Populisten-Kongress in Koblenz Le Pen und Wilders trunken von Trumps Erfolg

In Koblenz kommen Rechtspopulisten aus ganz Europa zusammen. Sie hoffen, aus den bevorstehenden Wahlen erfolgreich hervorzugehen – wie der neue US-Präsident Donald Trump. Doch es regen sich Proteste.

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Front-National-Chefin Marine Le Pen und der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders posieren in Koblenz für ein Selfie. Quelle: Reuters

Koblenz Die Lichter gehen aus und es wird still in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz. Hunderte Menschen haben sich an diesem Samstag in die Stadt am Deutschen Eck begeben. Jetzt marschieren die führenden Rechtspopulisten Europas mit instrumentaler Begleitung unter den wehenden Fahnen ihrer jeweiligen Länder auf die Bühne. Marine Le Pen aus Frankreich, Geert Wilders aus den Niederlanden, Harald Vilimsky aus Österreich, Matteo Salvini aus Norditalien und Frauke Petry aus Deutschland. Tausend Teilnehmer waren zu dem Treffen laut eigener Aussage angemeldet, ein paar der hinteren Reihen sind dann aber doch leer geblieben. Die Menge begrüßt die selbst ernannten „Retter der freien Welt“ mit lautem Jubel. Strahlend stehen sie nebeneinander, winken, lächeln. Nach der gestrigen Vereidigung Donald Trumps zeigen sie sich heute umso selbstbewusster.

Es ist noch nicht einmal einen Tag her, da hielt der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump seine Antrittsrede. Die Weltöffentlichkeit reagierte verhalten, als der Republikaner, entgegen der amerikanischen Tradition, bei der festlichen Vereidigung keine versöhnlichen Töne wählte. Die Alliierten der USA in Europa und Asien werden sich auf einen radikalen Kurswechsel einstellen müssen: „Von diesem Tag an gilt nur noch eines: Amerika zuerst,“ rief Trump den Menschen entgegen.

Die Inauguration in Washington wurde von zahllosen Demonstrationen begleitet. Nie war ein Präsident zu Beginn seiner Amtszeit so unbeliebt wie er. Gewählt haben ihn die Amerikaner trotzdem. Sie sind unzufrieden, wütend, verunsichert und enttäuscht. Fühlen sich ignoriert, vom Wandel überrollt. Die „Trumpmania“, sie wurde möglich, weil die Zurückgelassenen eine Veränderung einforderten, jemanden der „gegen die Eliten“, das „politische Establishment“ aufbegehrt.

Auch Europa steckt in einer tiefen Krise. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist der stärkste Ausdruck dieser Krise bisher. Das beflügelt die nationalistischen Kräfte. Ob in Österreich, Polen, Italien, Frankreich oder Deutschland – Populisten sind europaweit auf dem Vormarsch. In viele Parlamente sind sie bereits eingezogen. Dieses Jahr könnten es noch ein paar mehr werden. Nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich und den Niederlanden stehen Wahlen an. Auf dem Kongress mit dem Titel „Freiheit für Europa“ leiten die Rechtspopulisten heute offiziell den Wahlkampf ein. Für sie ist eins klar: Dieses Jahr, es ist ihres.

Marine Le Pen und Geert Wilders wissen genau was sie sagen müssen, um die Masse im Saal in Wallung zu versetzen. Die Europäische Union als Gefängnis, etablierte Politiker, die ihr Land in die Islamisierung treiben, Patriotismus als Lösung. Sie scheinen völlig trunken vom Erfolg Donald Trumps. Immer wieder gehen dankende Worte nach Washington. Eine „Disruption des Establishments“, das fordern auch die Vorsitzenden der rechtspopulistischen Parteien Europas.

Der AfD-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell hatte zu dem Treffen in seiner Funktion als Europa-Abgeordneter der Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) nur die führenden Sprecher der europäischen Rechten eingeladen. Auch Frauke Petry, die Bundesvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) ist unter den Rednerinnen. Viele ihrer Anhänger füllen heute die Reihen der Rhein-Mosel-Halle, halten die Schilder hoch, die auf ihrem Platz lagen: „Frauke“ steht in blauen Versalien auf weißem Hintergrund. Angelegt an die „Marine“-Kampagne ihres französischen Pendants, Marine Le Pen.


Petry gibt sich zurückhaltend


Für Le Pen, Spitzenkandidaten ihrer Partei, der rechtsnationalen Front National in Frankreich, ist es eine Premiere. Es ist ihr erster öffentlicher Auftritt in Deutschland. Als die Redner in den Saal einziehen, ist der Applaus für die Französin mit am lautesten. Sie genießt den Erfolg sichtlich, hält jedes Mal inne wenn Applaus aufbrandet und lächelt wohl wissend, dass ihre Umfragewerte für die Vorwahlen in Frankreich nicht allzu gut stehen. An diesem Tag scheint es gleich. Donald Trump habe gezeigt, dass es möglich sei, in diesem Jahr werde auch das europäische Volk aufwachen.

