
Am Sonntag will die Koalition über die Praxisgebühr und die Beitragssätze in der Krankenversicherung beraten. Die FDP beharrt auf der Abschaffung der zehn Euro teuren Eintrittskarte beim Arzt, weil die nichts gebracht habe (außer Mehreinnahmen für die Kassen und Bürokratie für den Doktor). Und auch die Union, die lieber die Beiträge ermäßigen möchte, bestreitet nicht, dass die Praxisgebühr ihren Hauptzweck verfehlt habe: durch Eigenbeteiligung die Zahl der Arztbesuche zu reduzieren. Und in der Tat sind die Fallzahlen nach einer kleinen Delle kurz nach der Einführung des Obolus bald wieder auf das alte Niveau zurückgesprungen.
Aber woran liegt das? Hängt das Scheitern nur an vermeintlich verquerer Ideologie; reagiert der Patient nicht auf ökonomische Anreize?
Mitnichten. Die Grundidee der Selbstbeteiligung ist aus drei Gründen richtig: Wird für den Arztbesuch ein fühlbarer Preis fällig, wird der Kunde zum einen daran erinnert, dass medizinische Behandlung kostet. Zweitens kommt mit diesen steigenden Ausgaben auch ein zusätzlicher Beitrag in die Kasse. Vor allem aber prüft sich der potentielle Patient genau, ob der Gang zum Doktor wirklich nötig ist. Denn das ist ja das Hauptziel der Selbstbeteiligung: Die Kunden sollen überlegen, ob sie beispielsweise für einen läppischen Schnupfen wirklich in die Praxis laufen wollen – oder sich lieber auf eigene Kosten einen heißen Tee kochen und ein paar Päckchen Taschentücher kaufen.





Funktioniert hat die Praxisgebühr in Deutschland nicht, weil die Anreize falsch gesetzt waren, sprich: weil der Preis zu niedrig ist. Denn die bisherige Konstruktion unterlag genau der psychologisch-ökonomischen Falle des Versicherungsprinzips: Wenn ich gezahlt habe, will ich auch etwas davon haben.
Bisher zahlt jeder Patient seine zehn Euro, wenn er erstmals im Quartal ins Wartezimmer tritt. Alle weiteren Besuche der Sprechstunde sind frei, für die Gemeinschaft der Versicherten aber nicht kostenlos. In diesem System liegt es deshalb nahe, auch beim ersten Niesen ruhig zum Arzt zu rennen – in den weiteren Wochen des Quartals wird schon noch irgendetwas passieren, was einen wieder in die Sprechstunde treibt. Aber ein höherer Pauschalbetrag allein würde auch nicht viel besser steuern. Die erste Hürde wäre zwar höher, danach aber ginge es munter weiter wie bisher. Im Gegenteil: Wer wegen eines verdrehten Knies den Arztbesuch nun wirklich nicht vermeiden konnte und eine deutlich höhere Quartalsgebühr zahlen musste, wird nun erst recht darauf erpicht sein, kein Rezept und keine Krankschreibung auszulassen – er hat ja den Doktor schon für das ganze Quartal bezahlt.