Reaktion auf AfD Die CDU rückt nach rechts? Ein Mythos.

Führende CDU-Politiker wollen mit der AfD um Wähler im rechten Spektrum konkurrieren – auch Angela Merkel. Zumindest will sie diesen Eindruck erwecken. In Wahrheit bleibt die CDU wo sie ist – in der Mitte.

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Angela Merkel will Wähler von der AfD zurückgewinnen. Quelle: dpa

Die CDU will Wähler von der AfD zurückgewinnen. Angeblich soll Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel sogar bereit sein, die CDU dafür thematisch nach rechts zu rücken. Die BILD-Zeitung hatte in dieser Woche berichtet, Merkel habe das in einer nicht öffentlichen CDU-Präsidiumssitzung gesagt.

Reiner Haseloff, CDU-Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt wünscht sich einen anderen Kurs sogar ganz öffentlich per Interview. Inhaltlich und personell sei die Partei zu schmal geworden, sagte Haseloff der Welt. „Wir müssen wieder breiter werden, um den rechten demokratischen Rand für uns zu reklamieren.“

Zum Hintergrund: Haseloff ist jener Ministerpräsident, der in Sachsen-Anhalt gerade eine Koalition aus CDU, SPD und Grünen geschmiedet hat, eine sogenannte „Kenia-Koalition“ in Anspielung auf die politische Farbenlehre in dem ostdeutschen Bundesland.

Haseloff hätte nicht auf ein Rechts-Links-Bündnis setzen müssen. Rechnerisch wäre auch eine Koalition mit der AfD möglich gewesen, die in Sachsen-Anhalt nach der CDU zweitstärkste Kraft wurde und fast jeden vierten Wähler für sich gewonnen hatte. Gewiss, der Aufschrei wäre groß gewesen. Die CDU-Bundespartei hätte wohl alles daran gesetzt, ein solches Bündnis zu verhindern.

Wenn Haselhoff seine Äußerungen ernst meint, wäre eine Koalition mit der AfD in Sachsen-Anhalt aber die ehrliche Variante gewesen, schließlich deckt die AfD den „rechten demokratischen Rand“ ab. Stünde die Partei außerhalb des demokratischen Spektrums, müssten die etablierten Parteien ein Verbotsverfahren einleiten.

CDU-Ministerpräsident Haseloff schlägt nun einige Themen vor, bei denen die CDU wieder nach rechts rücken soll: „Familie, Heimat und auch die nationalstaatlichen Aufgaben, die durch eine Bundesregierung zu bewältigen sind“, darunter die innere Sicherheit, seit jeher ein Kernthema der Unionsparteien.

Eckhard Jesse von der TU Chemnitz hält es für zwar möglich, dass die CDU ihren Kurs anpassen könnte. „Sie wird womöglich die ein oder andere Position der AfD übernehmen“, sagt Jesse. Die Zugeständnisse dürften aber eher marginal ausfallen, glaubt der Politikwissenschaftler. „Angela Merkel wird bei ihrem Kurs bleiben, schließlich steht ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.“

Merkel macht AfD-Politik - aber nur in der Flüchtlingsfrage

Angela Merkels Kurs – was ist das noch gleich? In ihren elf Jahren als Kanzlerin und 16 Jahren als CDU-Parteivorsitzende hat Merkel (oftmals) einen modernen Kurs gefahren. Unter ihrer Ägide hat die CDU ihre Familienpolitik grundlegend geändert – weg vom klassischen Familienbild, bei dem der Mann arbeiten geht und die Frau daheim bleibt – hin zu Patchwork-Familien, bei denen auch Frauen arbeiten können und sollen.

Merkel schaffte in ihrer Amtszeit zudem die Wehrpflicht ab, die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängerte sie zunächst, um sie dann nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima drastisch zu verkürzen. Sie trug den Mindestlohn mit, der für viele in der Partei über Jahre ein ordnungspolitischer Sündenfall gewesen ist. Und im vergangenen Jahr stellte sie sich mit ihrer liberalen Flüchtlingspolitik gegen die Konservativen in Bayern (Krach mit der CSU) und ganz Europa.

Vor allem wegen Merkels Flüchtlingspolitik ist die AfD groß geworden. Die Kanzlerin hat ihre Politik längst geändert und mit dem Türkei-Deal dafür gesorgt, dass nur noch einige Dutzend Flüchtlinge, maximal einige Hundert pro Tag nach Europa kommen. Merkel hat Europa abgeschottet und betreibt eine Politik, die die AfD schon im September letzten Jahres gefordert hatte. Nur hat Merkel ihre neue Politik nie als Kursschwenk verkauft. Ihrer Rhetorik nach ist sie stets die liberale Retterin vom September 2015 geblieben, zu der sie in der Öffentlichkeit gemacht wurde.

Könnte Merkel nun auch ihre Familienpolitik überdenken? Oder die Wehrpflicht wieder einführen? Wohl kaum. In der Flüchtlingskrise hatte sie, zumindest in ihrer Logik, keine andere Wahl, um das Problem in den Griff zu bekommen. In anderen Politikfeldern gibt es keinen Handlungsdruck. Womöglich wird sie sich im kommenden Wahlkampf rhetorisch hier und da nach rechts bewegen. Das hat sie schon früher gemacht – mit Sätzen wie „Multikulti ist gescheitert“ oder „Für mich persönlich ist Ehe das Zusammenleben von Mann und Frau“. Nach rechts rückt die CDU unter Angela Merkel aber gewiss nicht.

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