Ralph Brinkhaus (CDU) „Ein Industriemeister weiß oft mehr als ein Bachelor“

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„Kompromisse sind besser als nichts“

Kritiker des Koalitionsvertrages sagen, er bestehe aus zu vielen Zugeständnissen an die ältere Generation der SPD-Wähler.
Das sehe ich nicht so. Aber eines ist auch richtig: Die Wähler sind es leid. Sie wollen eine Regierung. Da muss man in Verhandlungen auch mal persönliche Abstriche machen. Kompromisse sind besser als nichts.

Was ist Ihr größtes Problem mit dem Koalitionsvertrag?
In dem Papier steht zu oft, der Staat kümmert sich. Ich hätte mir gewünscht, dass da öfter steht, dass die Menschen Eigenverantwortung zeigen müssen. Dass das nicht der Fall ist, ist der Tatsache geschuldet, dass wir den Vertrag mit der SPD gemacht haben. Ich glaube, es braucht eine Renaissance der Eigenverantwortung. Jeder ist erst einmal selbst für sich zuständig und nur wenn das nicht klappt, kommt der Staat und hilft.

Zu Eigenverantwortung gehört aber ja auch, dass junge Menschen überhaupt in der Lage sein müssen, eigenverantwortlich zu handeln. Also zum Beispiel Schritt zu halten mit dem hohen Tempo der Digitalisierung.
Die Menschen müssen sich weiterbilden. Das gilt für alle, aber besonders für diejenigen, die vergleichsweise einfachen Tätigkeiten nachgehen. Schaffen wir das nicht, haben wir eine riesige soziale Zeitbombe.

… die wann platzt?
Wenn Arbeitnehmer mit neuen Entwicklungen nicht mithalten können, droht ihnen die Arbeitslosigkeit. Und das wiederum stellt die Kommunen und den Staat insgesamt vor riesige Probleme.

Wie können wir dieser Gefahr entgegenwirken?
Zum Beispiel durch berufliche Bildung. Während an allen Seiten über die Qualität unserer Hochschulen diskutiert wird, schwindet die Akzeptanz für Ausbildungsberufe. Wir müssen junge Menschen dazu motivieren, eine Berufsausbildung zu machen und sich weiterzubilden. Ich war einmal in einer Hauptschule und habe den Jugendlichen gesagt, wenn sie eine gute Ausbildung machen, können sie in zwanzig Jahren unter Umständen mehr verdienen als ihre Lehrer. Die haben große Augen gemacht.

Kinder werden von ihren Eltern beeinflusst. Wie wollen Sie die starre “Mache Abitur, sonst wird aus dir nichts”-Denkweise aufbrechen?
Eine Ausbildung zu machen muss genauso wertvoll sein wie ein Studium. Das müssen wir in die Köpfe hineinbekommen. Ein Industriemeister weiß oft mehr als ein Bachelor.

Kompetenz hin oder her: die Bezahlung muss stimmen.
Handwerker zum Beispiel werden bald rar sein und deshalb richtig gut verdienen. Wenn ich keinen Installateur mehr bekomme, wird es über den Preis gehen.

Glauben Sie denn, dass die Preise stark genug steigen werden, um mehr Menschen für handwerkliche Berufe zu begeistern?
Ja. Angebot und Nachfrage werden es regeln.

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