Pool-Besitzer sollen Energie sparen Jetzt wird der Swimming-Pool zum neuen Diesel

Ins kalte Wasser: Swimming-Pool-Besitzer sollen ihre Schwimmbäder im Herbst und Winter nicht mehr heizen. Wirtschaftsminister Robert Habeck plant ein Verbot.   Quelle: Getty Images

Um Energie zu sparen, will Wirtschaftsminister Habeck das Heizen privater Swimming-Pools verbieten. Die Branche zweifelt am Effekt. Sie fühlt sich ungerecht behandelt – und fragt sich: Kommt jetzt die „Pool-Polizei“?

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Es ist gar nicht lange her, da waren Swimming-Pools das neue Toilettenpapier: Alle wollten sie haben, nur wenige konnten sie bekommen. Denn als im ersten Corona-Sommer 2020 Reisen etwa an die Riviera kaum möglich waren, wollten viele Deutsche im heimischen Garten ins kühle Nass springen. „Der Wunsch, einen eigenen Pool zu haben, hat sich nahezu verzehnfacht“, berichtete damals etwa der Schwimmbadbauer Frank Deuss. Folien, Filter und Fachexperten gab es nur mit langer Wartezeit, so groß war die Nachfrage. Und heute, zwei Jahre später? Wird der Swimming-Pool zum neuen Diesel.  

So hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine neue Energieeinsparverordnung auf den Weg gebracht, um kurzfristig Gas und Strom zu sparen („Kurzfristenenergiesicherungsverordnung“). Die geplanten Maßnahmen gelten für öffentliche Gebäude, betroffen sind aber auch Unternehmen und private Haushalte – und hier hat Habeck die Swimming-Pool-Besitzer besonders ins Visier genommen.

Private Pools „in den kalten Monaten“ nicht beheizen 

So heißt es in der geplanten Verordnung, dass Schwimmbäder in Wohngebäuden und Privatgärten „in den kalten Monaten“ nicht mit Gas oder Strom aus dem Stromnetz beheizt werden dürfen. Begründet wird das Verbot damit, dass Gas und Strom „zunächst dort gespart werden, wo dies die geringsten sozialen und ökonomischen Nachteile bringt“. Es sei davon auszugehen, „dass der Verzicht auf die Beheizung von Privatpools mit bestimmten Heizungsarten dazu zählt“.

von Sonja Álvarez, Max Biederbeck, Sophie Crocoll, Max Haerder, Cordula Tutt

Für Fußballer mag das Abklingen im Eisbecken hilfreich gegen Muskelkater sein, die Swimming-Pool-Lobby aber reagiert entsetzt auf Habecks Pläne. Es seien „mittel‐ und langfristige Umsatzeinbußen und Imageschädigungen der Schwimmbadbranche“ zu befürchten, heißt es in einem Brief, den der Bundesverband Schwimmbad & Wellness (BSW) an Habeck geschickt hat. Das Schreiben liegt der WirtschaftsWoche exklusiv vor.    

„Misst jetzt die Pool-Polizei die Temperatur?“ 

„Es ist für uns völlig unverständlich, dass Sie als Wirtschaftsminister Verbotspläne äußern, die eine ganze Branche in Verruf zu bringen droht – mit der Folge, dass Arbeitsplätze verloren gehen und Steuereinnahmen ausfallen“, kritisieren Dietmar Rogg und Ute Wanschura, der Präsident und die Geschäftsführerin des BSW, in dem Brief. Auch wenn Habeck von kurzfristigen Maßnahmen spreche, so habe eine solche Verordnung „eine langfristige Signalwirkung“. 

Das Schwimmbadgeschäft sei ein Saisongeschäft. Aufträge fürs kommende Jahr werden jetzt geschrieben. Schon heute sei eine Zurückhaltung bei den Kunden zu spüren. „Von einem Wirtschaftsminister erwarten wir Rahmenbedingungen, die unsere Wirtschaft fördern – und ihr nicht schaden“, mahnt die BSW-Spitze.

Zugespitzt fragen die Pool-Lobbyisten den Grünen-Politiker: „Wie soll ein Poolheizverbot im Privaten eigentlich kontrolliert werden? Planen Sie, die im Grundgesetz verankerte Unverletzlichkeit der Wohnung aufzuheben, um die ,Pool‐Polizei‘ die Wassertemperatur messen zu lassen?“

 Wohl kaum, wie die BSW-Spitze meint. Auch Habeck selbst hat bereits versichert, dass es gewiss keine „Pool-Polizei“ geben werde. Aber tatsächlich ist fraglich, welchen Sinn eine Verordnung hat, wenn sie kaum durchgesetzt werden kann – zumal die Beheizungsart des Pools von außen kaum erkennbar sei, wie der BSW erklärt.

Doch geht es bei der Debatte ums Heiz-Verbot nicht nur um die Frage der Durchsetzbarkeit – sondern vor allem auch um den möglichen Einspareffekt. Und der ist aus Sicht des Verbands gering.     

2,1 Millionen Pools gibt es in Deutschland 

So gibt es nach Angaben des BSW in Deutschland rund 2,1 Millionen private Pools, 40 Prozent davon würden überhaupt nicht beheizt. Die meisten privaten Schwimmbecken seien Gartenpools, die im Herbst und Winter nicht durchgehend genutzt würden. Relevant seien daher „maximal“ 156.000 private Indoorpools, aber: „Wie diese beheizt werden, ist uns nicht bekannt“, schreibt die Verbandsspitze.

