Rainer Wendt im Interview „Es fehlt schlicht an Kapazitäten“

Die Zahl der Wohnungseinbrüche erreicht laut Kriminalstatistik einen neuen Rekordwert. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, fordert im Interview mehr Investitionen in die innere Sicherheit.

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Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG), Rainer Wendt, sieht großen Nachholbedarf bei der inneren Sicherheit. Quelle: dpa

Berlin Herr Wendt, leben wir in unsicheren Zeiten?
Das Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung ist groß. Vor wenigen Jahren haben noch 26 Prozent der Deutschen befürchtet, Opfer einer Straftat zu werden, jetzt sind es 52 Prozent. Das hat zwar nichts zu tun mit der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit, Opfer zu werden. Aber es ist auch Aufgabe des Staates, nicht nur für objektive Sicherheit zu sorgen, sondern auch dafür, dass die Menschen keine Angst vor Kriminalität haben. Das heißt, die Polizei muss auf den Straßen präsent sein und nicht nur von einem zum nächsten Einsatz fliegen. Da gibt es großen Nachholbedarf.

Wie erklären Sie die hohe Zahl an Einbrüchen und Diebstahlsdelikten im vergangenen Jahr?
Viele Polizisten sind durch den Zuzug der Flüchtlinge mit anderen Aufgaben beschäftigt. Unsere Bereitschaftspolizei ist etwa stark eingebunden in den Schutz von Flüchtlingseinrichtungen – das ist auch richtig so, aber diese Kräfte fehlen. Es fehlt schlicht an Kapazitäten, um etwa in Ballungszentren nach Taschendieben Ausschau halten zu können. Die Polizei ist in einer Weise gefordert wie nie. Wir können nicht mehr so präsent sein, wie wir das für richtig halten.

Die hohe Zahl an Einbrüchen wird aber schon seit Jahren beobachtet.
Allein die Verknüpfung zu den Flüchtlingen herzustellen wäre falsch. Die Polizei ist in den vergangenen Jahren kaputt gespart worden. Das führt zu niedrigen Aufklärungsquoten – mit fatalem Signal. Wir brauchen ein flächendeckendes Investitionsprogramm in die innere Sicherheit. Die Ministerpräsidenten müssten das Thema zur Chefsache machen.

Mit der Flüchtlingskrise wurden die Stellen bei der Polizei schon aufgestockt.
Die beschlossenen Einstellungen mildern lediglich die bisherigen Versäumnisse ab. Die Bundespolizei hat 3000 neue Planstellen bekommen, aber man muss bedenken, dass die Polizisten erst ausgebildet werden müssen. Die Bundespolizei hat schon vor der Flüchtlingskrise einen Personalmangel festgestellt.

Liegt es allein am Personal?
Nein, das große Problem ist nicht etwa der Drogenabhängige, der schnell Geld braucht, sondern die sehr gut organisierten Einbrecherbanden, etwa aus Osteuropa. Die Ermittlungen in diesem Bereich sind sehr aufwendig. Wir müssen vorher schon wissen, wo die Banden zuschlagen und ihre Reisebewegungen überwachen dazu brauchen wir moderne Ermittlungsmethoden. Die Länder brauchen deshalb eine einheitliche IT-Infrastruktur und moderne Recherchesysteme. Noch haben die Länder eigene Systeme, die nicht miteinander vernetzt sind. Die Politiker verhalten sich wie Provinzfürsten, weil sie immer noch daran festhalten. Hinzu kommt ein anderes Problem: Die gefassten Täter werden in vielen Fällen nicht hart genug bestraft.

Woran machen Sie das fest?
Unter den Richtern gibt es viel zu viel Verständnis für irgendwelche Tatgründe. Da fallen die Urteile entsprechend milde aus. Ich kann das oft nicht nachvollziehen. Denn hinter jedem Ermittlungserfolg steckt auch harte Polizeiarbeit. Wenn dann ein Kuschelurteil dabei herauskommt, motiviert das die Polizisten nicht. Und abschreckend wirkt es auch nicht.

Nach den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln wird bei erhöhter Kriminalität schnell die Verbindung zu den Flüchtlingen hergestellt - ist da was dran?
Nein. Natürlich werden auch Flüchtlinge kriminell und es gibt einzelne Bereiche, bei denen Migranten besonders auffällig sind. Zum Beispiel Eigentumsdelikte, wie Taschendiebstahl oder Ladeneinbruch. Aber in der Statistik ist das kaum messbar. Deshalb darf man das Problem der steigenden Kriminalität nicht mit dem Flüchtlingsthema verknüpfen das wäre völlig unseriös.

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