Private Schulden Wie gefährlich ist Konsum auf Pump?

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Marius Stark Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Weil die Beratungsstellen überlaufen sind, suchen viele Verbraucher Hilfe bei privaten Schuldnerberatern. Wie seriös ist die Branche?

Stark: Es gibt viele Gauner, die zunächst fette Gebühren kassieren und sich dann aus dem Staub machen. Private Schuldnerberatung ist ein Riesengeschäft geworden. Geben Sie mal im Internet das Suchwort Schuldnerberatung ein, da werden Sie fast erschlagen mit Angeboten. Es ist schwer, zu erkennen, wer seriös ist. Mindestkriterium sollte die staatliche Anerkennung der Schuldnerberaterstelle sein. Vorsicht ist auch geboten, wenn Vermittler mit „schufafreien Krediten“ locken, also vorgaukeln, Verbraucher könnten dort ohne jede Bonitätsprüfung Kredit erhalten. Das sind oft Betrüger, die überschuldeten Haushalten über hohe Gebühren und Provisionen das letzte Geld aus der Tasche ziehen. An Kredit fließt in der Regel kein einziger Cent. Das ist ein riesiges Scheingeschäft.

Die Schufa hat eine Schlüsselposition im Kreditgeschäft, da sie für ihre Kunden aus der Wirtschaft eine Bonitätsbewertung von Verbrauchern erstellt. Kritiker monieren, das detaillierte Scoring-Verfahren  der Schufa sei intransparent. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Steinbauer: Er ist falsch! Wir bewerten nicht, ob ein Verbraucher einen Kredit stemmen kann. Das ist Aufgabe der Kreditgeber. Die Schufa ermittelt in einem statistisch-mathematischen Verfahren die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Schuldner seinen Kredit zurückzahlt – oder eben nicht. Das ist keine Empfehlung, wir wissen ja gar nicht, wie die Einkommensverhältnisse sind. Das ist wie bei einem Arzt, der von Patienten ein Blutbild erstellt: Da gibt es verschiedene Indikatoren, und er schaut: Wo ist der Normwert, und wo gibt es Auffälligkeiten?

Durchschnittliche Kreditverpflichtung nach Altersgruppen

Was erfassen Sie in Ihren Datenbanken?

Steinbauer: Zum Beispiel die Zahl und Höhe der Kredite, die Zahl der Konten, Privatinsolvenzen. Die Merkmale, die zur Score-Berechnung dienen, kann jeder über seine persönliche Schufa-Auskunft einsehen. Die Formel ist ein Betriebsgeheimnis. Sie liegt aber unserer Aufsichtsbehörde, dem Regierungspräsidium in Darmstadt, vor. Würden wir die Formel veröffentlichen, käme es schnell zu Umgehungsstrategien und Versuchen der Schuldner, ihren Scoring-Wert zu verbessern.

Was ist mit Handys und Kreditkarten?

Steinbauer: Wir erfassen, ob jemand Kunde eines Telekommunikationsunternehmens ist. Den Besitz von Kreditkarten erfassen wir, wenn das Kreditkartenunternehmen bei uns Vertragspartner ist.

In der Regel erhalten Verbraucher einen Scoring-Wert zwischen 1 und 1000. Wofür gibt es Abzüge?

Steinbauer: Zum Beispiel, wenn ein Offenbarungseid  geleistet wurde oder Kredite geplatzt sind. Die Informationen werden nach drei Jahren wieder gelöscht. Minuspunkte gibt es auch, wenn jemand gar nicht in unserem Verzeichnis steht, etwa weil er der Einholung von Schufa-Daten nicht zustimmt. Dann ist er für die Bank ein Unbekannter. Und einem Unbekannten gibt niemand gern Kredit.

Der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, wirft Ihnen vor, gegen das Antidiskriminierungsgesetz zu verstoßen, weil Ihre Scoring-Modelle auch Merkmale wie Alter und Geschlecht berücksichtigen.

 Das kann ich nicht nachvollziehen. Bildungsstand, Nationalität und Geschlecht spielen beim Scoring keine Rolle. Das Alter berücksichtigen wir nur im Zusammenspiel mit anderen Merkmalen. Sie können nicht einen Punkt rauspicken und sagen: Ist der hoch, verschlechtert sich das Scoring; so einfach ist das nicht. Es ist ein Unterschied, ob ein 50-Jähriger drei Konten und vier Kredite hat oder ein 18-Jähriger.

Auf der einen Seite überschulden sich die Bürger, auf der anderen Seite wird häufig beklagt, die Deutschen sparten zu viel und konsumierten zu wenig. Wie passt das zusammen?

Schmidt: Die Sparquote  der Deutschen liegt bei etwa neun Prozent. Das heißt aber nicht, dass das gesparte Geld der Wirtschaft entzogen wird. Wenn die Bürger ihre Spareinlagen aufstocken und dann mit dem Geld Aktien kaufen, fließt das Geld an die Unternehmen, die es wieder ausgeben. Unser Problem in Deutschland ist nicht die hohe Sparquote, sondern die zu niedrigen Investitionen.

Kaufen die Deutschen zu wenig Häuser und Wohnungen?

Schmidt:  Von den 1500 Milliarden Euro Konsumentenkrediten in Deutschland entfallen zwar 1000 Milliarden auf Immobilienkredite. Doch das Volumen stagniert seit sieben bis acht Jahren. Es werden etwa genauso viele neue Kredite aufgenommen wie alte getilgt. Anders sieht es bei den Ratenkrediten  aus. Die sind in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen...

Stark:  ...und machen uns immer mehr Probleme. Die meisten Menschen, die in die Schuldnerberatung kommen, haben Schwierigkeiten mit Konsumkrediten. Immobilienfinanzierungen stehen dagegen weniger im Zentrum der Schuldenprobleme.

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