Pläne von Justizminister Maas Musterklagen könnten Bürger Milliarden-Entlastung bringen

Mit einem neuen Klageinstrument will Justizminister Maas Verbraucher gegen Konzerne stärken. Die Bürger hätten bessere Karten und würden Kosten sparen. Doch der Teufel steckt im Detail, wie Verbraucherschützer sagen.

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Eine Statue der Justitia - Göttin der Justiz und der Gerechtigkeit. Quelle: dpa

Berlin Die Pläne von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) für Verbraucher-Musterklagen gehen dem Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) nicht weit genug. Der Referentenentwurf, der jetzt in die Ressortabstimmung gehen und im kommenden Jahr verabschiedet werden soll, sei zwar „ein Schritt nach vorne gegenüber dem Status Quo“, sagte VZBV-Chef Klaus Müller dem Handelsblatt. Aber: „Leider findet sich darin keine Verjährungshemmung für alle geschädigten Verbraucher.“ Allerdings könnte das neue Klageinstrument, so das Ministerium, erhebliche Entlastungen für Bürger und die Wirtschaft bringen.

Der Entwurf von Maas, der dem Handelsblatt vorliegt, sieht vor, die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen lediglich dann auszusetzen, wenn die Betroffenen ihre „Ansprüche gegen die beklagte Partei“ in einem noch einzurichtenden elektronischen Klageregister beim Bundesamt für Justiz angemeldet haben. „Sonst können ihre Ansprüche verjähren“, kritisierte Müller. Verbraucher müssten also von diesem neuen Klageinstrument wissen. Das sei aber „kein Automatismus“, fügte der VZBV-Chef hinzu. Es müsse daher „sichergestellt werden, dass Verbraucher leicht Kenntnis von einer solchen Klage erhalten“.

Die Union-Bundestagsfraktion will hingegen alle geschädigten Verbraucher von einer „Verjährungshemmung“ für die Dauer des Musterverfahrens profitieren lassen, wie aus Eckpunkten der Fachpolitiker für eine Musterklage hervorgeht.

Mit dem neuen Klageinstrument könnten Verbraucher künftig gemeinsam gegen ein Unternehmen vor Gericht ziehen können, wenn ihnen der gleiche Schaden entstanden ist. Das kann etwa bei massenhaften, gleich gelagerten Bagatellschäden der Fall sein. Bei einem Verlust von beispielsweise zehn Euro durch einen betrügerischen Online-Versand geht kaum ein Kunde in der Regel vor Gericht, auch wenn Tausende betroffen sind. Umgekehrt scheuen Verbraucher teure juristische Auseinandersetzung mit einem Konzern, der durch alle Instanzen gehen will.


Drei-Milliarden-Entlastung für Bürger und Wirtschaft

Nach dem Gesetzentwurf sollen die Geschädigten jedoch nicht selbst Klage erheben. Dieses Recht bleibt nach dem Musterfeststellungsverfahren Verbänden - etwa Verbraucherschutz-Organisationen - vorbehalten. Diesem Verfahren können sich dann Betroffene anschließen. Auch Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern sollen klagen können. Das Gesetz soll kommendes Jahr verabschiedet und 2018 wirksam werden.

Besonders nach dem Beginn des VW-Diesel-Skandals waren Rufe nach einem besseren Schutz für Verbraucher laut geworden. Das Ministerium nennt Beispiele wie unzulässige Gebühren für Kredite, unrechtmäßige Preiserhöhungen von Energieanbietern oder annullierte Flüge. Ob die neue Klage auch im Zusammenhang mit VW greift, ist noch unklar. In Kreisen der Justizministerkonferenz hatte es geheißen, es sei davon auszugehen, dass Kfz-Halter mit noch geltenden Gewährleistungsansprüchen nach einer erfolgreichen Musterfeststellungsklage auf Schadensersatz klagen könnten.

Der ADAC lobt die neuen rechtlichen Möglichkeiten als eine sinnvolle Ergänzung, um Verbraucherrechte zu stärken: „Sie sind eine effiziente Maßnahme für die Klärung von Massenverfahren und verschaffen Verbrauchern Klarheit, ohne diese finanziell zu belasten.“

Nach Berechnungen des Justizministeriums würden Musterfeststellungs-Verfahren insbesondere Verbrauchern sowie kleinen und mittleren Unternehmen erhebliche finanzielle Entlastungen bringen. Sofern sie ihre Ansprüche gegen eine geringe Gebühr zum Klageregister für Musterfeststellungsklagen anmeldeten, ersparten sich die Betroffenen Gerichtsgebühren sowie Gebühren für die Inanspruchnahme von Rechtsanwälten, soweit die Musterfeststellungsklage zu einer endgültigen Streitbeilegung führt, heißt es in dem Gesetzentwurf. Für Bürger ergibt sich demnach eine Gesamtentlastung von rund zwei Milliarden Euro, die Wirtschaft könnte laut Ministerium mit einer Ersparnis von schätzungsweise einer Milliarde Euro rechnen.

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