Rainer Brüderle zur Verschärfung des Kartellrechts „Ich wünsche Robert Habeck mehr Erfolg, als ich ihn hatte – und zwar von Herzen“

FDP-Urgestein: Rainer Brüderle war über anderthalb Jahrzehnte Parteivize der Liberalen. Quelle: imago images

Vor mehr als zehn Jahren wollte schon FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle ein schärferes Kartellrecht durchsetzen – und scheiterte. Nun lobt er seinen grünen Nachfolger Robert Habeck, aber warnt ihn zugleich vor immensen Widerständen aus der Wirtschaft.

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WirtschaftsWoche: Herr Brüderle, Sie müssen gerade ein politisches Déjà-vu durchleben: Robert Habeck versucht, woran Sie vor etwas mehr als zehn Jahren im selben Ministeramt noch gescheitert sind: er will das Kartellrecht deutlich schärfen.
Rainer Brüderle: Da hat der amtierende Wirtschaftsminister eine exzellente Idee gehabt. Ich finde es sehr gut, dass er dieses Vorhaben aufgreift. Aber ich kann auch sagen: es wird nicht einfach.

Kritik schlägt auch Habeck schon kräftig entgegen. Sie macht sich vor allem an dem geplanten Recht zur missbrauchsunabhängigen Entflechtung fest. In der Tat stellt sich da die Frage nach staatlicher Willkür: Wen zerschlage ich? Wann? Und warum? 
Zunächst einmal: Ich wünsche Robert Habeck mehr Erfolg, als ich ihn hatte – und zwar von Herzen. Mir ging es damals ums Prinzip, denn ich bin ein überzeugter Ordnungspolitiker. Das Kartellamt braucht diese missbrauchsunabhängige Option, damit es wirklich glaubhaft als Hüterin freier Märkte auftreten kann. Wir Liberale sind ja nicht per se gegen einen starken Staat. Genau hier muss er sehr stark sein, wenn es nötig ist. Die Amerikaner haben dafür eine sehr passende Wendung: „fleet in being“. Die Flotte muss nicht auslaufen, aber sie muss jederzeit auslaufen können.

Zur Person

Aber nochmal: Wie verhindert man Willkür?
Indem man klare Kriterien setzt. Das wäre auch bei meiner Novelle der Fall gewesen.

Das heißt konkret?
Dass das Kartellamt eindeutig geprüft haben muss, dass ein Oligopol vorliegt, welches potenziell marktbeherrschende Kräfte besitzt. Dass es ein klares und einschlägiges Gutachten der Monopolkommission gibt. Und dass im Falle einer Entflechtung selbstverständlich eine rechtstaatliche Überprüfung vor Gerichten möglich ist und gegebenenfalls eine Entschädigung gezahlt wird. Das Recht auf Eigentum setzt ja hohe Hürden – und ist mir ebenfalls politisch heilig.

Sie konnten sich innerhalb der schwarz-gelben Koalition nicht durchsetzen. Warum nicht?
Es gab zu viele Widerstände. Der BDI war vehement gegen mein Vorhaben, auch Teile der CDU und das Kanzleramt. Ich erinnere mich, wie der halbe Dax bei mir angerufen hat und mich besorgte Chefs fragten, ob ihr Konzern denn unter das neue Gesetz fallen würde. Heute weiß ich, warum Ludwig Erhard zehn Jahre benötigte, um überhaupt ein erstes Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen durchzusetzen. Die Angst vor dem freien Markt ist größer, als man denken würde.

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