
Alte Kanzlerin, neue Realität: Diese beschwört Angela Merkel zum Antritt ihrer dritten Amtszeit im Bundestag. In ihrer Regierungserklärung zu Europa sagt sie, Innen- und Europapolitik seien heutzutage nicht mehr zu trennen, Deutschlands Verantwortung für Europa sei gewachsen. Diese neue Realität wird das politische Jahr 2014 maßgeblich bestimmen. Im Mai steht mit der Europawahl das wichtigste Votum des Jahres an.
Vorerst schlägt sich die Große Koalition („GroKo“) mit Fragen um Mütterrente und Maut herum. Die Union muss zusehen, wie sie ihre Wahlversprechen umsetzt: Wie soll etwa die Mütterrente finanziert werden? Wie soll die Maut funktionieren? Und wer gibt überhaupt den Ton in der GroKo an? Die CDU stellt zwar die Kanzlerin, die SPD besetzt aber die wichtigsten Ministerien.





In ihrer ersten Regierungserklärung blendet die Kanzlerin solche Fragen aus und konzentriert sich auf die EU-Politik. Merkel mahnt, dass der Reformkurs fortgeführt werden müsse: „Wer mehr Europa will, der muss auch bereit sein, bestimmte Kompetenzen neu zu regeln.“ Merkels Wille: Um die Wettbewerbsfähigkeit aller Mitgliedsstaaten anzugleichen, soll die EU ihnen verbindlich vorschreiben, wie sie ihre Wirtschaft umzukrempeln haben. Europas Widerwille: Von Angela Merkel wollen sich die anderen Mitgliedsstaaten nicht hinein reden lassen. Das gaben ihr die Regierungschefs auf dem letzten EU-Gipfel des Jahres am 20. Dezember zu spüren. Merkels Reformpläne werden auf die lange Bank geschoben, erst in Oktober 2014 ist die Mehrheit bereit, über verbindliche Regeln zu sprechen.
Der EU-Gipfel war für Angela Merkel ein Vorgeschmack darauf, was ihr 2014 blüht: Gegenwind. Mehr als je zuvor. Das wirtschaftlich schwächelnde Frankreich ist aus dem einstigen europäischen Führungsduo mit Deutschland längst ausgeschieden. Merkel ist nun nicht nur alleinige Taktgeberin Europas, sondern auch – gemeinsam mit der EU – der Sündenbock für die Wirtschaftskrisen in einigen Südländern. Nach der Bundestagswahl im September wird sich die Kanzlerin 2014 daher indirekt allen europäischen Wählen stellen müssen: Vom EU-kritischen Briten bis zum krisengebeutelten Griechen.
Die Europawahl im Mai droht auch eine Protestwahl über Europas und damit auch Merkels Krisenpolitik zu werden. EU-Kritiker wetzen schon in allen Ländern die Messer und mobilisieren ihre Wähler. Zugleich übernehmen 2014 zwei Krisenstaaten die EU-Ratspräsidentschaft. Am 1. Januar ist Griechenland dran, am 1. Juli folgt Italien. Merkels diplomatisches Geschick und ihre Überzeugungskraft sind gefragter denn je.