Rainer Brüderle gegen Jürgen Trittin "Relativ wenige in Deutschland zahlen relativ viel Steuern"

FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle und Grünen-Spitzenmann Jürgen Trittin wollen an die Macht – aber auf keinen Fall gemeinsam. Bei Euro-Krise und Energiewende trennen sie Welten.

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Jürgen Trittin und Rainer Brüderle im Streitgespräch Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Trittin, Ihre Partei will eine Vermögensabgabe. Warum soll eine Mittelständlerin oder ein Mittelständler grün wählen?

Trittin: Weil wir den Mittelstand entlasten. Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern sollen steuerlich so gestellt werden wie börsennotierte, wenn sie die Gewinne im Betrieb reinvestieren. Zweitens sollen sie Forschungsausgaben schneller und höher abschreiben können. Beides kostet den Staat wohl eine Milliarde Euro. Allerdings ist es nicht in Ordnung, dass jeder Mittelständler 30 Prozent Steuern bezahlt, aber nur 25 Prozent, wenn er das Geld entnimmt und am Kapitalmarkt anlegt – falls er es, anders als Uli Hoeneß, korrekt versteuert. Deshalb wollen wir die Abgeltungsteuer beseitigen.

Herr Brüderle, wäre die FDP die bessere Wahl?

Brüderle: Ja, weil alles etwas anders ist, als Herr Trittin behauptet. Das Konzept der Grünen mit Steuererhöhungen um 40 Milliarden Euro trifft doch den Mittelstand! Vermögensabgabe, Vermögensteuer, Verdopplung der Erbschaftsteuer, Abschaffung des Ehegatten-Splitting, sodass die Ehepartner behandelt werden, als seien sie Fremde. Und nicht zu vergessen die Erhöhung der Grundsteuer und die Gewerbesteuer für freie Berufe. Die ehrliche Botschaft ist eine andere: FDP wählen.

Trittin: Die Linkspartei will das Ehegattensplitting abschaffen, nicht wir. Wir wollen den Splittingvorteil deckeln und die Ersparnis ins Kindergeld und die Betreuung stecken. Die Gewerbesteuer ersetzen wir durch eine kommunale Wirtschaftssteuer. Selbstständige werden nicht stärker belastet, die können das mit der Einkommensteuer verrechnen.

Brüderle: Die Gewerbesteuer ist unsinnig, deshalb wollen wir sie abschaffen. Sie hat mit der Leistungsfähigkeit der Unternehmen nichts zu tun. Die hat man nur behalten, um gut abzukassieren. Und Sie wollen das noch auf weitere Sektoren ausweiten.

Zu den Personen

Trittin: Die Finanznot der Kommunen ist dramatisch, da sollte man kein zynisches Wort wie „abkassieren“ benutzen. Auch Unternehmen brauchen die kommunale Infrastruktur. Und die Behauptung, die Vermögensabgabe würde den Mittelstand belasten, ist falsch. 340 000 Menschen sind betroffen, das sind die Reichsten der Reichen. Eine Studie des ZEW in Mannheim bestätigt: 90 Prozent der Unternehmen sind nicht betroffen. Geleitet wird das Institut von Professor Fuest, einem der angesehensten Regierungsberater. Also hören Sie mit den Märchen auf.

Brüderle: Das sind keine Märchen, das steht in Ihrem Programm. Ab einer Million wollen Sie die Vermögensabgabe einführen, die grundsätzlich erst einmal jeden trifft. Allein die Bewertung der Vermögen ist ein Bürokratiemonster. Da helfen auch keine nebulösen Erklärungen.

Trittin: Der Fraktionschef der Freien Demokraten sollte sich nicht dümmer stellen, als er ist. Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt. Es werden nur natürliche Personen besteuert, sie haben einen Freibetrag von einer Million Euro. Und wer mehr als 25 Prozent am Betrieb besitzt, also der klassische Familienunternehmer, hat einen zusätzlichen betrieblichen Freibetrag von fünf Millionen. Selbst ein unverheirateter, kinderloser Unternehmer müsste erst ab einem Betriebskapital von sechs Millionen Euro Vermögensabgabe zahlen.

Brüderle: Ich schaue auf das, was Sie im Wahlprogramm ankündigen. Die Familienunternehmer und der DIHK rechnen vor, wie das einschlägt. Die vernünftigen Leute bei Ihnen wie Ihr Ministerpräsident Kretschmann – die warnen alle. Doch nicht mir zuliebe. Nachdem Sie merken, wie viel Kritik Ihre Steuerpläne ernten, wollen Sie vernebeln.

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