




Vor wenigen Tagen noch wollte Annette Schavan im Interview mit der WirtschaftsWoche die Wenn-Frage nicht beantworten: Was wäre, wenn die Uni Düsseldorf ihr den Titel aberkennen würde? Könnte sie dann noch Ministerin bleiben? Schavan wich aus. Sie wollte kämpfen.
Nun kann sie nicht mehr ausweichen. Die Hochschule hat am Dienstag entschieden und Schavan den Titel aberkannt. Und die Angegriffene? Will nicht Schluss machen und stattdessen vor Gericht ziehen. Der Vorwurf der Täuschung geht ihr nahe, sehr nahe. Schavan hängt an ihrem Amt, sie glaubt, nicht getäuscht zu haben - und in den großen Wissenschaftsorganisationen (die ihr üppig wachsende Zuwendungen verdanken) wird sie respektiert.
Und doch ist die Sache klar und einfach. Der einzig gültige Maßstab für die Wissenschaftsministerin muss die Wissenschaft selbst sein. Es mag in den vergangenen Monaten mehrere Fehler seitens der Uni gegeben haben, einschließlich schmerzlicher Indiskretionen. Doch all das ist irrelevant: Ein akademisches Gremium hat beschlossen, dass die Arbeit Schavans den akademischen Ansprüchen formalen Arbeitens nicht genügte, dass die handwerklichen Fehler zu gravierend sind. Mehr ist dazu nicht zu sagen - auch wenn es dreißig Jahre zurück liegt. Und der Fall Guttenberg viel eklatanter war.
Chronologie der Plagiatsaffäre um Annette Schavan
Annette Schavan reicht im Alter von 24 Jahren ihre erziehungswissenschaftliche Dissertation „Person und Gewissen“ an der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf ein. Die Arbeit wird mit „sehr gut“ benotet.
Auf einer Internetplattform wird anonym der Vorwurf des Plagiats gegen Schavan erhoben.
Die Universität Düsseldorf beauftragt die zuständige Promotionskommission, die Vorwürfe zu prüfen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Schavan ihr Vertrauen aus.
Der Vorsitzende des Promotionsausschusses, Professor Stefan Rohrbacher, legt intern einen Sachstandsbericht vor. Das Ergebnis: An zahlreichen Stellen der Arbeit sei plagiiert worden. Es liege eine systematische Vorgehensweise und damit eine Täuschungsabsicht vor.
Der „Spiegel“ zitiert aus dem vertraulichen Bericht Rohrbachers. Schavan weist eine Täuschungsabsicht zurück.
Merkel spricht Schavan erneut das Vertrauen aus. Rückendeckung bekommt sie auch von ihrem Doktorvater Gerhard Wehle. Auf der Suche nach der undichten Stelle erstattet die Universität Strafanzeige gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Weitergabe vertraulicher Informationen.
Die Prüfungskommission berät über den internen Bericht Rohrbachers.
Schavan reicht nach Informationen der „Rheinischen Post“ bei der Uni Düsseldorf eine schriftliche Stellungnahme ein, in der sie den Vorwurf des Plagiats bestreitet.
Die Promotionskommission empfiehlt nach Prüfung der Arbeit und Anhörung Schavans, ein Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels zu eröffnen. Befinden muss darüber der Rat der Philosophischen Fakultät.
Der Fakultätsrat stimmt mit 14 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung für die Einleitung des Hauptverfahrens zur möglichen Aberkennung des Doktortitels. Für den 5. Februar setzt der Rat eine weitere Sitzung an.
Schavan räumt im „Zeitmagazin“ Flüchtigkeitsfehler in ihrer Doktorarbeit ein, weist den Vorwurf des Plagiats oder der Täuschung aber erneut zurück.
Der zuständige Fakultätsrat der Universität Düsseldorf stimmt im Plagiatsverfahren für die Aberkennung des Doktortitels. Schavan hält sich zu politischen Gesprächen in Südafrika auf.
Kanzlerin Merkel spricht ihr erneut „volles Vertrauen“ aus. Der Druck aus Politik und Wissenschaft nimmt zu.
Die Bundesbildungsministerin tritt nach einer Aussprache mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel zurück.
Der Bundeskanzlerin wird nachgesagt, dass sie ihre personellen Geschäfte kühl und ohne Mitleid zu klären versteht. Schavan jedoch dürfte ein besonderer Fall sein. Merkel und ihre Ministerin stehen sich tatsächlich sehr nahe. Die Abwägung ist keine leichte: Was für eine Belastung ist eine dem Doktor beraubte Forschungsministerin im Wahlkampf? Kann Schavan die Dauer eines gerichtlichen Verfahrens vielleicht doch glaubwürdig als Schonfrist verteidigen? Steht Merkel also trotzdem zu ihrer Vertrauten?
Schavan will kämpfen. Einen Rücktritt lehnte sie in einem Statement am Mittwochmorgen ab. Doch alles läuft auf ein ihrer politischen Arbeit unwürdiges Rückzugsgefecht hinaus. An dessen Ende könnte ihr persönlicher Schaden größer sein, als nur der Verlust eines Titels.