#ProGroKo oder #NoGroKo Wie die SPD im Internet auf Selbstsuche geht

Die SPD ist gespalten. Ob bei Twitter oder Facebook: Gegner und Befürworter einer Großen Koalition positionieren sich im Internet.

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SPD geht im Netz auf Selbstsuche – GroKo oder NoGroKo? Quelle: dpa

Berlin Ralf Stegner, Vize-Vorsitzender der SPD, ist ein Mann, der sich für Musik interessiert. Daran lässt er auch seine Anhänger auf Facebook regelmäßig teilhaben. „You can get it if you really want“ („Man kann es schaffen, wenn man wirklich will“) lautete sein Musiktipp am Mittwoch. Das soll all jenen in der SPD Mut machen, die sich für eine neue Große Koalition mit der Union unter Kanzlerin Angela Merkel einsetzen. Geschrieben hat den Song Jimmy Cliff, ein jamaikanischer Reggae-Sänger. Das weckt Erinnerungen an einen anderen Versuch der Regierungsbildung: Jamaika – da war doch was.

Bis Anfang März dürfen rund 460.000 SPD-Mitglieder nun entscheiden, ob ihre Partei erneut mit der Union koaliert. Das Votum kommt zu einer Unzeit. Die SPD ist auf der Suche, so viel ist klar: Nach einer gemeinsamen Vorstellung, was Sozialdemokratie in Deutschland im Jahr 2018 bedeuten soll. Und nach einer Antwort auf die Frage: „GroKo, Ja oder Nein?“. Sie steht im Zentrum der innerparteilichen Meinungsbildung, die sich derzeit auch online mitverfolgen lässt.

Während sich hinter dem Schlagwort #NoGroKo auf Twitter die Gegner der geplanten Koalition versammeln – passend zum gleichnamigen Verein „NoGroKo e.V.“ – tun die Befürworter ihre Meinung unter dem Hashtag #ProGroKo kund. Geht es nach den Nennungen auf Twitter, dann haben die Gegner Anlass zu Optimismus. Zum Start des Mitgliedsvotums am Montag verzeichnete die Software „Dataminr“ etwa 700 #NoGroKo-Nennungen zwischen 10 und 16 Uhr. Der Hashtag #ProGroKo wurde im gleichen Zeitraum demnach etwa 200 Mal verwendet. Doch als Stimmungsbarometer taugt das nur bedingt.

„Auf diesen Social Media-Plattformen sind die Jüngeren dramatisch überrepräsentiert“, sagt der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer. Das bedeute eine „dramatische Verzerrung zugunsten der Gegner“. Durch die medial erfolgreiche Kampagne der Jusos ist der Hashtag der GroKo-Gegner zudem mehr Menschen bekannt. Außerdem würfeln viele Nutzer, die sich in dem Kurznachrichtendienst allgemein zur SPD oder zur Groko-Frage äußern, bekannte Schlagworte durcheinander, um so ihre Sichtbarkeit in dem Netzwerk zu erhöhen.

In Umfragen sank die SPD zuletzt auf ein Rekordtief: 16 Prozent im ARD-„Deutschlandtrend“. In einer weiteren Umfrage landeten die Sozialdemokraten sogar erstmals hinter der AfD. Im Umfragetief in die Opposition gehen? Ins Ungewisse stürzen? Was vor allem älteren Genossen den Angstschweiß auf die Stirn treibt, betrachten die „jungen Wilden“ um Juso-Chef Kevin Kühnert als notwendige Katharsis. Wie im griechischen Drama muss die SPD nach dieser Auffassung erst einmal krachend niedergehen, um gestärkt auferstehen zu können.

Auch auf Facebook wird die Auseinandersetzung geführt, beispielsweise in der Gruppe „Jusos in der SPD“, die mehr als 30.000 Abonnenten zählt. Meist geht es darum, die Parteibasis vom „Nein“ zu überzeugen, vom „#SPDerneuern“ oder vom „#SPDNeuanfang“. Auch an diesen Verschlagwortungen zieht sich die Debatte um die Zukunft der Sozialdemokratie hoch.

Kämpft hier Jung gegen Alt, Establishment gegen Revolutionäre? Ganz so einfach ist es nicht. Auch unter den GroKo-Befürwortern finden sich jene, die einen Umbruch in der Partei herbeisehnen und ein Ende der Debatte um Partei- und Regierungsposten wünschen: Einen Hashtag „#Weiterso“ nutzt in der SPD derzeit niemand.

Und als sei die Partei nicht genug mit sich selbst beschäftigt, wird ihr von außen noch eine weitere Debatte aufgedrängt. Auch sie wird in Onlineforen ausgetragen: Der Vorwurf, der Mitgliederentscheid sei undemokratisch, weil die Koalitionsbildung allein vom Votum der SPD-Basis abhänge. Um derlei Vorwürfe kümmert sich Ralf Stegner, gewohnt kampfeslustig, persönlich.

„Bei anderen entscheiden wenige, bei uns entscheiden alle Mitglieder. That's the difference, stupid!“, reagiert er persönlich auf Kritik eines Kommentators an dem Verfahren. Schützenhilfe bekommt Stegner vom Bundesverfassungsgericht, das fünf Anträge gegen das Votum Anfang Februar ohne Begründung ablehnte.

Nun setzen einige GroKo-Gegner ihre (vor-)letzte Hoffnung – also abgesehen von einem möglichen negativen Mitgliedsvotum – auf eine Online-Petition. Bis Mittwochmittag hatten etwa 6500 Menschen unterzeichnet. „Stoppt eine Große Koalition, die Konzernen dient und CETA will!“, lautet die Überschrift.

Ob am Ende Befürworter oder Gegner siegen, will auch der Politikwissenschaftler Niedermayer nicht sagen. „Es ist für mich ganz offen.“ Ein Gefühl hat er trotzdem. Möglicherweise bewege das Umfragetief Unentschlossene, nun für die Koalition zu stimmen. Sollten die Koalitionsgegner dennoch siegen, könnte Stegner für den GroKo-Kater-Soundtrack bei einem weiteren jamaikanischen Künstler fündig werden: „(Keep on walking and) don't look back“, („Geh weiter und schaue nicht zurück“) sang einst Peter Tosh. Die Debatte um die Erneuerung der SPD würde dann allerdings erst richtig losgehen.

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