Berlin Im vergangenen Jahr sorgte das Landgericht Potsdam für Schlagzeilen. Es hatte in einem Aufsehen erregenden Urteil in zweiter Instanz entschieden, dass die Axa Krankenversicherung die Beiträge von privaten Krankenversicherten in der Vergangenheit unzulässig erhöht hat (AZ: 6 S 80/16). Nun trifft es den privaten Krankenversicherer DKV in einem ganz ähnlichen Fall.
Das Landgericht Frankfurt/Oder hat in einem Urteil vom 18. Januar die Prämienerhöhungen des Unternehmens für die Jahre 2015 bis 2017 für unwirksam erklärt (AZ:14 O 203/16). Begründet hat das Gericht seine Entscheidung unter anderem damit, dass kein unabhängiger Treuhänder – wie vom Gesetz vorgesehen – den Prämienerhöhungen zugestimmt hat. Es folgte damit der Rechtsauffassung anderer Gerichte, darunter auch das Potsdamer Landgericht.
Danach darf ein Gutachter nicht mehr als 30 Prozent seiner Einkünfte von demselben Unternehmen beziehen. Im Falle der DKV habe der Gutachter aber nicht nur über mehrere Jahre mehr als 150.000 Euro pro Jahr von der DKV als Vergütung erhalten. Er habe als ehemaliger Aktuar eines anderen Versicherers auch andere Aufträge für die DKV erfüllt, die mit der Tätigkeit eines Gutachters nicht vereinbar seien, erläuterte Knut Pilz, Fachanwalt für Versicherungsrecht aus Berlin.
„Das Gericht geht in dem von uns erstrittenen Urteil also gleich von mehreren Unwirksamkeitsgründen für die Prämienerhöhungen aus“, sagt Pilz. Er rät nun allen DKV-Versicherten, die von Prämienerhöhungen zwischen 2015 und 2017 betroffen waren, zu klagen, um eine Verjährung möglicher Forderungen zu vermeiden. „Für den jeweiligen Versicherungsnehmer bedeutet das Urteil nämlich, dass er die zu viel gezahlten Prämien der letzten zehn Jahre zurückerhalten kann und aktuell nur die ursprüngliche, niedrigere Prämie schuldet.“ Zudem müsse der Versicherer die erwirtschafteten Nutzungen herausgeben. „Da kann im Einzelfall schnell ein Betrag von 10.000 Euro und mehr zusammenkommen“, so Pilz.
Auch die Axa-Krankenversicherung musste in den Prozessen um ihre Prämienerhöhungen eine weitere Niederlage einstecken. Nachdem das Landgericht Potsdam in seinem zweitinstanzlichen Urteil den zwischenzeitlich verstorbenen Treuhänder der Axa für nicht unabhängig erachtet hatte, hat das Landgericht Berlin gleich in zwei Urteilen auch dessen Nachfolger als abhängig angesehen. Das Landgericht erklärte die Prämienerhöhungen der Axa der Jahre 2012 bis 2016 ebenfalls für unrechtmäßig. Bei dem Urteil des Potsdamer Landgerichts im vergangenen Jahr waren Prämienerhöhungen ab 2008 für nichtig erklärt worden.
Dieser Fall liegt jetzt beim Bundesgerichtshof, nachdem Axa in Berufung gegangen war. Pilz ist auf der Basis der Erfahrungen seiner Kanzlei mit ähnlichen Fällen überzeugt, dass es auch bei weiteren Versicherern unzulässige Prämienerhöhungen wegen befangener Treuhänder gegeben habe. „Nach unserer Einschätzung sind viele Prämienerhöhungen unwirksam“, so Pilz.
Aktuell reiche seine Kanzlei Klagen gegen die Allianz Krankenversicherung AG und die Signal Iduna Krankenversicherung a.G. ein. Nach der Entscheidung gegen die Axa war von möglicherweise drohenden Rückzahlungen in Millionenhöhe für die gesamte PKV-Branche ausgegangen worden. Dieser Schaden ist bisher noch nicht eingetreten, da die bisher ergangenen Entscheidungen nicht rechtswirksam geworden sind. Dies werde auch noch länger so bleiben, fürchtet Pilz. Er wirft Axa vor, das Verfahren vor dem BGH bewusst in die Länge zu ziehen, um die Verjährung möglicher Ansprüche zu erreichen. Mögliche Forderungen verjährten spätestens nach zehn Jahren.
Die Branche wehrt sich. Inzwischen gibt es drei Rechtsgutachten von unterschiedlichen Experten, in denen unter anderem die Rechtsauffassung vertreten wird, dass die Zuverlässigkeit von Treuhändern gar nicht von den Zivilgerichten geprüft werden kann, sondern dafür einzig und allein die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zuständig ist. Die Gutachter seien gesetzeskonform bestellt worden und nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz unabhängig.
Dieses sei auch von der Bafin als zuständiger Aufsicht geprüft worden und andere Gerichte hätten dies genau so gesehen. Tatsächlich hatte sich das Potsdamer Landgericht bei der Einschätzung, Gutachter dürften nicht mehr als 30 Prozent ihres Einkommens von einem Auftraggeber beziehen, auf eine Bestimmung des Handelsgesetzbuchs gestützt, bei der es um die Unabhängigkeit von Wirtschaftsprüfern geht.