Politischer Aschermittwoch Der Wolf jault

Vier Wochen vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg lädt die CDU zum größten politischen Stammtisch des Landes. Spitzenkandidat Wolf muss endlich Profil gewinnen. Wird er das heute schaffen?

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Der CDU-Spitzenkandidat zur Landtagswahl in Baden-Württemberg ist beim Politischen Aschermittwoch energisch, wirkt entschlossen, redet frei, vermeidet aber Angriffe auf die Kanzlerin. Quelle: dpa

Fellbach Natürlich ist das hier nicht Passau. Natürlich ist das schreckliche Zugunglück aus Niederbayern hier weit weg. Und natürlich haben sie dennoch überlegt: Kann man einen politischen Aschermittwoch begehen, wenn Tags zuvor elf Menschen ums Leben gekommen sind? Kann man Grenzen überschreiten, auch Grenzen des Geschmacks, ohne das man dafür später kritisiert wird? Kann man eine Politparty veranstalten, wenn wenige hundert Kilometer weiter tief getrauert wird?

„Tagtäglich passieren schlimme Unglücksfälle. Aber es gibt ja auch tagtägliche Herausforderungen für uns in Baden-Württemberg“, sagt Guido Wolf, Spitzenkandidat der CDU für die anstehenden Landtagswahlen im Ländle. Deshalb habe er sich entschieden – nach Rücksprache mit den anderen Parteien und den eigenen Leuten, nach langer Diskussion und viel Überlegung – den Aschermittwoch stattfinden zu lassen. Aber anders, ruhiger: weniger Blasmusik, eine Schweigeminute nach dem Einzug und weniger derben Reden.

Es geht um viel in Baden-Württemberg. Jedenfalls für die CDU. In einem Monat ist Landtagswahl im Ländle – und Wolf ist angetreten, endlich die Schmach wieder gutzumachen, die der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann ihnen vor fünf Jahren zufügte. Tatsächlich sah es Anfangs so aus, als könnte Wolf das schaffen. Inzwischen aber stürzen seine Umfragewerte ab – und die der Grünen steigen. Es wird eng, der Wolf muss kämpfen.

Also sitzt Wolf an diesem kalten Mittwochmorgen im Restaurant der „Alten Kelter“ in Fellbach neben dem Landesvorsitzenden Thomas Strobl. Drunten in der Halle teilen sich die 2000 CDU-Anhänger nach Ortsvereinen auf. Hier oben teilen sich sie beiden die Themen. Strobl spricht über Flüchtlinge und plädiert für einen härteren Umgang bei Familiennachzug, Integration und Abschiebung. Er sagt in Richtung Berlin: „Wir haben ein Problem mit der geltenden Rechtslage“. Wolf hingegen mag kein schlechtes Wort über die Kanzlerin finden, redet lieber über Schulpolitik und mehr Polizeibeamte.

So geht das seit Wochen. Und es geht nicht besonders gut für die CDU.„Es könnte besser laufen, keine Frage“, sagt Wolfs Sprecher. Aber es gebe eben einige Probleme: die AfD sei zu stark, man habe bei den Bürgern kaum eine Chance, über etwas anderes als Flüchtlinge zu sprechen. Und dann auch noch der über alle politischen Lager beliebte Kretschmann. „Es wäre illusorisch, wenn wir annähmen, diese Schönheitskonkurrenz zu gewinnen.“

Für Wolf, 54, geht es deshalb heute auch um sein Profil in der eigenen Partei. Während Kretschmann mit Angela-Merkel-ähnlicher Willkommenskultur beim großstädtischen Publikum punktet, steht Wolfs parteiinterner Rivale, Landeschef Strobl, für einen harschen Kurs in der Flüchtlingspolitik.

Im Ländle tritt der Schwiegersohn von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble regelmäßig für striktere Grenzkontrollen und ein Flüchtlingskontingent ein. Bundesweit sorgte er gerade mit seiner harten Haltung beim Familiennachzug für Aufsehen. So buhlt er um die Stimmen der konservativen Bevölkerung auf der schwäbischen Alb.

Dazwischen steht Spitzenkandidat Wolf: Als Überraschungssieger aus dem parteiinternen Duell um die Spitzenkandidatur hervorgegangen ist er bisher blass im Auftreten und zurückhaltend in den wichtigen Positionen.
Verhaltenes Klatschen, die Blasmusik bleibt stumm, hinten im Saal haben sie noch gar nicht gemerkt, dass es losgeht. Immerhin reckt die junge Union Schilder in die Luft „#Wir für Guido“ steht da drauf.


Wolf ist gut. Aber er ist kein Ministerpräsident

Wolf schüttelt ein paar Hände, Gastredner Peter Altmaier macht ein paar Witze. Doch für Stammtischstimmung kann auch der Kanzleramtsminister nicht sorgen. Dann wird der 14. Politische Aschermittwoch der CDU Baden-Württemberg mit einer Schweigeminute eröffnet.

