Rainer Wendt Prominente Wahlkampfhilfe für die CDU

Kanzlerin Merkel hält den CDU-Beschluss zum Doppelpass für falsch. Doch im Wahlkampf dürfte sie das Thema einholen – auch, weil mit dem Polizeigewerkschafter Wendt ein prominentes Parteimitglied dafür werben will.

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„Ich freue mich über die Kanzlerkandidatur von Angela Merkel und werde im kommenden Jahr für meine Partei mit großer Begeisterung Wahlkampf machen, damit aus den Parteitagsbeschlüssen rasch praktische Politik wird.“ Quelle: dpa

Berlin Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hat der CDU seine Unterstützung im Bundestagswahlkampf zugesichert. „Ich freue mich über die Kanzlerkandidatur von Angela Merkel und werde im kommenden Jahr für meine Partei mit großer Begeisterung Wahlkampf machen, damit aus den Parteitagsbeschlüssen rasch praktische Politik wird“, sagte Wendt dem Handelsblatt. „Die jüngsten Beschlüsse des CDU-Bundesparteitages haben gezeigt, dass ich in der Vergangenheit nicht falsch gelegen habe, ich begrüße die Forderungen der CDU zur Flüchtlingspolitik und zur inneren Sicherheit ausdrücklich.“ Wendt ist seit über 40 Jahren CDU-Mitglied.

Der CDU-Bundesparteitag in Essen hatte kürzlich dafür gestimmt, wieder die sogenannte Optionspflicht für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern einzuführen. Die Kinder müssten sich dann für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte gleich nach dem Parteitag erklärt, sie halte den Doppelpass-Beschluss für falsch. Doch damit ist das Thema nicht vom Tisch. In der CDU wird seitdem diskutiert, welche Bedeutung dem Votum gegen den Doppelpass im kommenden Bundestagswahlkampf zukommen soll.

Für CSU-Chef Horst Seehofer steht außer Frage, dass das Thema nicht ignoriert werden dürfe. „Man kann einen Parteitagsbeschluss nicht unberücksichtigt lassen in einem Wahlprogramm“, sagte er kürzlich in der ARD. Merkel hatte zuvor klargestellt, dass es in dieser Legislaturperiode keine Änderung geben werde. „Ich glaube auch nicht, dass wir einen Wahlkampf über den Doppelpass machen, wie wir das früher mal gemacht haben.“

Seit einer Vereinbarung der schwarz-roten Koalition 2014 müssen sich in Deutschland geborene Kinder von Ausländern nicht mehr im Alter von 18 bis 23 Jahren zwischen der deutschen und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern entscheiden. Das wollen CDU und CSU rückgängig machen. Seehofer sagte: „Der Beschluss entspricht unserer Überzeugung. Er ist also gut.“ Er freue sich auch über die Parteitagsbeschlüsse der CDU zu einer weiteren Asylverschärfung und einem härteren Einfordern von Integration.

Die Beschlüsse sind auch im Sinne des Polizeigewerkschafters Wendt, der schon vor über einem Jahr auf Defizite aufmerksam gemacht hatte. Seinerzeit, im Herbst 2015, steckte Deutschland im größten Flüchtlingszuzug seit dem Zweiten Weltkrieg, als Merkel mit ihrem Spruch „Wir schaffen das“ versuchte, den Bundesbürgern Mut bei der Bewältigung der Aufgabe zu machen. Doch schon damals sprachen Politiker pausenlos von Überforderung und Kontrollverlust. In den Debatten wurde zwar konstatiert, dass das Recht auf Asyl keine Grenzen kenne. Es wurde aber zugleich auch gefragt, ob das auch für die Willkommenskultur in Deutschland gelte.

Wendt nannte damals die Flüchtlingskrise eine „Jahrhundertaufgabe“ für die Polizei, die „größte Herausforderung in der Nachkriegsgeschichte“. „Die Belastung der Polizei ist seit Monaten auf einem Höchststand“, erklärte der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft damals. Zehntausende Beamte seien im Einsatz, an Bahnhöfen, in Unterkünften. Es komme deshalb bereits zu Einschnitten bei der Verkehrsüberwachung. Allein in den Ländern brauche es zur Bewältigung 15 .000 zusätzliche Polizisten. Wendt warf der Politik Versagen vor. „Die Stimmung in der Polizei ist seit Monaten getrübt, vor allem weil wir ein konsequentes Handeln der Politik vermissen und wenig Anerkennung verspüren.“


„Eher angepöbelt, und zwar auf unterstem Niveau“

Wendt steht der Willkommenskultur in der Flüchtlingsfrage bis heute kritisch gegenüber. Zuletzt brachte er die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin in einen Zusammenhang mit der mutmaßlich von einem jungen Flüchtling getöteten Studentin in Freiburg. Kritik an seinen Äußerungen wies er zurück. Diejenigen, die ihn politisch in der Nähe der AfD verorteten, hätten damit „schon immer falsch gelegen“, sagte er dem Handelsblatt. In seiner Partei CDU gebe es die Freiheit, seine Meinung zu sagen und gelegentlich auch andere Auffassungen zu vertreten, als die Parteiführung. Der SPD-Vize Ralf Stegner hatte ihm „politisch widerliche“ Aussagen vorgehalten.

Wendt sieht darin „die übliche Vorgehensweise mancher Vertreter der deutschen Linken“. Jeder, der an öffentlichen Debatten teilnehme und dabei auch nur in Nuancen eine andere Auffassung vertrete als sie, werde mit der AfD in Verbindung gebracht oder als rechtsradikal abgestempelt. „Das hat mittlerweile dazu geführt, dass viele Menschen in Deutschland Angst davor haben, sich öffentlich überhaupt zu Problemen rund um die Flüchtlingskrise zu äußern.“

Wendt griff den SPD-Parteivize direkt an. „Stegner und seine anderen Sprachpolizisten sind in Wahrheit die eifrigsten AfD-Wahlkampfhelfer, weil sie mit ihrer Debattenkultur jegliche sachlichen Diskussionen mit Intoleranz unterbinden“, erklärte er. Es sei nicht erst seit der Kölner Silvesternacht „völlig unbestritten, dass wir massive Vorbereitungsdefizite für die massenhafte Zuwanderung hatten und haben und die Probleme mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sind eben in vielen Städten erheblich“. Darum müsse man sich mehr als bisher kümmern, „statt immer wieder mit dem Phantomausdruck „Generalverdacht“ jegliche Diskussion abwürgen“.

Nicht nur der SPD-Vize Stegner hatte sich an Wendts Freiburg-Aussage gestoßen. Scharfe Kritik kam auch vom Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow. Wendt werde „seiner Verantwortung nicht gerecht“, hatte Malchow er der „Welt“ gesagt. „Er schürt mit seinen Sätzen die Ängste der Menschen.“

Er fühle sich von Stegner und Malchow nicht kritisiert, sondern „eher angepöbelt, und zwar auf unterstem Niveau“, sagte Wendt. „Von Herrn Stegner ist man das ja gewöhnt, aber ich habe die Hoffnung, dass wenigstens Herr Malchow wieder zu demokratischen Umgangsformen zurückfindet.“ Inhaltlich sei in den Formulierungen ohnehin nichts enthalten gewesen, was zur Sache beitrage. „Da ist der Deutsche Richterbund schon niveauvoller unterwegs“, fügte Wendt hinzu. „Mit dem habe ich offene Fragen intern offen diskutiert.“

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