereichen sinnvoll sein, aber eine breite anlasslose Videoüberwachung hat gar keine Gesetzesgrundlage“, sagte Peter am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. Auch die Voraussetzungen für die Gefährderhaft sollten nicht verschärft werden. „Ich bin sehr dagegen, dass wir jetzt alle möglichen Gesetze verschärfen.“ Es brauche keine „Scheindebatten“. Geltende Gesetzte müssten vielmehr besser angewandt werden, betonte Peter vor einer Klausur der Grünen-Parteispitze am Montag.
Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sollte die Bundesregierung Sanktionen gegen Staaten erwägen, die ihre als Asylbewerber abgelehnten Staatsbürger nicht zurücknehmen. De Maizière solle Druck auf sie ausüben, sagte Oppermann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montag). „Dabei dürfen auch wirtschaftliche Sanktionen nicht ausgeschlossen werden.“
De Maizière hatte am Sontag in der ARD gesagt, er allein könne diese Länder nicht zum Einlenken bewegen. Mithelfen müssten das Wirtschaftsministerium von SPD-Chef Sigmar Gabriel, das Außenamt von Frank-Walter Steinmeier (SPD) und das Entwicklungsministerium von Gerd Müller (CSU). Zugleich zeigte er sich zuversichtlich über eine rasche Einigung mit Maas: Kompromisse seien möglich, „und das müssten wir auch schnell zustande bringen“, sagte der Innenminister.
In der „Bild am Sonntag“ hatte er allerdings bezweifelt, dass „alle in der SPD bereit sind, harte Maßnahmen wirklich mitzutragen“. Gabriel wies dies am Abend im ZDF zurück und hielt de Maizière seinerseits Versäumnisse vor. Handlungsbedarf sieht er bei der Abschiebepraxis und dem Ausbau der Videoüberwachung, aber auch bei Prävention und Integration. Er kritisierte die Union dafür, sich ausschließlich auf Gesetzesverschärfungen zu konzentrieren.
„Dicke Gesetzespakete, aber dünne Personaldecken - das funktioniert nicht“, schreibt Gabriel nun in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag). Es müsse „mehr Personal und eine weit bessere technische Ausstattung für die Polizeien von Bund und Ländern“ geben. Allein bei der Bundespolizei fehlten 14.000 Stellen. Gabriels Partei-Stellvertreter Ralf Stegner sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Montag), deren bisherige Aufstockung gehe auf die SPD zurück.
Keine Fortschritte gibt es bei der Ausweisung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten. Auf diese Weise sollten die Asylverfahren für Marokkaner, Algerier und Tunesier verkürzt werden. Die Grünen blockieren das Vorhaben im Bundesrat.
„Wir sind gegen die Ausweitung der Liste unsicherer Herkunftsstaaten, dafür für schnelle und faire Asylverfahren binnen weniger Tage“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der „Welt“ (Montag). Ihr Amtskollege Anton Hofreiter erklärte im ARD-„Bericht aus Berlin“, dass das Sichere-Herkunftsstaaten-Prinzip „erstens nicht verfassungskonform ist und zweitens auch nicht hilft“. Wenn man zurecht abgelehnte Asylbewerber abschieben wolle, brauche man Rücknahmeabkommen. Das zeige der Fall Amri.