Ratschläge an die Politik Wie unabhängig sind Deutschlands Top-Ökonomen?

Euro-Krise, Energiewende, Mindestlohn – es gibt kaum ein Thema, zu dem sich Deutschlands Top-Ökonomen nicht zu Wort melden. Wer die führenden Köpfe in der Debatte sind und wie sie zu ihren Thesen kommen.

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Der britische Ökonom John Maynard Keynes (1883 - 1946) und der österreichische Ökonomen Ludwig von Mises (1881 – 1973) hatten ökonomisch nur wenig gemein. Doch in einem waren sie sich  einig: Letztlich sind es Ökonomen und ihre Ideen, die das Handeln der Regierungen und damit das Weltgeschehen bestimmen. In seiner 1936 veröffentlichten Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes schrieb Keynes: „Die Gedanken der Ökonomen und Staatsphilosophen, sowohl wenn sie im Recht, als auch wenn sie im Unrecht sind, sind einflussreicher, als gemeinhin angenommen. Die Welt wird in der Tat durch nicht viel anderes beherrscht. Praktiker, die sich ganz frei von intellektuellen Einflüssen glauben, sind gewöhnlich die Sklaven irgendeines verblichenen Ökonomen.“ Ähnlich äußerte sich Mises in seinem 1940 veröffentlichten Werk Nationalökonomie, Theorie des Handelns und Wirtschaftens. „Die Auseinandersetzung über die Probleme der Gesellschaftsordnung wurde und wird nie anders geführt  als mit dem Gedankengut nationalökonomischer Theorien“, schrieb der Liberale aus Österreich.

So kann es nicht verwundern,  dass sich die Regierungen von Washington über Berlin und Paris bis nach Peking in wichtigen Fragen von Ökonomen beraten lassen. In Deutschland können die Politiker auf eine Reihe von Institutionen zurückgreifen, die ihnen mit Analysen und Ratschlägen zur Seite stehen. Da ist zum einen der  Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Dem 1963 auf Betreiben des damaligen Bundeswirtschaftsministers Ludwig Erhard ins Leben gerufene Beratergremium gehören aktuell die Ökonomieprofessoren Lars Feld, Volker Wieland, Peter Bofinger, Christoph Schmidt und demnächst wohl Isabel Schnabel an. Der Rat soll mit seinen Gutachten die Stimme der ökonomischen Vernunft erheben und die Arbeit der Regierung kritisch begleiten. Darüber hinaus leisten sich viele Ministerien wie das Finanz- und Wirtschaftsministerium eigene wissenschaftliche Beiräte, die die  jeweiligen Fachminister beraten. Zudem stehen der Regierung die staatlich finanzierten Wirtschaftsforschungsinstitute bei Bedarf mit Rat und Analysen zur Seite.  

Hinzu kommen die volkswirtschaftlichen Lehrstühle an den Universitäten, deren Inhaber – zuweilen gefragt, zuweilen ungefragt – der Regierung wirtschaftspolitische Ratschläge erteilen. Das Verhältnis zwischen Politikern und Ökonomen ist jedoch nicht frei von Spannungen. Während sich die Ökonomen gern über die Beratungsresistenz der Politiker echauffieren, kritisieren diese die Ratschläge der Ökonomen als weltfremd und widersprüchlich. So mancher Bürger dürfte sich daher fragen, wie fundiert und unabhängig die Ratschläge aus den Elfenbeintürmen sind, die er mit seinen Steuergeldern finanziert.    

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