In Habecks Verordnung heißt es hingegen, dass 150.000 private Schwimmbecken mit Gas beheizt werden. Rund 495.000 private Schwimmbecken würden mit Wärmepumpen, rund 240.000 Whirlpools und 135.000 Swim-Spas mit Strom beheizt. Insgesamt würden 560.000 private Pools in der kälteren Jahreszeit mehrmals wöchentlich bis täglich genutzt. Annahmen zum Betrieb der Bäder seien allerdings „mit großer Unsicherheit“ behaftet.     

Wohlig in den Whirlpool mit 38 Grad 

In der Verordnung wird von einem Einsparpotenzial von 2 Terawattstunden (TWh) Gas und 4 TWh Strom durch das Heizverbot ausgegangen, etwa auch, weil Whirlpools und Swim-Spas auf hohe Badetemperaturen von 38 Grad erwärmt würden. 

Nicht gelten soll die Verordnung hingegen für kommerziell genutzt Schwimmbäder, etwa in Hotels und Rehazentren. 

Aber nicht nur wegen der Heizart ist ein möglicher Energiesparbeitrag offensichtlich ungewiss. Weitere Faktoren wie Wassertemperatur, Nutzungsart‐ und intensität, Größe und Ausstattung seien ebenfalls nicht bekannt.

Große Verunsicherung bei den Pool-Bauern 

„Was wir aber mit Sicherheit sagen können: mit Ihren Vorschlägen haben Sie unsere gesamte Branche verunsichert“, kritisiert die BSW-Spitze Habeck. Im privaten Poolbereich seien rund 800 Handwerksunterunternehmen tätig, hinzu würden Betriebe des Garten‐ und Landschaftsbaus sowie Fachhändler kommen, die sich auf Beratung und Planung von Pools sowie Verkauf von Zubehör spezialisiert hätten. 42 Prozent der Fachbetriebe beschäftigten bis zu fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Rund 50 Industrieunternehmen, die Produkte zum Poolbau wie Beckenkörper, Abdeckungen, Filter, Pumpen und Wasserpflege liefern, gehörten ebenso zur Branche. 

Darüber hinaus sei zweifelhaft, dass Habeck ausgerechnet die Produkte einer einzigen Branche im Privaten verbieten wolle. „Warum werden andere Wirtschaftszweige nicht genannt? Was ist mit Elektroheizungen, Heizlüftern, privaten Fitnessstudios, Heimkinos, Weinkühlschränken und Weihnachtsbeleuchtungen?“, fragen sich die Pool-Lobbyisten.

„Das heizt eine Neiddebatte an“ 

Sie warnen: „Einseitig die privaten Pools zu fokussieren, heizt eine Neiddebatte an, die die sozialen Probleme unserer Gesellschaft nicht löst. Vielmehr führt sie zu einer weiteren Spaltung.“ Zudem seien es keineswegs nur die „Superreichen“, die sich einen Pool leisten würden. Rund 703.000 Pools seien Aufstellbecken ab einem Wert von 3.000 Euro.

Der Verband gehe davon aus, dass sich Menschen angesichts der gestiegenen Energiekosten „ohnehin ganz genau überlegen werden, wie sie ihren Energieverbrauch in den kommenden Monaten anpassen. „Ein – nicht kontrollierbares – Verbot wird in diesem Zusammenhang nicht weiterhelfen – zumal die bisher von Ihnen immer zu Recht gelobte Wärmepumpe nun auch einem Verbot unterliegt.“

Private Pools würden zudem nicht nur gesundheitliche Vorteile bieten und seien, wie in Coronazeiten, eine Alternative zur Flugreise in den Urlaub. „Viele Poolbauer haben in den letzten beiden Jahren sehr engagiert dazu beigetragen, dass die Menschen trotz Reisebeschränkungen Urlaub daheim machen und sich zu Hause jenseits von Menschenmassen in öffentlichen Freibädern sicher fühlen konnten“, versichern die Pool-Lobbyisten.

Zwar betont der Verband, Habecks Kurs für energieeffiziente Lösungen und Technologien zu begrüßen – fordert den Minister aber auf, die Verordnung zu überarbeiten und die Poolbeheizung „im privaten Raum auch weiterhin zu erlauben“. 

FDP hat wenig Verständnis für Pool-Heiz-Verbote 

Allerdings ist die Pool-Lobby nichts nur wegen des geplanten Heiz-Verbots unter Druck. Sondern angesichts von Hitze und Dürre wollen immer mehr Kommunen den Wasserverbrauch bremsen und untersagen die Befüllung der Becken.  

Am Mittwoch soll die neue Energieeinsparverordnung voraussichtlich im Kabinett verabschiedet werden, ob und was der Protest der Branche bis dahin bewirken kann, ist fraglich. 

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Rückhalt bekommt die Pool-Lobby allerdings von der FDP. „Ich frage mich manchmal, was der Staat noch regulieren will“, sagt der Fraktionschef der Liberalen in Bundestag, Christian Dürr, auch mit Blick auf Hinweise zu kürzeren Duschzeiten und warmen Wollpullis im kalten Wohnzimmer: „Ich halte die Menschen für wesentlich klüger als es manche Aussagen aus den letzten Wochen vermuten lassen.“  

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