Porsche und Dieselgate Geschönte Berichte? Druck auf Dobrindt wächst

Der Druck auf Verkehrsminister Dobrindt vor dem „Diesel-Gipfel“ am Mittwoch wächst: Das Kraftfahrtbundesamt soll schon seit einem Jahr von Abgastricks bei Porsche gewusst – und Untersuchungsberichte geschönt haben.

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Die Formulierung „nach Vorschrift als Abschalteinrichtung zu sehen“ wurde vom KBA offenbar abgeschwächt. Quelle: dpa

Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat nach einem Zeitungsbericht schon seit längerem von Abgasmanipulationen bei Porsche gewusst und auf Betreiben der Autoindustrie Untersuchungsberichte zum Abgas-Skandal geschönt. Das berichtete die „Bild“-Zeitung (Montagausgabe) unter Berufung auf Korrespondenz zwischen KBA und Herstellern, die der Zeitung in Auszügen vorliege.

So habe die dem Bundesverkehrsministerium zugeordnete Behörde schon vor einem Jahr festgestellt, dass Porsche mit Abschalteinrichtungen für Diesel-Motoren arbeite. Das frühzeitige Herunterfahren der Abgasreinigungsraten (AGR) beim Porsche Macan sei „nach Vorschrift als Abschalteinrichtung zu sehen“, zitierte das Blatt aus der Ursprungsversion eines Prüfberichtes. Im Endbericht habe es dann aber nur noch geheißen: „Dies kann nach Vorschrift als eine Veränderung des Emissionsverhaltens des Abgassystems gesehen werden.“

Der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Oliver Krischer wertet das der Zeitung zufolge als klares Indiz, dass Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schon im Frühjahr 2016 von der illegalen Abschalteinrichtung bei Porsche gewusst habe. Er sprach von Vertuschung. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, zeigte sich entsetzt von dem „Bild“-Bericht. Das wäre eine massive Pflichtverletzung. Auf die Frage, ob das auch Dobrindt beträfe, antwortete er: „Natürlich, hier müssen Konsequenzen gezogen werden.“ Nicht nur die Autoindustrie, auch die Politik stehe in der Verantwortung.

Fragen und Antworten zum Diesel-Gipfel

Dobrindt hatte in der vergangenen Woche ein Zulassungsverbot für bestimmte Diesel-Fahrzeuge von Porsche wegen einer unzulässigen Abgastechnik verfügt, verbunden mit einer Rückrufaktion. Es ging um den Porsche Geländewagen des Typs Cayenne mit Drei-Liter TDI-Motoren und der Euro-6-Norm.

An diesem Mittwoch wollen sich Bundesregierung und Autoindustrie zu dem „Diesel-Gipfel“ treffen, um über die nötigen Konsequenzen aus dem Abgasskandal und dem Verdacht eines Kartells der Hersteller zu beraten. Bundesverkehrsminister Dobrindt appellierte in der „Bild am Sonntag“ an die „verdammte Verantwortung“ der Hersteller und forderte sie auf, „das Vertrauen wiederherzustellen und die begangenen Fehler zu beheben“.

Vor dem Gipfel haben Umweltschützer von Greenpeace vor dem Bundesverkehrsministerium dafür demonstriert, die Bevölkerung besser vor gesundheitsschädlichen Abgasen zu schützen. Millionen Diesel-Pkw seien auf der Straße, die deutlich mehr Stickoxid ausstießen als erlaubt. „Die fortgesetzte Untätigkeit des Verkehrsministers grenzt an unterlassene Hilfeleistung“, erklärte Energieexperte Niklas Schinerl am Montag.

Im Morgengrauen projizierten die Umweltschützer in riesigen Buchstaben die Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch Stickoxide (NOx) seit Bekanntwerden des Abgasskandals im September 2015 an die Fassade, dies sind nach ihren Berechnungen 19.807 Sterbefälle. Die Berechnung fußt auf Daten der Europäischen Umweltagentur, wonach hohe Stickoxidwerte in Deutschland 10.610 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verursachen.

