Reaktionen aus der Politik „Es ist halt ein Kompromiss“: Keine Selbstzufriedenheit nach Grundrenteneinigung

Die Große Koalition zerschellt nicht an der Grundrente, dennoch ruft der Kompromiss auch intern Kritik hervor. Die Opposition ätzt nach Kräften.

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Grundrente: FDP-Chef Lindner & Linksfraktionschef Bartsch üben Kritik Quelle: dpa

Der Kompromiss der Koalitionsspitzen bei der geplanten Grundrente wird in Union und SPD überwiegend gelobt, vereinzelt aber auch kritisiert. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus warb - auch mit Blick auf die eigenen Reihen - um Zustimmung. „Es ist halt ein Kompromiss. Und das müssen beide Seiten wissen“, sagte der beim Thema lange selbst skeptische CDU-Politiker im ARD-„Bericht aus Berlin“ am Sonntagabend. Am Dienstag befassen sich die Fraktionen mit dem Thema. „Wir werden da auch Überzeugungsarbeit leisten müssen“, fügte Brinkhaus hinzu. Und wohl mit Blick auf den Fortbestand der Koalition: „Es ist eine Sache, die nicht so ganz trivial sein wird.“

Die SPD-Seite hatte eine Einigung bei dem Thema zur Voraussetzung für einen Fortbestand der Koalition gemacht. Sie will auf ihrem Parteitag Anfang Dezember entscheiden, ob sie vorzeitig aus dem ungeliebten Bündnis mit der Union aussteigt.

Stimmung gegen den Kompromiss machte bei der Union etwa das Fraktionsvorstandsmitglied Axel Fischer. „Der Kompromiss zur Grundrente erfüllt nicht den Geist des Koalitionsvertrags“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag). Die zwischen SPD und Union umstrittene Bedürftigkeitsprüfung bleibe weit hinter den Forderungen zurück. „Dieser Kompromiss ist für mich nicht akzeptabel.“

Bei der SPD gab es Kritik bei einigen Parteilinken. Der SPD-Sozialpolitiker Karl Lauterbach sprach in der „Welt“ von einer enttäuschenden „Minimallösung“. Die Vorsitzende des Forums Demokratische Linke, Hilde Mattheis, kommentierte dort: „Die Einkommensprüfung ist ein Kompromiss, der weit von dem SPD-Anspruch einer Grundrente ohne Bedarfsprüfung entfernt ist.“ SPD-Vize Ralf Stegner, auch er vom linken Flügel, dagegen sprach lobend von einem „Meilenstein“, der erreicht worden sei. Und der Vorsitzkandidat Norbert Walter-Borjans sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Mit dem Kompromiss zur Grundrente kann man fürs Erste leben.“

Auch die Parteiführungen beider Seiten lobten den Kompromiss, so wie schon die Vorsitzenden bei seiner Verkündung. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bekräftigte in der ARD: „Das ist ein System, das auch mit Blick auf die Werte der CDU vertretbar ist.“

Lindner, Bartsch, Meuthen holen aus

Bei der SPD sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: „Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, im Interesse der Menschen diesen sozialpolitischen Meilenstein zu setzen.“ Die Grundrente werde „bürgerfreundlich und unbürokratisch“, versprach er am Sonntagabend.

Vizekanzler Olaf Scholz - Koalitionsbefürworter und Bewerber um den Parteivorsitz - sagte im ZDF-„Heute-Journal“: „Wir haben eine sehr gute Lösung gefunden, die für viele, viele eine Verbesserung zeigen wird.“ Die Grundrente habe in der Leistungsbilanz der Regierung noch gefehlt. Die Koalition habe sich „noch ganz viele Dinge vorgenommen“.

Lobend äußerten sich auch ostdeutsche Ministerpräsidenten, die lange auf einen Kompromiss bei dem Thema gedrungen hatten: Brandenburgs Dietmar Woidke (SPD) und Sachsens Michael Kretschmer (CDU).

Brinkhaus warnte die SPD allerdings indirekt davor, sich noch bei weiteren Themen querzustellen. „Man muss auch eins sagen: Also - noch mehr von diesen Belastungsproben wünsche ich mir in dieser Koalition nicht.“ Die Einigung muss die Koalition nach seinen Worten nun bis zum regulären Ende der Wahlperiode 2021 tragen.

FDP-Chef Christian Lindner kritisierte den Kompromiss scharf. Die Union habe sich von der SPD wieder über den Tisch ziehen lassen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Aus der Idee der Grundrente ist eine Willkürrente geworden: Es fließt Steuergeld, wo im Einzelfall gar keine Bedürftigkeit vorliegt. Wer weniger als 35 Jahre gearbeitet hat, fällt durch den Rost.“ Und der FDP-Fraktionschef fügte hinzu: „Die Halbzeitbilanz der GroKo weist nun noch mehr Schatten als Licht auf.“

Auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch hatte sich sehr kritisch geäußert. Der Funke Mediengruppe sagte er, es sei zynisch, dass es bei E-Autos üppige Kaufprämien mit der Gießkanne gebe „und bei der Grundrente schaut die Koalition ins Portemonnaie der Rentner, die jahrzehntelang eingezahlt haben“. Dagegen hatte Grünen-Fraktionschef Katrin Göring-Eckardt das Ergebnis ausgewogener bewertet.

„Der Prozess der Sozialdemokratisierung der CDU schreitet unaufhaltsam voran“, sagte der AfD-Parteivorsitzende Jörg Meuthen. Um die Koalition zu retten und die Macht zu erhalten, sei die Union offenbar zu allem bereit, heißt es in einer Pressemitteilung.

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