Politischer Aschermittwoch Auswärtssieg für Martin Schulz

„Martin der Schummler“, „Schizo-Schulz“ und „Tagegeld-Erschleicher“: Am Politischen Aschermittwoch gerät SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ins Visier fast aller Redner. Das sollte ihn freuen.

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Martin Schulz war beim Politischen Aschermittwoch parteiübergreifend in aller Munde. Quelle: dpa

Die Feierlichkeiten zum Politischen Aschermittwoch hatten noch gar nicht begonnen, als Andreas Scheuer schon die erste Spitze verteilte. „Wir haben das Original, den weltweit größten Stammtisch“, erklärte der stolze CSU-Generalsekretär am Mittwoch in der Dreiländerhalle in Passau. Gemünzt war der Spruch auf die SPD, die zu ihrer Veranstaltung im bayerischen Vilshofen in diesem Jahr erstmals 5000 Gäste erwartete – und dafür sogar das Festzelt vergrößern lassen musste. Schließlich nahm SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz teil.

Der Ansturm auf die Eintrittskarten zeigt: Der „Schulz-Effekt“ erfasst auch die konservativen Niederbayern. Egal, wo der ehemalige EU-Parlamentspräsident dieser Tage auftaucht, größtmögliche Aufmerksamkeit ist ihm sicher. Seit Schulz seine Kandidatur angekündigt hat, hat die SPD im Emnid-Sonntagstrend um rund zehn Prozent zugelegt – und damit zur Union aufgeschlossen (32 Prozent). Dort wächst nun die Sorge, Schulz könne einer vierten Amtszeit von Angela Merkel (CDU) gefährlich werden. Und das kann er auch – wie nicht zuletzt die Reden seiner Konkurrenten zeigen.

Statt, wie in den vergangenen Jahren üblich, heftig gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin auszuteilen, widmete sich beispielsweise CSU-Chef Horst Seehofer (neben Lobeshymnen auf seine Heimat) lieber ausführlich dem Hoffnungsträger der Sozialdemokraten. Schulz führe bei seiner geplanten Reform der Agenda 2010 einen Wahlkampf mit falschen Zahlen, so der Vorwurf. Auch FDP-Chef Christian Lindner arbeitete sich im bayerischen Dingolfing an Schulz ab. „Dem geht es nicht um soziale Gerechtigkeit, sondern was ihn treibt, ist soziale Heuchelei“, so der Liberale.

Das große Brabbeln
Einmal im Jahr dürfen Deutschlands Politiker alle Etikette beiseitelegen und nach Herzenslust poltern gegen die gegnerischen Parteien und ihre Vertreter – nämlich am Politischen Aschermittwoch Quelle: dpa
In Wahljahren wie 2017 werden die Aschermittwochs-Veranstaltungen der Parteien besonders gespannt verfolgt Quelle: dpa
Wegen Brandschutzbestimmungen ist das Publikum der CSU-Feier in der Dreiländerhalle in Passau dagegen auf rund 4000 Leute beschränkt Quelle: dpa
Auch CSU-Chef Horst Seehofer hielt eine Rede, obwohl der bayerische Ministerpräsident eigentlich nicht als Fan des Politischen Aschermittwochs gilt. Quelle: dpa
„Wenn der Horst Seehofer sich etwas Begründetes in den Kopf setzt, dann wird er so lange dafür kämpfen, bis es kommt“, so Seehofer. Quelle: dpa
Im bayerischen Osterhofen lädt die Alternative für Deutschland (AfD) zum Derblecken – mit Unterstützung aus Österreich. Quelle: dpa
Katja Kipping hält es traditionell und bleibt beim Politischen Aschermittwoch ihrer Partei beim Bierkrug. Quelle: dpa

Egal, ob bei den Grünen in Biberach, bei den Linken in Passau oder bei der AfD in Osterhofen – das Thema des Politischen Aschermittwochs in diesem Jahr lautet: Martin Schulz. Mit seinem Vorschlag, die Agenda 2010 anzupassen, sorgt der Sozialdemokrat zwar nicht überall für Zustimmung. Doch er hat es geschafft, dass man über ihn redet. Und damit auch über sein Kernthema: soziale Gerechtigkeit.

Gelingt es Schulz bis zum September, den anderen Parteien weiterhin Themen zu diktieren, stehen seine Chancen für einen Wahlsieg nicht schlecht. Der Erfolg ist ihm auch zu wünschen angesichts der Tatsache, dass die Diskursimpulse der vergangenen Jahre vor allem von Rechtspopulisten ausgingen – ob zum Terrorismus, zur Zuwanderung oder zu Europa.

Am Politischen Aschermittwoch jedenfalls hat die SPD bereits einen Sieg davongetragen: Zur CSU-Feier durften aus brandschutzrechtlichen Gründen nur 4100 Gäste kommen, den „weltweit größten Stammtisch“ hatten also die Sozialdemokraten. Das hielt CSU-Generalsekretär Scheuer nicht davon ab, trotzdem von „gefühlt“ 10.000 Gästen zu schwärmen. Kein Grund zur Sorge also bei der Union: Zumindest, was den Wahlkampf mit falschen Zahlen angeht, stehen die Christsozialen Martin Schulz in nichts nach.

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