Wer den Generalsekretär von einem „Frontalangriff auf die Staatsferne öffentlich-rechtlicher Medien“ schwafeln lässt und auch selbst mit Vokabeln wie „Erpressung“ und „Inszenierung“ so verschwenderisch umgeht wie Klöckner, hat sich die in rechtspopulistischer Absicht gestreute Diffamierung der „Staatsmedien“ halbwegs zu eigen gemacht oder aber er beutet sie, schlimmer noch, aus.
Vollends der AfD auf den Leim geht neben Klöckner auch der FDP-Spitzenkandidat Volker Wissing, der sich mit Blick auf die Dreyer-SWR-Posse nicht scheut, „Putins Russland mit Dreyers Rheinland-Pfalz durchaus gleichzusetzen“ und seine neue Plakatidee („Wer schützt die Pressefreiheit vor Rot-Grün?“) offenbar wahnsinnig witzig findet.
Stimmenanteil rechter Parteien
PiS
37,7 Prozent
Partei für die Freiheit
37 Prozent*
*Umfrage
FPÖ
33 Prozent*
*Umfrage
Front National
31 Prozent*
*Umfrage
SVP
29,4 Prozent
Die Finnen
18 Prozent
AfD
10,5 Prozent
Mit ihrer Wortwahl legen Klöckner und Wissing nicht nur Zeugnis davon ab, dass der politische Diskurs sich bereits bedenklich nach rechts verschoben hat, sondern dass sie auch selbst bereit sind, den Diskurs aus wahltaktischen Erwägungen heraus nach rechts zu verschieben. Offenbar ist das Gift der Desinformation und des Ressentiments gegen „Gutmenschen“, die in „Mainstream“-Medien ein „Meinungskartell“ bilden, um die „schweigende Mehrheit“ linksgrün zu pädagogisieren, als vernunftsedierende Grundannahme bereits ins politische Bewusstsein vieler Deutscher eingesickert.
Anders ist nicht zu erklären, dass Klöckner und Wissing meinen, einen schlimmen Fehler von MinisterpräsidentIn und Intendant als Systeminfarkt markieren zu müssen. Der aber liegt, bei aller Kritik, erkennbar nicht vor (was die verbreitete Kritik durch ihr Vorhandensein an sich beweist).
Anders gesagt: Das größte Problem für Union, SPD und Grüne (und Deutschland) besteht nicht darin, dass sich aktuellen Umfragen zufolge jeder achte bis zehnte Deutsche vorstellen kann, AfD zu wählen. Wirklich Sorge muss einem bereiten, dass die AfD alle übrigen Parteien längst auf ihr semantisches Spielfeld gezwungen hat. So taktisch, selektiv und schablonenhaft sich die AfD zu Welt und Wirklichkeit verhält, so taktisch, selektiv und schablonenhaft verhalten sich inzwischen Union, SPD und Grüne zur AfD (und damit zu Welt und Wirklichkeit). Dreyer mit Putin zu vergleichen, den SWR mit den russischen Staatsmedien – auf so einen Unsinn muss man kommen wollen. (Mehr zum Vorwurf der „Lügenpresse“ hier)
Wird die AfD langfristig erfolgreich sein?
Die Forschungsgruppe Wahlen hat zwischen September 2014 und Mai 2015 in Deutschland Wahlberechtigte befragt, ob sie glauben, die AfD werde langfristig erfolgreich sein.
Quelle: ZDF Politbarometer, Statista
Im September 2014, also ungefähr ein Jahr nach dem knapp verpassten Einzug in den Bundestag, glaubten nur 56 Prozent der Befragten, die AfD werde langfristig nicht erfolgreich sein.
Zwei Monate später stieg der Anteil derer, die der AfD keinen langfristigen Erfolg zutrauten, auf 63 Prozent.
Im Januar 2015 glaubten 69 Prozent nicht an den langfristigen Erfolg der Euro-Kritiker um Bernd Lucke.
Im Februar 2015 prognostizierten 64 Prozent der AfD keinen langfristigen Erfolg.
Im Mai 2015 stieg (unter dem Eindruck der internen Personaldebatte?) der Anteil derjenigen, die der Alternative für Deutschland keinen Erfolg auf lange Sicht hin zutrauen, auf den in der Umfrage bisher höchsten Stand von 76 Prozent.
Auch auf Bundesebene bestimmt längst die AfD den politischen Ton – gerade dann, wenn andere über sie reden. Es ist verheerend, dass führende Politiker wie Wolfgang Schäuble, Sigmar Gabriel oder auch CDU-General Peter Tauber Vokabeln wie „Dumpfbacke“, „Pack“ und „Arschloch“ angemessen finden, um intellektuellen Hungerleidern die Diagnose „Reflexionsskorbut“ zu stellen. Derlei Beschimpfungen stabilisieren nicht nur das narzisstische Selbstbild „besorgter Bürger“, die sich von „denen da oben“ im Stich gelassen fühlen.
Sie bergen auch die viel größere Gefahr in sich, dass die AfD schleichend als Argument in Anspruch nehmen kann, was sie selbst als böse Unterstellung in Umlauf gebracht hat: den Vorwurf nämlich, dass die Politik sich um die einfachen Leute, genauer: um deutsche „Abgehängte“ und „Ausgeschlossene“ weniger schere als um Migranten und Flüchtlinge. Union, SPD und Grüne haben noch immer nicht verstanden, dass viele AfD-Wähler Pauschalisierungen und Beschimpfungen mit Dankbarkeit auf sich beziehen, um mit der Kraft ihres (Selbst-)Hasses besser denn je dem Bild entsprechen zu können, das sich „das System“ ihrer Meinung nach von ihnen macht.