Optimismus durchzieht die Reihen der Zuhörer. Als nächste Präsidentin Frankreichs hat Pretzell sie angekündigt, und das scheint hier niemand in Zweifel zu ziehen. Die Europäische Union sei eine „sterilisierende Kraft“. Angela Merkels Einwanderungspolitik eine Katastrophe. Sofort tönen lautstarke „Merkel muss weg“-Rufe aus dem Publikum. Wenig später quittiert Harald Vilismky von der österreichischen FPÖ die gleichen Rufe mit einem anfeuernden „das hört sich gut an.“

Aus Protest gegen das Treffen gingen 3000 Demonstranten friedlich auf die Straße – dreimal mehr als von den Veranstaltern erwartet. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hatte zu der Kundgebung aufgerufen. „Es ist Zeit, dass keiner mehr zuhause bleibt“, sagte sie. Die Menschen sollten aufstehen für ein freiheitliches und friedfertiges Europa und widersprechen, wenn an Stammtischen oder anderswo rechtspopulistisch argumentiert werde. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte, er wende sich gegen ein „braunes Europa“. „Wir stehen hier für ein buntes, für ein offenes und für ein soziales Europa des 21. Jahrhunderts.“ Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel, die Grünen-Vorsitzende Simone Peter und Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nahmen an der Demo teil.

Der Kongress ist das erste gemeinsame Treffen von Rechtspopulisten aus ganz Europa. Die Umfragen stehen für sie nicht schlecht. Nur Matteo Salvini mit seiner Partei Lega Nord kommt im Norden Italiens nicht auf mehr als elf Prozent.

Anders Geert Wilders, der mit seiner Partei für die Freiheit bei den Wahlen im März vermutlich stärkste Kraft werden wird. Das keine der anderen niederländischen Parteien mit ihm regieren will, hält ihn nicht davon ab, an diesem Samstag den „Frühling der Populisten“ auszurufen. Die Politiker der etablierten Parteien „befördern unsere Islamisierung“, sagte Wilders. In der Folge hätten Frauen „Angst, ihr blondes Haar zu zeigen“. Um sich diesem Trend entgegenzustellen, brauche Europa ein „stolzes Deutschland“, sagte Wilders, der seine Rede in deutscher Sprache hielt. Eine „gewaltlose politische Revolution“ werde den Umbruch auch in Berlin bringen. Wilders, Le Pen und Vilimsky beglückwünschen Frauke Petry, dass sich nun auch endlich in Deutschland etwas tue. „Europa braucht Frauke statt Angela,“ skandiert der Niederländer.

Die schlägt dann aber weitaus ruhigere Töne an. Petry wirft der Bundesregierung und den EU-Behörden vor, die Bürger einer „Gehirnwäsche“ zu unterziehen. Auch durch diese Art der Manipulation seien die Freiheit des Individuums und die kulturellen Errungenschaften der europäischen Staaten bedroht. „Die heutige Gehirnwäsche – Nudging – ist viel smarter als die einstige sozialistische Propaganda“, fügte die ehemalige DDR-Bürgerin hinzu. „Nudging“ ist eine Strategie aus der Verhaltensforschung, die ohne Verbote aber mit sanften Hinweisen versucht, zu einem „vernünftigerem“ Verhalten zu bewegen.
Die Massen vermag sie noch nicht so in Rage zu versetzen wie ihre Kollegen aus Paris, Amsterdam und Wien. Es ist vielleicht aber auch der Versuch sich mit einer moderaten Linie von den neonazistischen Tendenzen einiger AfD-Mitglieder abzugrenzen. Für die Dresdner Rede des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke hatte es vor wenigen Tagen nicht nur Kritik der politischen Gegner gegeben. Auch in den eigenen Reihen empörte man sich über Höckes Behauptung, die deutsche Geschichte werde in den Schulen „mies und lächerlich gemacht“.

Bei den jungen AfD-Mitgliedern im Publikum kommt die Zurückhaltung der Parteichefin aber nur bedingt gut an. Einige wünschen sich mehr „Leidenschaft“, „mehr Feuer“, ein bisschen mehr Le Pen eben. Die, erzählt ein Mitglied der Jungen Alternative, habe ihn zu Tränen gerührt, so schön sei es gewesen. Die älteren Anhänger der AfD hingegen bevorzugen die nüchterne Art Petrys.
Auch gegenüber dem Ton des FPÖ-Abgeordneten Vilismkys, der in Koblenz seinen Parteivorsitzenden Heinz-Christian Strache vertrat, der es sich nicht nehmen ließ, der Vereidigung Trumps in Washington persönlich beizuwohnen. „Der Österreicher war zwar laut, aber gesagt hat er nichts“, bemängelt ein Afdler aus Würzburg.

Gesagt hat aber auch Frauke Petry nicht viel. Die Lösung für die von ihr benannten Probleme der Überfremdung, des Kampfes gegen den freien Menschen und die „Homogenisierung der Bevölkerung“ sei einfach. Ebenso wie die ihrer Vorredner. „Die einzige Lösung“, so Petry, „sind wir.“

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