Rechtsruck und Obergrenze „Anne Will“ ergründet Konflikte der Union

Am Tag des Union-Machtpokers zur Flüchtlingspolitik debattiert „Anne Will“ über den Richtungsstreit bei CDU und CSU. Eine klare Antwort, wohin die Union steuert, gibt es aber nicht. Zwischen Mitte und rechter Flanke.

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Robin Alexander (WELT-Journalist und Buchautor, l-r), Gregor Gysi (Die Linke), Katarina Barley (SPD), Moderatorin Anne Will, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Hans-Peter Friedrich (CSU) während der TV-Sendung «Anne Will» zum Thema „Zwischen Mitte und rechter Flanke - Wohin steuert Merkel Deutschland?“. Quelle: dpa

Berlin Erst das miese Ergebnis bei der Bundestagswahl, dann eine nervöse Schwesterpartei in Bayern und bald komplizierte Gespräche mit FDP und Grünen. Bundeskanzlerin Angela Merkel steht unter Druck und muss sich entscheiden, welchen Weg sie mit ihrer CDU in den kommenden vier Jahren einschlägt. Deshalb stellte Anne Will in ihrer Talkshow am Sonntagabend die Frage: „Zwischen Mitte und rechter Flanke - Wohin steuert Merkel Deutschland?“

Noch während der Sendung endeten im Berliner Konrad-Adenauer-Haus die stundenlangen Beratungen von CDU und CSU über eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik. Reporterin Tina Hassel berichtete in einer Live-Schalte über den Durchbruch: Die Union einigte sich auf eine Maximalzahl von 200 000 Flüchtlingen, die pro Jahr aufgenommen werden könnten. Diese Zahl könne bei Bedarf „nach oben oder unten“ korrigiert werden.

„Ich glaube, dass das ein gutes Ergebnis ist, mit dem man jetzt in die Koalitionsverhandlungen gehen kann“, befand Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich. CSU-Chef Horst Seehofer hatte sich mit seiner Forderung durchgesetzt, eine konkrete Zahl zu nennen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederum erreichte, dass es weiter bei Asylanträgen keine Abweisungen an der deutschen Grenze geben wird. Hassel nannte den Kompromiss „für beide Seiten gesichtswahrend“.

Auch die CDU-Ministerpräsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer, wollte nichts von einem Einknicken Merkels wissen. „Es ist ein Geben und Nehmen, wir sind eine lebendige Partei.“ Für Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) war bereits vorher klar, dass die Kanzlerin von ihrem Nein zu einer Maximalzahl abrückt. „Angela Merkel ist ziemlich biegsam.“

Nicht mit in der Talkrunde saßen die möglichen Koalitionspartner Merkels, FDP und Grüne. Es wäre spannend gewesen zu hören, wie sie auf den Kompromiss reagieren. Friedrich zeigte sich optimistisch, dass die Unionsforderung in den Koalitionsverhandlungen nicht gleich wieder kassiert wird. „Die Frage der Obergrenze ist eine prioritäre Frage.“

Das Ergebnis des stundenlangen Machtpokers vom Sonntag legt nah, dass die Union nach ihrem desolaten Wahlergebnis und im Kampf gegen die AfD ein Stück weit nach rechts rückt. Nach Ansicht von Ex-Linken-Fraktionschef Gregor Gysi ein Fehler: „Mit einem AfD-Kurs stärkt man sich nicht selbst, sondern die AfD.“

Kramp-Karrenbauer machte deutlich, dass sich die Union nach dem Votum der Wähler (32,9 Prozent) bewegen müsse. „Für uns muss die Zahl immer Richtung 40 gehen und nicht Richtung 30. Das ist unser Anspruch.“ Mit welchem Kurs ihre Partei dies bewerkstelligen wolle, ließ sie offen. Es blieb bei einem: „Der neue Punkt ist, dass wir auf die Bedürfnisse der Menschen mehr eingehen müssen.“

Am Ende der Sendung diskutierte die Runde, in der auch der Journalist und Buchautor Robin Alexander saß, das Ergebnis einer Bertelsmann-Studie. Demnach spalte sich die Wählerschaft in Skeptiker und Befürworter der Modernisierung. Alleine die Anhänger der AfD sind den Angaben zufolge mehrheitlich skeptisch.

Barley sieht es als eine Aufgabe der SPD, diese Wähler zurückzugewinnen. „Die Sozialdemokratie ist immer in Zeiten fundamentaler Veränderungen in der Gesellschaft gebraucht worden. Deswegen müssen wir für diese Menschen da sein. Nur wir können das.“ Das letzte Wort in einer nahezu konfliktfreien Sendung hatte CSU-Mann Friedrich. Auf die Frage, ob sein Parteichef Horst Seehofer jetzt „endlich Ruhe gebe“, antwortete er vielsagend: „Der bayrische Löwe wird weiter brüllen.“

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