Plagiatsverdacht Brüder im Geiste

Der Wirtschaftsrat der CDU e. V. ist ein den Christdemokraten nahestehender Verband.

Der CDU-Wirtschaftsrat kritisiert eine geplante Anzeigepflicht für Steuerberater. Komisch nur: Forderung, Inhalt und Wortwahl ähneln einem von der WirtschaftsWoche veröffentlichtem Gastbeitrag.

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Für Gastautoren bei WirtschaftsWoche-Online ist es erfreulich, wenn ihre Beiträge auf Leserinteresse stoßen. Ferdinand Rüchardt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Vorstand der Ecovis AG Steuerberatungsgesellschaft, hatte bei uns am 8. März auf eine geplante Anzeigepflicht für Steuerberater hingewiesen und vor dieser gewarnt. Steuerberater könnten in Zukunft dazu gezwungen sein, legale Steuergestaltungen dem Finanzamt melden zu müssen, schrieb Rüchardt. "Die Meldepflicht ist ein Offenbarungseid", lautete die Überschrift.

Rüchardt befürchtete weiter, dass eine solche Pflicht dazu führen würde, "dass wir unsere Verschwiegenheitspflicht und das Vertrauensverhältnis gegenüber unseren Mandanten verletzen würden." Er fragte, ob Steuerberater so nicht zum "Erfüllungsgehilfen der Finanzverwaltung" würden. Er schloss den Beitrag: "Die Folgen einer solchen Anzeigepflicht wären gravierend. Der Staat würde alle Bürger unter einen Generalverdacht stellen, wenn sie auch nur den von ihm gegebenen Spielraum ausnutzen möchten. Das ist ein Offenbarungseid und zeigt, dass der Staat seinen eigenen Steuerregeln wohl nicht traut."

Weniger Tage später erschien dieses Zitat: "Die Folgen einer solchen Anzeigepflicht wären gravierend. Der Staat würde alle Bürger unter einen Generalverdacht stellen, wenn sie auch nur den von ihm gegebenen Spielraum ausnutzen möchten. Das ist ein steuerpolitischer Offenbarungseid und zeigt, dass der Staat selbst der Komplexität des Steuerrechts nicht mehr Herr zu sein scheint." Klingt teils wortwörtlich gleich? Zufall! Denn diese Aussagen stammen von Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V. Dieser ist ein bundesweit organisierter unternehmerischer Berufsverband mit 12.000 Mitgliedern, der der CDU nahesteht. Er vertritt nach eigener Darstellung eine nachhaltige und erfolgreiche Wirtschaftspolitik im Sinne der sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards.

Offenbar war man dort ähnlicher Meinung wie Rüchardt und hatte diese Überlegungen dann am 12. März als Pressemitteilung verschickt. "Anzeigepflicht für Steuerberater ist steuerpolitischer Offenbarungseid", lautete die Überschrift. Steiger warnte, dass der Berufsstand des Steuerberaters nicht zum "verlängerten Arm der Finanzverwaltung" werden dürfe. Das besondere Vertrauensverhältnis zu den Mandanten werde so zerstört. Bereits am 10. März hatte Steiger sich zu dem Thema in der Rheinischen Post geäußert. Am 12. März griff auch der Bonner General-Anzeiger seine Aussagen auf.

Das kommt Lesern des Gastbeitrags bekannt vor. Fast schien es, als hätten die Forderungen von Herrn Rüchardt also bereits Gehör gefunden und dem CDU-Wirtschaftsrat so gut gefallen, dass er sich diese gleich zu eigen gemacht hatte. „Es freut mich natürlich, wenn unsere Forderungen in der Politik auf offene Ohren stoßen und sie der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats sogar wortwörtlich übernimmt“, sagt Rüchardt dazu. „Noch schöner wäre, wenn sich politisch dann auch etwas bewegt. Schließlich kommt es ja darauf an, was am Ende dabei herauskommt.“

Der CDU-Wirtschaftsrat kann sich den merkwürdigen Zufall nicht erklären. Der Verfasser der Pressemitteilung des CDU-Wirtschaftsrates teilte auf Anfrage mit, dass ihm der Gastbeitrag nicht bekannt gewesen sei: "Es können schon mal zwei Menschen auf den gleichen - sehr naheliegenden - Gedanken kommen." Nun soll intern geklärt werden, ob vielleicht doch mehr als Zufall dahintersteckt.

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