Rechtsextremismus Tiefbrauner Osten

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Kubitschek-Anwesen als „Mekka dieser neurechten Burgenromantik“


Die Innenexpertin der Linken, Jelpke, kritisiert, dass die Bundesregierung sowohl bei den „Neo-Artamanen“ als auch bei anderen Siedlergruppen wie „Sturmvogel“, „Freibund“ und „Jungbund Pommern“, wie es in der Antwort des Innenministeriums heißt,  „keine hinreichend gewichtigen Erkenntnisse für rechtsextremistische Bestrebungen“ sehe.

Die Erklärung liefert das Ministerium gleich mit, indem es konstatiert, dass diese Gemeinschaften „ihre Überzeugungen ohne Anspruch auf eine politisch-gesellschaftliche Umgestaltung“ auslebten, was „nicht als verfassungsfeindliche Bestrebung“ gelte. Jelpke findet indes, dass damit wird unterschätzt werde, „dass dort immerhin jedenfalls die Kinder einer Art faschistischer Gehirnwäsche unterzogen werden“.

Die Politikwissenschaftlerin Röpke wertet das Treiben der „völkischen Siedler“ als rechtsextreme „Graswurzelarbeit“. Als Vordenker gelten etwa der Publizist Götz Kubitschek und seine Frau Ellen Kositza. Deren Rittergut Schnellroda in Sachsen-Anhalt, das die Wochenzeitung „Die Zeit“ kürzlich als „Mekka dieser neurechten Burgenromantik“ bezeichnete, dient den beiden mit ihren sieben Kindern nicht nur als Lebensmittelpunkt. Dort ist auch der Kubitscheksche Rechtsaußen-Verlag Antaios und seine Zeitschrift Sezession ansässig.

Zudem fungiert das Anwesen auch als Zentrale des sogenannten „Instituts für Staatspolitik“, bei dem der Chefredakteur des nationalkonservativen Magazins „Compact“, Jürgen Elsässer, die AfD-Landeschefs Björn Höcke (Thüringen) und André Poggenburg (Sachsen-Anhalt), der Chef der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ in Österreich, Martin Sellner, und diverse weitere Protagonisten der neuvölkischen Bewegung des Öfteren zu Gast sind.


Heinrich-Böll-Stiftung warnte vor „Braunen Ökologen“

Laut Röpke ist vor allem Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen 20 Jahren eine Art Erprobungsgebiet für weitgehend informelle rechtsextreme Netzwerke geworden. Sie führt das zurück auf das Erstarken von Siedlerstrukturen, die feste Etablierung von rechten Ansiedlungen und Immobilien, die der rechten Szene immer mehr sichere Rückzugsorte, Rückzugsräume und kooperative Strukturen im Sinne eines völkischen Rassismus erlauben. Als Beispiel nennt sie die „rassistischen Heiden“ in Lalendorf und Umgebung, die Siedlungsstrukturen rund um Rostock und Güstrow oder die Verankerung eines neonazistischen Kaderstamms in und um Lübtheen.

Wie die Linkspartei beklagt auch Röpke eine jahrelange Verharmlosung des Phänomens durch Sicherheitsbehörden wie den Verfassungsschutz. Dabei expandiere die Idee des gemeinsamen Siedelns weiterhin. Das sieht auch der Rechtsextremismus-Experte Günther Hoffmann so.

Als „die netten Kümmerer aus der Nachbarschaft“ machten die völkischen Siedler ihre extrem rechte Weltanschauung salonfähig und trügen sie in Dorfgemeinschaften hinein, sagte Hoffmann in einem Interview. „Die rechtsextreme Verankerung und Entfremdung von der Demokratie schreiten still und kontinuierlich voran. Dafür braucht man die NPD schon lange nicht mehr.“ Die „völkischen Siedler“ schafften auf dem Land durch Märkte und Feste, die sie organisieren, positive Begegnungspunkte, erläuterte Hoffmann. Sie machten sich unentbehrlich in der Nachbarschafts- oder Geburtenhilfe.

Die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung warnte schon vor einigen Jahren mit einem Faltblatt vor den „Braunen Ökologen“, die sich gegen Gentechnik wehren oder an Anti-Atom-Protesten beteiligen. Die Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung glaubt zudem, dass die rechten Siedler bewusst auf das Thema Naturschutz setzen, weil es Menschen quer durch die Gesellschaft beschäftige. „Doch in der extrem rechten Vorstellung dient Naturschutz lediglich dazu, die deutsche „Volksgemeinschaft“ und ihren „Lebensraum“ zu erhalten“, heißt es auf der Webseite der Stiftung.

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