Deutsche laut Umfrage für Diesel-Fahrverbote

Die Deutschen plädieren nach einer Emnid-Umfrage mehrheitlich für gezielte Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in belasteten Gebieten. Nach der von Greenpeace in Auftrag gegebenen Erhebung sind 57 Prozent der Befragten dafür, dass Diesel-Autos mit hohem Schadstoffausstoß nicht mehr in Stadtteilen mit besonders schlechter Luftqualität fahren sollten. 39 Prozent lehnen solche Fahrverbote hingegen ab, berichtete die „Rheinische Post“ (Montagausgabe) unter Berufung auf die Umfrage. Bei den Frauen befürworten 63 Prozent ein Fahrverbot, bei den Männern sind es 51 Prozent.

86 Prozent der Befragten fordern zudem, dass die Hersteller die Diesel-Fahrzeuge so nachrüsten müssen, dass sie die Grenzwerte auch im Alltagsgebrauch auf der Straße einhalten. „Ein bisschen Softwarekosmetik alleine kann die Gesundheit der Menschen nicht schützen“, sagte Greenpeace-Energieexperte Schinerl der Zeitung. „Die Hersteller müssen auch an die Hardware ran.“ Die „fortgesetzte Untätigkeit“ von Bundesverkehrsminister Dobrindt „grenzt an unterlassene Hilfeleistung“, sagte Schinerl.

Weil sie den Dieselantrieb hingegen noch auf Jahre für unverzichtbar halten, fordern IG Metall und die Betriebsräte der großen Autofirmen beim Diesel-Gipfel eine Reihe von Sofortmaßnahmen. Wichtigste Maßnahme sei eine möglichst flächendeckende Nachbesserung von Fahrzeugen aus der Bestandsflotte mit der Abgasnorm Euro 5, heißt es in einer am Montag in Frankfurt veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. Der Gipfel müsse hier überprüfbare Maßstäbe, Zielgrößen und Zeitpläne verabreden.

Ältere Diesel-Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 1 bis 4 sollten mit Hilfe einer neuartigen „Öko-Prämie“ beschleunigt ausgetauscht werden. Hier nennen die Unterzeichner Taxen, Fahrzeuge in kommunalen Fuhrparks und im Gewerbeverkehr, nicht aber private Autos. Die Gewerkschafter setzen sich zudem für eine bessere digitale Verkehrssteuerung, einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie der Erdgas-Infrastruktur als Sofortmaßnahmen ein. Erneut betonte die IG Metall die beschäftigungspolitische Bedeutung des Diesels. Wertschöpfung und Beschäftigungswirkung seien deutlich höher als bei vergleichbaren Otto-Motoren. Schon jetzt sei die Verunsicherung in den Betrieben groß und die Sorge um die Arbeitsplätze wachse täglich.

von Annina Reimann, Martin Seiwert, Silke Wettach

Der Bund der Steuerzahler lehnt eine Beteiligung des Steuerzahlers an der Bereinigung des Diesel-Abgasskandals über staatliche Anreize zur Umrüstung auf umweltgerechte Fahrzeuge ab. Es könne nicht sein, dass „der Bürger, der Steuerzahler, der Diesel-Fahrer diese Suppe auslöffeln“ müsse, sagte Verbandspräsident Holznagel, am Montag im Deutschlandfunk. „Was nicht sein kann, ist, dass die Politik jetzt wieder mit Steuergeld winkt - im Gegenteil“, unterstrich Holznagel mit Blick auf Forderung einiger Ministerpräsidenten, der Staat solle für die Abkehr von alten, „dreckigen“ Diesel-Autos Anreize geben. „Steuergeld ins Schaufenster zu stellen, ist an dieser Stelle völlig fehl am Platz.“

Die Autoindustrie müsse die Konsequenzen aus diesen Skandalen finanziell alleine tragen, sagte Holznagel. „Wir haben ja letztlich einen Skandal, der auch auf Betrug basiert“, unterstrich er. Das gehe ohnehin schon zu Lasten der Verbraucher. Und dieser dürfe nicht doppelt zahlen, indem er womöglich auch noch für finanzielle Anreize zur Umrüstung mitaufkommen solle. Das sei abwegig und der falsche Weg. Zudem erhielte die Autoindustrie schon genug Subventionen, etwa für die Elektromobilität. Skeptisch äußerte sich Holznagel auch zu Vorschlägen aus der Politik, Sammelklagen für Verbraucher zur Durchsetzung ihrer Rechte möglich zu machen.

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