Privatisierung Mieter wollen gepflegt werden

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Kein gutes Ergebnis bei Verkaufsdruck

Wohnviertel in Freiburg. Quelle: APN

Problematischer als die Kontrolle nach dem Verkauf ist bei Privatisierungen wie in Dresden aber vielmehr die Ausgangslage. „Zu oft schaut die öffentliche Hand bei Veräußerungen nur auf den Preis“, sagt Immobilienökonom Pfnür. Der politische Prozess verengt sich auf eine Zahl, der restliche Vertrag findet kaum Beachtung. Pfnür plädiert für klare vertragliche Pflichten anstelle von biegsamen Sozialvereinbarungen. Städte dürften zudem nicht den Fehler machen, aus einer Position der Schwäche auf den Markt zu gehen. Wenn die Haushaltssperre kurz bevorsteht, steigt der Verkaufsdruck so weit, dass ein gutes Verhandlungsergebnis fast unmöglich wird.

Wer nach einem Fazit aus dem Fall Dresden sucht, der landet vielleicht bei Otto Neideck. Neideck, Kämmerer der Stadt Freiburg, ist nur haarscharf am Schicksal seines Kollegen Vorjohann vorbeigeschrammt. 2007, kurz nachdem die Dresdner Blitzentschuldung bundesweit für Furore sorgte, wollte auch die Stadt Freiburg ihre Wohnungen verkaufen. Stadtkämmerer Neideck erinnert sich: „Die Bezirksregierung drohte damit, uns unter Haushaltsaufsicht zu stellen, wenn wir nicht schnell unsere Schulden verringern würden.“ Die Privatisierung hätte auch Freiburg auf einen Schlag schuldenfrei gemacht. Mit einem Investor war man sich schon einig, da begann die Mieterrevolte. Wochenlange Proteste, am Ende ein Bürgerentscheid und ein überwältigendes Ergebnis: Mehr als 70 Prozent der Freiburger sprachen sich gegen den Verkauf aus.

Sparsamkeit in Freiburg

Seitdem haben Freiburg und Dresden gegensätzliche Entwicklungen genommen. In Dresden droht Finanzbürgermeister Vorjohann mit einer Haushaltssperre, weil 2012 fast 33 Millionen Euro im Haushalt fehlen. Kosten für Kitas und Schulen explodieren in der wachsenden Stadt. Zudem wird das Schuldenverbot umgangen: Um den Umbau des Kulturpalastes ohne Darlehen zu stemmen, zapft die Stadt das Vermögen der Sozial- und Kreuzchorstiftungen an. Auch die Sorgen mit der Gagfah sind nach dem Vergleich nicht aus der Welt. „Ein Verkauf des Gesamtportfolios ist eine Option, die wir prüfen“, heißt es bei der Gagfah zu Dresden.

In Freiburg hingegen ist seitdem Sparsamkeit ausgebrochen. Seit 2007 konnte die Verschuldung um 50 Millionen Euro gesenkt werden, schon im kommenden Jahr soll der Haushalt strukturell ausgeglichen sein. „Erst durch die Debatte um die Privatisierung ist in Freiburg das Bewusstsein dafür entstanden, dass die Stadt und alle ihre Bürger sparen müssen“, sagt Kämmerer Neideck. Nun ist Freiburg eine von Demografie und Wirtschaftsentwicklung begünstigte Stadt, viele Gemeinden haben diese Perspektive nicht. Und doch zeigt der Vergleich mit Dresden: So richtig die Privatisierung an sich sein mag, zum Erfolg wird sie erst, wenn man die Einnahmen nicht gleich wieder verbrät.

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