Pressekonferenz zum Anschlag Starke Worte, ratlose Worte

Nach dem Anschlag in Berlin versuchen Deutschlands oberste Ermittler die Bevölkerung zu beruhigen. Doch die Pressekonferenz von Generalbundesanwalt, BKA und Polizei lässt mehr Fragen offen als sie beantwortet.

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Generalbundesanwalt Peter Frank (r-l), BKA-Chef Holger Münch, Berlins Generalstaatsanwalt Ralf Rother und Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt bei der Pressekonferenz zum Anschlag. Quelle: dpa

Berlin Erst wirkt Peter Frank, als sei ihm die Frage etwas unangenehm. Ein Journalist will vom Generalbundesanwalt und seinen Nebenmänner wissen, ob sie persönlich jetzt noch auf einen Weihnachtsmarkt gehen würden? Eine kurze Dienstfahrt entfernt von der Bundespressekonferenz, wo sich Frank, BKA-Chef Holger Münch und ihre Berliner Kollegen der Presse stellen, ist ein bislang unbekannter Täter mit einem Lkw in einen Weihnachtsmarkt gefahren. Elf Menschen starben, knapp 50 wurden verletzt. Zuvor hatte der Täter den Lkw offenbar entführt und den polnischen Fahrer erschossen.

Frank beginnt mit einer Antwort, der Moderator erinnert ihn nochmal an die Ausgangsfrage. Dann setzt Deutschlands oberster Ermittler zu einem Plädoyer an, das man einem Karrierebeamten nicht unbedingt zutraut: Dass Deutschland das Ziel von Terroranschlägen werden könnte, wüssten die Sicherheitsbehörden seit Langem, sagt Frank. „Wie geht man mit den allgemeinen Gefahren des Terrorismus um?“, fragt er dann rhetorisch.

„Ziel des Terrorismus ist es, Terror zu verbreiten, Angst und Schrecken. Eine Gesellschaft zu verändern, auf sie Einfluss zu nehmen.“ Die Frage ist, wie sehr man sich dem Bedrohungsszenario unterwerfen sollte.“ In letzter Konsequenz müsse man dann auch Fußgängerzonen, ja jede Öffentlichkeit meiden. Wenn es dem Terrorismus gelinge, unsere freie Gesellschaft zu einer unfreien zu machen, habe er gesiegt.

Ruhe und Besonnenheit zu verbreiten, scheint die oberste Beamtenpflicht in diesem Moment. Als die Ermittler auftreten, haben sich gerade erst Zweifel an der Täterschaft des 23-jährigen Pakistaners herumgesprochen, der eine knappe Stunde nach der Wahnsinnstat nahe der Siegessäule festgenommen wurde. Der Verdächtige sei nicht lückenlos verfolgt worden und streite die Tat weiterhin ab, sagt Frank. Bisher sprächen nur Indizien gegen den Festgenommenen.

Laut Sicherheitskreisen, die die Zeitung „Die Welt“ zitiert, hatte der Festgenommene zudem kein Blut an Körper und Kleidung – obwohl der polnische Fahrer des Lkw vor der Tat erschossen wurde. Auch wenn die Ermittler auf diesen Umstand nicht genauer eingehen, sagt Frank: „Wir müssen uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass er nicht der Täter ist oder zur Tätergruppe gehörte.“

Viele Fragen sind offen: War die Bluttat ein Terroranschlag? Gibt es einen islamistischen Hintergrund? Gibt es einen oder mehrere Täter? Und ist aktuell noch ein oder mehrere bewaffnete Attentäter in der deutschen Hauptstadt unterwegs?

„Wir sind hochalarmiert und ermitteln in alle Richtungen“, sagt BKA-Chef Münch. Aus der Auswertung des Handys der bislang Verdächtigen und der Obduktion des polnischen Lkw-Fahrers erhofft man sich weitere Hinweise, außerdem beobachtet das Gemeinsame Internetzentrum der Sicherheitsbehörden, ob auf islamistischen Seiten ein Bekennervideo auftaucht. Münch warnt auch vor weiteren Anschlägen: Es gebe ein „erhebliches weiteres Attentatsrisiko“ durch Nachahmungstäter. Allerdings habe man einen solchen Anschlag irgendwann, irgendwo in Deutschland schon lange befürchtet: „Das Ereignis hat sich leider nahtlos einfügt in die Einschätzung, die wir hatten.“

Seit dem Anschlag ist die erhöhte Sicherheit in Berlin an jeder Straßenecke spürbar. Vor der Bundespressekonferenz stehen mehrere Polizeitrupps mit Maschinenpistolen, jede Botschaft ist besonders gesichert. Warum man den Weihnachtsmarkt in Charlottenburg nicht schon vorher gegen einen solchen Anschlag gesichert hätte, etwa mit Betonblöcken an den Rändern, fragt ein Journalist: „Wir können Weihnachtsmärkte nicht zu Burgen ausbauen“, wendet der Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt ein. „Es gibt so viele Möglichkeiten mit einem Lkw Menschen zu töten. Es wird immer ein Restrisiko bleiben.“

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