Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) ist durch die Plagiatsvorwürfe wegen ihrer Doktorarbeit in schweres Fahrwasser geraten. Da hilft es auch nicht, dass Kanzlerin Angela Merkel über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert verkünden ließ, dass sie "volles Vertrauen zu ihr" habe.
Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" kommt ein Gutachter der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität zu dem Schluss, dass etliche Stellen von Schavans Dissertation das "charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise" trügen. Insgesamt soll es auf 60 der 351 Seiten langen Doktorarbeit beanstandete Textstellen geben. Zuvor hatte bereits ein Blogger erklärt, er habe in der mehr als 30 Jahre alten Arbeit zahlreiche Stellen mit falsch gekennzeichneten Zitaten gefunden.
Bildungsministerin ohne Hochschulabschluss
Wenn das zutrifft, hat Schavan mehr als nur ein Imageproblem. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Ernst Dieter Rossmann, forderte den Rücktritt der Bildungsministerin, falls ihr wegen der Vorwürfe der Doktortitel aberkannt wird. Dem wird sie Folge leisten müssen, ob sie will oder nicht. Denn bei Schavan ist die Lage etwas ernster als beim ehemaligen Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg. Bei Guttenberg hatte Merkel erklärt, sie habe ihn als Minister bestellt, nicht als wissenschaftlichen Assistenten. Bei der Bildungsministerin wiegt ein Plagiat da doch schon deutlich schwerer. Schließlich hat sie in ihrem Amt eine besondere Verantwortung für den Ruf von Wissenschaft und Forschung in Deutschland. Darüberhinaus wäre der einzige Schulabschluss, den Schavan nach Aberkennung noch vorzuweisen hätte, ihr Abitur.
Die drei nützlichsten Programme zum Aufspüren von Plagiaten
Platz 1 im Test machte die Software PlagAware. Das Programm bekam allerdings auch nur die Note 3,3. Preislich schlägt das Programm mit maximal 15 Euro zu Buche. Für Hochschulen ist PlagAware aber nur mäßig nützlich, weil jeder Text einzeln hochgeladen werden muss.
Turnitin ist eine in den USA recht weit verbreitete Software. Die Berliner Experten von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin gaben dem Programm aber nur die Note vier. Damit erreicht Turnitin Platz zwei im Ranking. Der Preis hängt von der Anzahl der Studierenden ab.
Platz drei geht an die Software Ephorus. In puncto Benutzerfreundlichkeit hat die Software nach einer Überarbeitung Rang zwei erhalten. Bei der durchschnittlichen Bewertung gab es nur die Note 4,8.
Schavan hatte 1974 das Abitur gemacht und anschließend in Düsseldorf und Bonn katholische Theologie, Philosophie und Erziehungswissenschaften studiert. Sie beendete ihr Studium 1980 mit der jetzt beanstandeten Promotion "Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung" - eine Magister- oder Diplomprüfung hat sie nicht abgelegt. Und auch ihr Professorentitel hilft ihr nicht, da der Professor in Deutschland kein akademischer Grad ist und auch ehrenhalber verliehen werden kann. Schavan kam 2008 durch die Berufung zur Honorarprofessorin an der Freien Universität Berlin zum Professor.
Zwar setzt die Zulassung zur Promotion in der Regel einen Master- beziehungsweise Magister- oder Diplomabschluss voraus, es gibt allerdings Ausnahmen. So konnten besonders gute Studenten vor 1990 ohne vorheriges Abschlussexamen promovieren.
Verjährungsfrist für Doktor-Plagiate
Schavan will den Vorwurf, sie habe bei Erstellung der Doktorarbeit getäuscht, durch eine umfassende Stellungnahme für die Universität Düsseldorf ausräumen. Sie sagte: "Ich habe zu keinem Zeitpunkt bei der Arbeit an meiner Dissertation versucht zu täuschen. Sobald mir der Promotionsausschuss Gelegenheit dazu gibt, werde ich zu den Vorwürfen Stellung nehmen." Zudem kritisierte die Ministerin die Universität. "Es ist ein bemerkenswerter Vorgang, dass ein vertrauliches Gutachten eines Hochschullehrers der Presse vorliegt, bevor die Betroffene von der Existenz des Gutachtens weiß", sagte sie weiter.
Schavan hatte von dem Gutachten für die Promotionskommission erst aus den Medien erfahren. Erst auf Nachfrage der Ministerin hatte der Rektor der Universität Düsseldorf das 75-seitige Gutachten Schavan am vergangenen Wochenende zugeschickt. Schavan kündigte an, sich weiter an die Spielregeln zu halten "und mit der Universität nicht über die Öffentlichkeit zu kommunizieren".
Legitimation für Lebensleistung entziehen
Als die Vorwürfe gegen Schavan im Mai diesen Jahres ans Licht kamen, sprang ihr der Jurist Wolfgang Löwer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bei. Er plädierte für Verjährungsfristen bei Plagiatvergehen in Doktorarbeiten. "Wir müssen über einen Zeitraum nachdenken, nach dem wir uns die Arbeiten amtlich nicht mehr anschauen", sagte der Rechtswissenschaftler.
Schavan hatte ihre Promotion vor 32 Jahren eingereicht. Nach so langer Zeit jemandem "die Legitimation für eine ganze Lebensleistung zu entziehen", halte er für problematisch, sagte Löwer. Verjährung gebe es schließlich in allen Bereichen. Bei juristischen Staatsexamen etwa gelte eine Verjährungsfrist von fünf Jahren. Für Promotionen sei ein solcher Zeitraum sicher zu kurz, Löwer denke deshalb eher an ein Jahrzehnt. Eine Verjährungsfrist schütze allerdings nicht vor politischen Urteilen. Gerade für eine Bildungs- und Forschungsministerin seien solche Vorwürfe – sollten sie sich bestätigen – "hochpeinlich".
ked mit dpa