An Altmaiers Auftritt wird deutlich, wie schwer es Wolf hat. Der Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator zieht das Jackett aus, knöpft die Ärmel hoch. Dann sagt er: „Ich weiß, das hier im Saal einige traurig sind, weil die Europäische Union in der Flüchtlingskrise nicht so schnell in die Puschen gekommen ist.“

Aber auch Deutschland habe bei früheren Asylgesetzen ab und an länger gebraucht, um die Probleme zu erkennen. „Deshalb müssen wir Geduld haben für eine Europäische Lösung. Die EU ist das Beste was Deutschland in den letzten zweihundert Jahren passiert ist. Deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass diese EU vor die Hunde geht.“

Der Beifall für das selbsternannte „politische Schwergewicht“ fällt bescheiden aus. Die Menschen wünschen sich genaue Daten, Kontingente, Verbote – keine Hoffnung auf die Zukunft. Das aber kann ihnen weder Altmaier noch Guido Wolf geben. Einfache Lösungen für komplexe Probleme verspricht derzeit nur die AfD.

Kein fulminanter Start. Also versucht Landeschef Strobl den CDU-Anhängern Mut zu machen: „Wir spielen am 13. März nicht auf Platz – wie spielen auf Sieg“, ruft er. Oder „Ich habe den Eindruck, die Stimmung bei den Roten und Grünen wird von Monat zu Monat schlechter wird und die Gesichter länger.“ Dafür gibt es Applaus, aber ein wenig verzweifelt wirkt es auch, als Strobl ruft: „Lasst uns aus Baden-Württemberg wieder das machen, was wir einmal waren.“

Es ist die Erinnerung an eine bessere Vergangenheit, die die CDU gerade zusammenhält. Auch Guido Wolf beschwört sie. Großes Hallo, als er auf die Bühne kommt. „Diese Bühne und diese Halle ist für mich ein verdammt gutes Gefühl. Man ist nicht allein“, ruft er. Es wirkt verzweifelt. „Buh“, ruft jemand von hinten. Das ist nicht der Auftakt, den sie sich erwartet haben.

Dann aber steigert sich Wolf, sagt: „Am 13. März findet für die CDU in Baden-Württemberg das große Fastenbrechen statt. Auch wenn sich nicht jedem erschließen mag, warum wir dazu ausgerechnet Peter Altmaier eingeladen haben.“ Er ist jetzt energisch, wirkt entschlossen, redet frei, macht „Schluss mit der Gleichmacherei in der Bildungspolitik“ und verspricht ein eigenes Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Digitale Entwicklung.


Man wisse nicht, was die Flüchtlinge „im Schilde führen“

Dann kommt der Balanceakt. Flüchtlinge. Wird er zu Flüchtlings-kritisch verliert er die Stuttgarter und Tübinger und Freiburger, wird er zu liberal geht das Schwarzwald-Publikum zur AfD. Das Erstarken der Rechtspopulisten hat den Wahlausgang in Baden-Württemberg unvorhersagbar gemacht. Laut Umfragen kann die Partei locker mit mehr als zehn Prozent der Stimmen rechnen. Die SPD – derzeit noch Juniorpartner in der Landesregierung – kommt gerade noch auf 13,5, die FDP auf sieben.

Also hört sich Wolf so an: „Wir leben nicht unter einer Herrschaft des Unrechts Wir alle setzen auf die Europäische Lösung und unterstützen die Kanzlerin da drin. Aber ich verstehe auch die Menschen im Land, die ungeduldig werden wenn sie sehen, dass sich ein ums andere Land in Europa ausklinkt.“ Deutschland dürfe nicht zum alleinigen Sammelbecken für Flüchtlinge werden, sagt er. Verhaltenes Klatschen.

Wolf ist gut. Aber er ist kein Ministerpräsident. Und vielleicht weiß er das selbst. Dabei leitet dieser politische Aschermittwoch die heiße Phase des Wahlkampfs ein. So wird in Stuttgart allerhand spekuliert: über Eine Koalition aus Grünen, SPD und FDP ebenso, wie über eine große Koalition aus Grünen und Christdemokraten. Die Partei von Winfried Kretschmann macht sich nicht unberechtigte Hoffnungen, als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorzugehen. Aber die CDU als Junior-Partner der ehemaligen Öko-Partei? Schwer vorstellbar, findet Wolf.

Er versucht also noch einen Anlauf, verspricht 1500 Stellen mehr für die Polizei, schließlich wisse man nicht, was die unregistrierten Flüchtlinge „im Schilde führen“. Außerdem müsse konsequenter abgeschoben werden. Er beginnt, sich mit seiner Basis zu versöhnen.

Es folgen ein paar Seitenhiebe auf die Grünen und die SPD. Und dann ein Auftrag an seine Parteigenossen: „Werdet heute alle zu Leuchttürmen. Blinken Sie für den Wechsel. Blinken Sie, Blinken Sie, Blinken sie.“ Dann kommt Blasmusik und die 2000 Gäste stehen von den Bänken auf. Endlich Stammtischstimmung in Fellbach.

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