Doch Schwesigs neue Spielregeln bedeuten für viele Prostituierte Angst und zusätzliche Stigmatisierung. „Ich gehe davon aus, dass sich die meisten ohnehin nicht registrieren werden. Und wenn sie einmal illegal sind, gehen sie mit ihren Problemen dann noch zur Polizei?“, so Branchenvertreterin de Rivière. Dabei wollte die Ministerin genau das mit ihrem Gesetz erreichen: mehr Schutz.
„Die Vorstellung, dass durch ein verordnetes Beratungsgespräch Opfer von Menschenhandel identifiziert werden, ist geradezu lebensfremd“, sagt Claudia Zimmermann-Schwartz. Sie leitete das Projekt „Runder Tisch Prostitution“ in Nordrhein-Westfalen. Über vier Jahre hinweg haben hier mehr als 70 Sachverständige einschließlich Sexarbeiterinnen Probleme der Branche diskutiert. „Ich sehe die Gefahr, dass Opfer von Menschenhandel sogar geschwächt werden, weil sie dann auch noch ganz legal bei der Behörde angemeldet sind“, so die Frauenschützerin.
Prostitution und Menschenhandel werden vermischt
Im Januar richteten sieben Verbände, darunter der deutsche Juristinnenbund, die Aids-Hilfe und der Frauenrat einen Appell an die Bundesregierung: Das geplante Gesetz solle in vielen Punkten überdacht werden, insbesondere in Sachen Datenschutz.
„Was wir wirklich brauchen, sind Anlaufstellen, die uns bei normalen Problemen helfen und uns nicht als Opfer sehen“, sagt Lank. Auch Zimmermann-Schwartz kritisiert: „Es ist fatal, dass Prostitution und Menschenhandel immer vermischt werden. Prostituierte sind dadurch gebrandmarkt, während das Leid im Menschenhandel bagatellisiert wird.“ Das neue Gesetz zementiere diese Stigmata und helfe nicht bei den tatsächlichen Problemen. Zimmermann-Schwartz rechnet fest damit, dass die NRW-Landesregierung Schwesigs Pläne im Bundesrat stoppen wird.
Für die nebenberufliche Sexarbeiterin Lank steht schon fest: Sie wird sich nicht registrieren. „Ich will nicht als Hure staatlich gespeichert werden und meinem Arzt von der Prostitution erzählen“, sagt sie. Für sie wäre das ein Zwangsouting: am Ende gar vor den Kunden in der Bäckerei.