Rechtspopulismus-Forscher Warum eine GroKo der AfD in die Hände spielt

Mit einer neuen Großen Koalition fällt der AfD die Oppositionsführerschaft im Bundestag zu. Das will vor allem die SPD-Linke verhindern. Zurecht, meint der Rechtspopulismus-Forscher Matthias Quent.

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Gekommen um zu bleiben? Die AfD. Quelle: dpa

Berlin Für den linken Flügel der SPD ist eine neue Große Koalition nicht nur aus inhaltlichen Gründen ein absolutes No-Go. „Wir dürfen der AfD nicht die Oppositionsführerschaft überlassen“, sagte die Parteilinke Hilde Mattheis. Und damit steht sie nicht allein. Frank Schwabe, Sprecher der „Denkfabrik“, einem Zirkel junger, linker Sozialdemokraten in der SPD-Bundestagsfraktion, sprach gar von der „staatspolitischen Verantwortung“, der sich die SPD immer stelle sollte. „Das kann aber eben auch die Rolle der Oppositionsführung sein“, sagte Schwabe dem Handelsblatt.

Hinter dieser Ansicht steht auch und vor allem die Sorge, eine neue Große Koalition könnte der AfD erst recht in die Hände spielen und die Partei noch stärker machen. Ganz unbegründet ist das nicht. „Die Große Koalition steht symbolisch für ein Weiter so und dürfte vor allem Unzufriedene, die sich davon nicht vertreten fühlen, bestätigen und festigen“, sagte der Direktor des Instituts für Demokratie und Gesellschaft in Jena, Matthias Quent, dem Handelsblatt.

Auf der einen Seite werde daher ein solches Regierungsbündnis unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) voraussichtlich dazu beitragen, die Bindung der Sympathisanten an die AfD untermauern. „Zudem ist bisher kein konkreter Impuls wahrzunehmen, wie die Parteien die große Zahl der parteifernen, aber noch nicht mit dem Rechtsradikalismus liebäugelnden Nichtwähler ansprechen wollen.“ Es sei daher zu befürchten, so Quent, dass dies der AfD als der größten Oppositionspartei am besten gelingen könne. „Um dies zu verhindern, liegt die Verantwortung nun vor allem bei den anderen Parteien in der Opposition.“

Ob das gelingen kann? Einfach dürfte das nicht werden. Zumal Union und SPD mit ihrer Sondierungseinigung jetzt schon den Rechtspopulisten zahlreiche offene Flanken bieten. „Das GroKo-Sondierungsergebnis beginnt schon in der Präambel mit einem grotesken Witz“, polterten die Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel und Alexander Gauland, los, kurz nachdem am Freitag die Sondierungsergebnisse bekannt wurden. Eine „stabile und handlungsfähige Regierung“ versprächen ausgerechnet diejenigen Parteien, die vom Wähler am meisten abgestraft wurden.

Für Weidel und Gauland liegt damit auf der Hand: „Die Abgewählten machen also einfach weiter und wollen – kein Scherz – den sozialen Zusammenhalt in unserem Land stärken und die entstandenen Spaltungen überwinden‘. Eine Spaltung, deren Ursache genau in der Politik ebendieser Regierungsparteien liegt.“ Als „haarsträubend“ werten die beiden AfD-Frontleute aber nicht nur die Einleitung, sondern auch die andere Teile des 24-Seiten-Papiers, das aus ihrer Sicht nur aus „vagen Absichtserklärungen und unglaubwürdigen Ankündigungen“ bestehe.

Nicht nur die AfD kritisiert den GroKo-Kurs von Union und SPD. Auch die anderen Oppositionsfraktionen sparen nicht mit Kritik – mit dem Unterschied, dass die AfD quasi alles schlecht findet und dies auch mit verbaler Schärfe zerreißt. Dieses harte Auftreten kann auch schnell zum Bumerang werden.

Mit ihrem Einzug ins Parlament habe die AfD zwar „die Repräsentationslücke des latent vorhandenen autoritären, demokratiefernen, nationalchauvinistischen und zumindest in Teilen rechtsextremen Teils der Bevölkerung geschlossen“, sagte Quent. Allerdings sei die Partei nun auch Teil des politischen Establishments. „Bei den kommenden Wahlen wird es die programmatisch zwischen Marktextremismus und Sozialpopulismus gespaltene Partei schwerer haben, sich als Underdog und Vertreter des einfachen Bürgers zu inszenieren“, so Quent.

Erschwerend komme für die AfD hinzu, dass die Entscheidung für eine Große Koalition der Mehrheit der Wähler und der Weltpolitik signalisiere, dass Deutschland auch „unter international turbulenten Bedingungen“ für Stabilität und Kontinuität unter anderem in der wichtigen Europafrage stehe. CDU und SPD ließen sich zumindest in dieser Frage nicht von der AfD „jagen“, wie es AfD-Fraktionschef Alexander Gauland am Wahlabend angekündigt hatte. Von dieser „Aura der Kontinuität, Sicherheit und Verlässlichkeit“ könnte nach Einschätzung Quents am ehesten die CDU profitieren – auch in den Ländern.

Entscheidend für die Zukunft der AfD werde indes der Umgang der etablierten Parteien und der Medien mit ihr sein. „Werden weiterhin Begriffe, Stichworte und Ideologiefragmente von rechtsaußen salonfähig gemacht und in der liberaldemokratischen Öffentlichkeit übernommen, führt das zu einer Normalisierung von völkischen, rassistischen und autoritären Konzepten, die insbesondere das rechtsextreme Potenzial in den neuen Bundesländern bestätigt und nur schwer wieder rückgängig zu machen ist“, sagte der Wissenschaftler.

Wie schwer es ist, gegen die AfD wieder Boden gut zu machen, sieht man in Bayern, wo im Herbst gewählt wird. Die CSU bleibt dort laut einer Umfrage von einem Erhalt ihrer absoluten Mehrheit weit entfernt. Wenn am kommenden Sonntag Landtagswahl wäre, käme die CSU auf 40 Prozent der Stimmen, ergab eine von Infratest Dimap für den Bayerischen Rundfunk am Mittwoch veröffentlichte Erebung. Das sind fünf Punkte weniger als bei der gleichen Umfrage vor einem Jahr und 7,7 Punkte weniger als bei der vergangenen Landtagswahl. Andere Umfragen hatten die CSU zuletzt ebenfalls bei 40 Prozent oder knapp darunter gesehen.

Die Zahl der Parteien im Landtag würde der BR-Umfrage zufolge von bisher vier auf fünf bis sechs steigen. Die AfD könnte mit zehn Prozent der Stimmen erstmals ins bayerische Parlament einziehen. Der FDP, die seit der Wahl vor fünf Jahren nicht mehr im Landtag vertreten ist, könnte mit rund fünf Prozent ein Wiedereinzug knapp gelingen. Die SPD wird in der Wählergunst bei 16 Prozent gesehen, die Grünen bei 14 Prozent und die Freien Wähler bei sieben Prozent.

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