Prestigeprojekt der Regierung Liebe Ampel, das Bürgergeld passt nicht in die Zeit!

Nach Hartz IV soll nächstes Jahr das Bürgergeld kommen. Quelle: imago images

In allen Bereichen der Wirtschaft fehlt es an Händen, die mit anpacken und unser Land am Laufen halten. Die Kassen des Staates sind leer. In dieser Lage den Sozialstaat noch auszubauen, ist der falsche Weg. Ein Gastbeitrag.

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Sarna Röser ist Bundesvorsitzende der Verbandes Die Jungen Unternehmer.

Stellen Sie sich vor, es fehlen Millionen von Arbeitskräften, und die Bundesregierung lädt dazu ein, sich in die soziale Hängematte des Staates fallen zu lassen und das Arbeiten einzustellen. Bittere Realität in Deutschland! Mit dem geplanten Bürgergeld baut die Regierung trotz aktueller Krisen und leerer Kassen nicht nur den Sozialstaat weiter aus, sondern verschärft auch noch den großen Arbeitskräftemangel.

Die SPD ist die lange interne Debatte leid. Sie will sich freischwimmen – weg von Hartz IV hin zum Prestigeprojekt Bürgergeld. Ihr Koalitionspartner, die Grünen, freut sich über die Quasieinführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die FDP versucht den Balanceakt zwischen Ampel-Frieden und liberalen Grundüberzeugungen. Doch fest steht: Mit dem Bürgergeld verabschiedet sich die Bundesregierung vom Prinzip des Förderns und Forderns. Die Aussetzung der Sanktionen für das erste halbe Jahr und der Verzicht auf die Vermögensprüfung für die ersten beiden Jahre setzen ein völlig falsches Signal.

Niemand wird mit Absicht in die Situation kommen wollen, vom Bürgergeld leben zu müssen. Aber ohne Sanktionen ist nicht sicher, ob alle ausnahmslos davon auch zeitnah wieder weg wollen. Gerade in Zeiten hoher Mieten und so stark steigender Preise für Heizen, Benzin und Strom werden es sich Geringverdienende zweimal überlegen, ob sich die Mühe, selbst zu arbeiten, überhaupt noch rechnet? Denn Energiekosten- und Mietübernahme sind derzeit ziemlich attraktiv. Auch wer Ersparnisse auf dem Konto hat, wird mit der Energiekosten- und Mietübernahme bedacht, weil das angesetzte Schonvermögen erhöht wird.

Fakt ist: Das Bürgergeld bedeutet eine massive Ausweitung staatlicher Leistungen bei massiver Einschränkung der Eigenverantwortung. Dabei lebt der Sozialstaat von einer prosperierenden Wirtschaft einerseits und der Akzeptanz der Solidargemeinschaft andererseits. Selbstverständlich müssen die Schwächsten von der Gesellschaft getragen werden. Doch der Steuerzahler darf zu Recht erwarten, dass die Begünstigten alle Anstrengungen unternehmen, um zurück in eine Beschäftigung zu kommen! Die Umverteilung in Deutschland aber läuft immer mehr zulasten der arbeitenden Steuerzahler und der kommenden Generationen. Überspitzt gesagt: Der Staat sammelt fröhlich die Steuern des Bäckers und der Friseurin ein, um sie dann in ein sanktionsloses Bürgergeld zu pumpen. Wie stark der deutsche Staat umverteilt, statt seine Einnahmen in die Zukunft wie Bildung und Nachhaltigkeit zu investieren, hat das Institut für Weltwirtschaft errechnet: 270 Milliarden Euro des Bundeshaushaltes fließen in Sozialausgaben, Subventionen oder vom Bund an die Länder. Wir leisten uns damit eine soziale Umverteilungsquote von 57,5 Prozent. Und noch schlimmer: Langfristig wird die Regierung unweigerlich die Sozialbeiträge erhöhen müssen, um die Mehrleistungen finanzieren zu können. Das wiederum werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer über höhere Lohnzusatzkosten zahlen müssen – und dies wird unseren Wirtschaftsstandort weiter schwächen.



Wir brauchen Anreize fürs Arbeiten, nicht dagegen

Deswegen ist es richtig, dass die Union ihren Hebel im Bundesrat nutzt, um die größten Fehler im Gesetz zum Bürgergeld zu korrigieren. Es ist die Notbremse, die gerade wir jungen Unternehmer nun von der Politik erwarten. Denn Deutschland leidet akut am Arbeitskräftemangel. Mitarbeiter zu finden, das ist seit diesem Jahr neben den Energiepreisen die Sorge Nr. 1 in den Familienunternehmen in Deutschland. Dabei können wir längst nicht mehr „nur“ von einem Fachkräftemangel sprechen – es fehlt insgesamt an Arbeitskräften. In allen Bereichen fehlt es an Händen, die mit anpacken und das Land am Laufen halten. Wir spüren den Mangel an Arbeitskräften jetzt schon überall: Produktionen können nicht unter Volllast laufen, Aufträge müssen abgelehnt oder verschoben werden, und bestehende Mitarbeiter sind überlastet, weil Kollegen fehlen.

Was wir also jetzt brauchen, sind noch mehr Anreize zur Arbeitsaufnahme und eine bessere Strategie, um Fach- und Arbeitskräfte zu gewinnen und in Arbeit zu halten. Menschen, die in Teilzeit arbeiten, sollten nicht hierin verharren, sondern in die Vollzeitbeschäftigung übergehen. Menschen sollten so lang wie möglich im Arbeitsmarkt gehalten werden, statt den Einstieg in die frühe Rente erleichtert zu bekommen. Und Menschen, die nicht arbeiten, sollten schnellstmöglich für den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt qualifiziert und motiviert werden! Mit dem Bürgergeld ist das Gegenteil der Fall. Der Tritt auf die Notbremse der Union gäbe die Chance, die misslungene Reform der Ampel zu verbessern, statt sie überhastet und mit kontraproduktiven Fehlanreizen gespickt zum 1. Januar 2023 umzusetzen.

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Selbst die Bundesagentur für Arbeit verlangt nach einer späteren Umsetzung – und die wird schließlich von der ehemaligen SPD-Parteichefin Andrea Nahles geleitet. Arbeitsminister Hubertus Heil sollte sich mit seiner Amtsvorgängerin Nahles einmal intensiv austauschen. Auch eine Nachhilfestunde mit Exfinanzminister und Jetzt-Kanzler Olaf Scholz zu grundlegenden Zusammenhängen könnte helfen.

Lieber Herr Arbeitsminister, liebe Bundesregierung, gerade in Zeiten einer massiven Verschuldung muss das „Wirtschaften“ vor der Umverteilung kommen! Nicht andersherum.

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