Rainer Brüderle gegen Jürgen Trittin "Relativ wenige in Deutschland zahlen relativ viel Steuern"

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"Das muss europäisch gelöst werden"

Die Krisen der Freien Demokraten
Retter Brüderle?Als starker Mann in der Partei gilt derzeit Fraktionschef Rainer Brüderle (hier mit dem FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler am 17.04.2013 in Berlin während eines Empfangs zum Geburtstag von Dirk Niebel). Die Aufschrei-Affäre um sein angeblich sexistisches Verhalten gegenüber einer Journalistin brachte ihn zwar zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Bedrängnis. Aber peinlich war die Indiskretion für den Spitzenkandidaten in jedem Fall. Zumal sie wohl auch die Erinnerung an seinen alten Ruf als „Weinköniginnenküsser“ beförderte. Brüderle war als rheinland-pfälzischer Wirtschaftsminister auch für den Weinbau zuständig. Und er galt seinerzeit nicht gerade als politisches Schwergewicht. Quelle: dpa
Der Riesenerfolg 2009 - und der steile Absturz danachDer damalige FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle, rechts, und der Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher, links, am 3. September 2009 beim Auftakt des bundesweiten Wahlkampfes. Es war das beste Bundestagswahlergebnis aller Zeiten, das die FDP feiern konnte: 14,6 Prozent. Fünf Minister konnte sie im Koalitionsvertrag mit Angela Merkel durchsetzen. Doch schnell stürzte die FDP in den Umfragen auf Minus-Rekorde. Die Kritik an Parteichef Guido Westerwelle spitzte sich nach schwachen Landtagswahlergebnissen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zu. Aber auch der neue Parteichef Philipp Rösler steht seither unter medialer Dauerkritik. Auch innerhalb der Partei halten ihn viele für  führungsschwach und wenig überzeugend. Quelle: AP
Die PlagiatorinDie einst von Westerwelle protegierte EU-Parlamentarierin Silvana Koch-Mehrin stürzte im Mai 2011, über ihre abgeschriebene Doktorarbeit. Schon vorher hatte sich Koch-Mehrin in Talkshows durch offensichtliche Inkompetenz und in Brüssel durch Abwesenheit bei Sitzungen diskreditiert. Hier ist sie am 16. Mai 2009 vor ihrem Wahlplakat auf dem FDP Bundesparteitag in Hannover zu sehen. Der Doktor-Titel fehlte auf keinem Plakat. Quelle: AP
Der PlagiatorAuch EU-Parlamentarier Jorgo Chatzimarkakis fiel vor allem durch häufige Talkshow-Auftritte (hier bei "Anne Will") und geschwätzige Wortmeldungen auf. Unter anderem schlug er vor, nicht mehr von „Griechenland“ zu sprechen sondern von „Hellas“, um das Image des Landes zu heben. Sein eigenes Image leidet seit Juli 2011 unter dem Entzug des Doktortitels aufgrund der zum größten Teil abgeschriebenen Doktorarbeit.    Quelle: dapd
Möllemann stürzt abJürgen Möllemann war die wohl kontroverseste Persönlichkeit der bisherigen FDP-Geschichte. Der Fallschirmjäger-Oberleutnant. Nach der „Briefbogen-Affäre“ und seinem Rücktritt als Bundeswirtschaftsminister 1993 gelang ihm als Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen 2000 ein erstaunlicher Wahlerfolg. Möllemann galt als Kopf hinter der Strategie 18. 2002 eskalierte dann ein Konflikt um seine Unterstützung für einen palästinensischen Aktivisten, der Israel einen „Vernichtungskrieg“ vorwarf. Möllemann wurde vom Zentralrat der Juden scharf angegriffen. Hildegard Hamm-Brücher trat seinetwegen aus der FDP aus.  Nach einem Flugblatt mit erneuten Vorwürfen gegen die israelische Regierung drehte sich die Stimmung innerhalb der FDP zuungunsten Möllemanns, der aus der Partei austrat. Am 5. Juni 2003 starb er bei einem Fallschirmabsturz, vermutlich wählte er den Freitod. Quelle: dpa
Projekt 18So nannte die FDP ihre Wahlkampfstrategie zur Bundestagswahl 2002, beschlossen im Mai 2001 auf dem Düsseldorfer Bundesparteitag unter wesentlicher Mitwirkung von Jürgen Möllemann (Bild). Ziel: „mit neuen Formen der Kommunikation und Darstellung … neue Wählerschichten“ für die Partei erschließen und die FDP als eigenständige und unabhängige politische Kraft außerhalb eines vorgegebenen Lagers darstellen. Der Name bezog sich auf das Ziel, den Anteil an den Wählerstimmen von 6 auf 18 Prozent zu verdreifachen. Viele empfanden die Kampagne als Inbegriff einer plakativen Spaß-Politik.
Guido im ContainerEine Aura des Unernsthaftigkeit verpasste sich die FDP-Führung spätestens zu Anfang des neuen Jahrtausends. Als Sinnbild der damals neuen politischen Spaßkultur wurde vor allem der Besuch des damaligen Generalsekretärs Westerwelle im Big-Brother-Container 2000 gesehen. Als Mitbringsel hatte er Alkoholika und Zigaretten dabei. Quelle: dpa

