Populisten Warum die Provokationen der AfD verpuffen

Immer wieder nutzt die AfD Terroranschläge für Attacken auf den politischen Gegner. Doch die Taktik könnte ihr sogar schaden.

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Twitter nützt der AfD nix. Quelle: Marcel Stahn

Beatrix von Storch wartete nicht lange ab, dann setzte sie zur Attacke an. „Ich habe die Schnauze sowas von voll von diesen in-Gedanken-bei-Floskeln!“, raunte die AfD-Vizechefin auf Twitter. „Merkels Politik fördert den Terror in Europa. Sie ist verantwortlich.“ Keine 24 Stunden war es da her, dass Terroristen in London mit einem Lieferwagen in eine Menschenmasse gerast waren. Dass sie mit Messern auf Wehrlose eingestochen hatten. Dass sie fünf Menschen getötet und 48 verletzt hatten.

Nur einen Tag später legte von Storch nach. Diesmal verwies sie auf einen Artikel über die Unterbrechung des Rock am Ring Festivals wegen Terrorverdachts. Dazu zitierte sie süffisant die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Die hatte 2015 auf einem Parteitag zur Flüchtlingskrise gesagt: „Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich drauf!“

Nach diesem Muster geht die AfD seit langem vor. Die Partei versucht, Schreckensnachrichten für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Sie stilisiert sich als Sprachrohr der Bürger. Als eine Partei, die sich als einzige traut, vermeintliche Wahrheiten öffentlich auszusprechen.

In einem internen Strategiepapier für den Bundestagswahlkampf gibt die AfD diese Taktik sogar offen zu. Die Partei müsse „ganz bewusst und ganz gezielt immer wieder politisch inkorrekt sein“, heißt es darin. Auch vor „sorgfältig geplanten Provokationen“ dürfe man nicht zurückschrecken. „Je nervöser und je unfairer die Altparteien auf Provokationen reagieren, desto besser.“

Eine Zeit lang schien diese Taktik zu funktionieren. Nach dem Anschlag in Nizza, dem Messerangriff in der Regionalbahn bei Würzburg, der Attacke in der Kirche von Saint-Étienne-du-Rouvray erlebte die AfD ihre bislang besten Umfrageergebnisse. Doch das ist vorbei. Mittlerweile laufen die AfD-Provokationen ins Leere. Nach dem Anschlag am Berliner Breitscheidplatz legte die AfD in Umfragen einen Prozentpunkt zu – und fiel danach auf ihr derzeitiges Niveau von sieben bis acht Prozent.

Einer, der erklären kann, warum die Provokationstaktik der Partei kaum nutzt, ist Thomas Kliche. An der Hochschule Magdeburg-Stendal beschäftigt sich der Professor seit Jahren mit den Wechselwirkungen zwischen Politik und Psychologie. Wenn es darum geht, politische Ängste zu analysieren, taucht Kliche im Fernsehen auf.

Kliche beginnt seine Erklärung mit einer polit-psychologischen Wesenserkundung der AfD. Die Partei biete ein „Sammelbecken für böse Gefühle – Wut auf die da oben, Ablehnung der ganzen Gesellschaft, Eigennutz.“ Die Leitmotive der AfD seien kollektive Ausgrenzung und Aggression.

Für eine Weile konnte die AfD einzelne Terroranschläge mit diesen Gefühlen und Leitmotiven verknüpfen, erklärt Kliche. Die Partei habe die Attacken als Folge der Flüchtlingspolitik hinstellen können. Ein Großteil der AfD-Wähler habe die Terroranschläge als Regierungsversagen wahrgenommen. Als Beweis dafür, dass sich das Land um die falschen Dinge kümmere – zugunsten der falschen Adressaten.

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