Rainer Brüderle gegen Jürgen Trittin "Relativ wenige in Deutschland zahlen relativ viel Steuern"

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"Wenige in Deutschland zahlen viel Steuern"

Trittin: "Industriestandort Deutschland erhalten und ausbauen"

Tragen denn die Reichsten der Reichen, wie Herr Trittin sie nennt, ausreichend zu den gesellschaftlichen Aufgaben bei?

Brüderle: Wer legt denn fest, was ausreichend ist? Die neuen Jakobiner? Relativ wenige in Deutschland zahlen relativ viel Steuern. Wenn man noch kräftiger zulangt, geht’s wie in Frankreich. Da konnte Herr Hollande mit seinem Programm die Rezession gleich mit verkünden.

Trittin: Diese Rezession ist ein Erbe der Regierung Sarkozy. Aber in einem Punkt gebe ich Herrn Brüderle recht...

Brüderle: ...jetzt wird’s gefährlich...

Trittin: …richtig ist, dass man so etwas nicht abstrakt festlegen kann. Aber wir haben ein reales Problem: Unter Schwarz-Gelb sind die deutschen Staatsschulden von 67 Prozent im Jahr 2008 auf 82 Prozent im Jahr 2012 gestiegen – das ist deutlich über den Maastricht-Kriterien. Es sind gesamtstaatlich rund 500 Milliarden Euro Schulden hinzugekommen. Wir haben im großen Stil Bankschulden übernommen, der Bund haftet für etwa 300 Milliarden Euro. Das müsste nicht nur Marktwirtschaftler wie mich, sondern auch Rainer Brüderle aufregen. Derzeit zahlen mittelständische Unternehmen und Arbeitnehmer über die Einkommensteuer, Studierende und Arbeitslose über die Mehrwertsteuer die Zinsen für diese Schulden. Wir wollen die Schulden abbauen, und das sollen bitte die machen, die das am leichtesten bewerkstelligen können. Vorbild für die Vermögensabgabe ist der Lastenausgleich, und der stammt von Ludwig Erhard.

Brüderle: Die Absicherung für die Banken haben wir damals in der Krise als Opposition mitgetragen. Sie nicht. Wir mussten einen Kollaps des Finanzsystems und damit der Wirtschaft vermeiden. Aber wir haben Konsequenzen gezogen. Soziale Marktwirtschaft braucht klare Regeln.

Trittin: Da bin ich bei Ihnen. Ich will nicht auf die Banken einprügeln. Aber die zusätzlichen mehr als 100 Milliarden Euro Staatsschulden, verursacht durch die Finanzkrise, müssen wir abbauen.

Brüderle: Richtig, aber nicht über Steuererhöhungen! Wir müssen das aus dem Wachstum schaffen.

Würde die Euro-Rettung mit Schwarz-Gelb billiger als mit Rot-Grün, oder spüren die Krisenländer nur länger Druck, bis wir am Ende doch zahlen?

Brüderle: Die Grünen wollen Euro-Bonds und einen Altschulden-Tilgungsfonds, ich bin gegen die Vergemeinschaftung der Schulden. Wenn wir den Zins gleichschalten für alle Euro-Staaten, verliert er seine Lenkungsfunktion. Das gäbe eine gigantische Umverteilung. Ich will auch keine Steuererhöhungen, um Schulden anderer zu bezahlen. Das gibt es mit uns nicht. Deshalb wird es mit uns erfolgreicher. Es geht voran, aber wir sind nicht über den Berg.

Trittin: Es ist keine Krise nur der Südländer, sondern eine Krise ganz Europas. Da kommen wir nur raus mit dem Mut zu mehr Europa, etwa durch Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und Finanzpolitik. Für den Optimismus von Herrn Brüderle gibt es in der Wirklichkeit keine Anhaltspunkte. Die Staatsschulden in den Südländern sind nicht kleiner geworden, sondern größer. Griechenland spart sich immer tiefer in die Krise. Am Ende steigen Verbindlichkeiten und Kosten für die deutschen Steuerzahler, mit Schwarz-Gelb wird es teurer. Das ist keine keynesianische Verschwörung, sondern eine Feststellung des Internationalen Währungsfonds.

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