Grüne und FDP haben ihre Wähler im Nacken, wenn sie beim EEG abspecken. Die einen die Solarbranche, die anderen große Fonds. Kommen Sie dagegen an?

Brüderle: Es darf nicht länger so sein, dass die Oma mit der Leselampe die Solarheizung des Poolbesitzers subventioniert.

Trittin: Vor zehn Jahren hat die Oma mit der Leselampe für vier Unternehmen bezahlt: E.On, RWE, Vattenfall und EnBW. Deren Marktanteil ist auf 60 Prozent gesunken, 24 Prozent des Stroms stammt von den Erneuerbaren. Wem gehören die Anlagen? Elf Prozent gehören Landwirten, 35 Prozent Bürgersolargesellschaften, mit dabei sind auch Rentner. Es ist sinnvoller, Strom auf dem Land zu erzeugen statt durch Import fossiler Energieträger aus Saudi-Arabien oder Russland.

Dennoch: Sie werden Subventionen streichen müssen.

Trittin: Ich habe kein Problem, auch die Vergütung für Windstrom an Land zu reduzieren und für Biogas zu streichen. Gas ist ein wertvoller Energiespeicher, den darf ich nicht rund um die Uhr verballern. Das geht nicht ohne den Mut, Lobbyinteressen entgegenzutreten. Man muss durchsetzen, was man für richtig hält – eine Eigenschaft, die ich bei der Bundesregierung vermisse.

Brüderle: Lassen wir mal diese allgemeine Rhetorik weg. E.On gehört nicht einem Einzelnen, mancher Rentner oder manche Familie besitzen da auch Aktien. In den Energiemarkt muss mehr Wettbewerb rein, die langfristigen Förderzusagen auf 20 Jahre müssen weg. Und warum darf sich der Bauer aus Frankreich oder Griechenland nicht an der Erzeugung beteiligen?

Trittin: Da bin ich bei Ihnen, das muss europäisch gelöst werden.

Euro-Kritiker Frank Schäffler und Vermögensverwalter Max Otte fordern ein Euro-Aus Griechenlands und ein Ende der Rettungspolitik zu Lasten der Sparer. Otte verrät zudem, warum jetzt ein guter Moment zum Goldkauf ist.
von Tim Rahmann

Also Einigkeit, aber Sie werben ja um ähnliche Wähler. Die verdienen gut, stammen beide aus bürgerlichen Milieus...

Brüderle: Die wahren Besserverdiener sind bei den Grünen…

Trittin: Kein Sozialneid, bitte!

Brüderle: Nein, nein. Ich bin tolerant, nur Möhren mag ich nicht so sehr. Aber im Ernst: Es gibt nicht viele Menschen, die mal uns wählen und mal die Grünen.

Trittin: Die Schnittmengen sind nicht groß. Eine der letzten, die von den Jungdemokratinnen der FDP zu uns gekommen ist, war Claudia Roth, heute Parteivorsitzende.

Brüderle: Der Schmerz darüber, Herr Trittin, hielt sich in Grenzen.

Dennoch hätten Sie beide mehr Machtoptionen, wenn Sie eine Koalition miteinander nicht ausschlössen.

Trittin: In Bremen und Brandenburg gab es mal Ampel-Koalitionen. Die waren für beide Seiten unerfreulich und sind gescheitert. Im Saarland hatten wir eine Jamaika-Koalition – das ist keine zwei Jahre gut gegangen. Das Ergebnis waren jeweils große Koalitionen. Nach diesen Erfahrungen sind wir nicht scharf auf so etwas.

Dann schauen Sie sich künftig beide von außen die große Koalition an?

Brüderle: Eine gemeinsame inhaltliche Basis ist nicht da, auch wenn eine rechnerische Mehrheit es hergeben würde. Das wird nichts.

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