Rede zur Energiewende Gauck löst Subventionsstreit aus

Die Energiewende darf keine Planwirtschaft werden, sagt der Bundespräsident und erntet damit Beifall bei der Koalition. Der CDU gehen die Warnungen aber nicht weit genug. Sie will die Solar-Forderung lieber ganz beenden.

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Bundespräsident Joachim Gauck spricht bei der

Berlin Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Joachim Pfeiffer, hat sich für die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ausgesprochen. Zugleich lobte er Bundespräsident Joachim Gauck, der wegen der Milliardenausgaben für die Förderung erneuerbarer Energien davor gewarnt hatte, die Energiewende per Planwirtschaft umzusetzen. Die Förderung der Solarbranche müsse „deutlich“ verringert werden, sagte Pfeiffer Handelsblatt Online. „Denn Photovoltaik ist nicht die Kuh, die am meisten Milch gibt - vielmehr frisst sie den Stromverbrauchern das letzte Haar vom Kopf.“ Es müsse daher „klar sein, dass das EEG endlich ist und nicht zur Sektsteuer in Potenz wird“. Der Umbau des Energiesystems werde nur mit dem Markt erfolgreich sein, so Pfeiffer.

Gauck hatte zuvor im Berliner Schloss Bellevue bei der Eröffnung der „Woche der Umwelt“ 2012 mit Blick auf die Energiewende gesagt, das „ehrgeizige Projekt, das sich Deutschland als führende Industrienation vorgenommen“ habe, werde „nicht gelingen allein mit planwirtschaftlichen Verordnungen“. Er warnte daher vor einem „Übermaß an Subventionen“.

Auch der CDU-Politiker Pfeiffer sagte, der Staat sei nicht der bessere Unternehmer, er müsse sich vielmehr auf seine originäre Rolle konzentrieren: die Setzung von Rahmenbedingungen. „Seine Aufgabe ist es, vom Mitspieler wieder zum Schiedsrichter zu werden“, so Pfeiffer. „Statt einer schleichenden Ausweitung der Staatswirtschaft ist eine stringente Rückzugsstrategie notwendig.“ Mit dem steigenden Anteil der Erneuerbaren am Energiemix müssten diese „schneller und wirkungsvoller sukzessive in den Markt geführt werden“.

Widerspruch kommt von der SPD und den Grünen. Zwar stimmt auch Fraktionsvize Ulrich Kelber mit der Auffassung des Bundespräsidenten überein, dass es möglichst viel Wettbewerb und möglichst wenige Subventionen beim Umbau der Energieversorgung geben sollte. „Die Gegner der Förderung der Erneuerbaren Energien sollten dem Bundespräsidenten aber ganz zuhören, wenn er davon spricht, dass die Preise auch die ökologische Wahrheit sagen müssen“, sagte Kelber Handelsblatt Online. „Und hier wird Strom aus Kohle und Gas gegenüber Erneuerbaren massiv subventioniert.“

Die Vize-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn, kritisierte die Subventionsdebatte als unglaubwürdig, zumal der Auf- und Ausbau der Kernenergie in Deutschland staatlicherseits ja ebenfalls  mit Milliarden-Subventionen betrieben worden sei. „Bei den fossilen Kraftwerken beherrschen vier Konzerne den Markt, hier fehlt es an Wettbewerb zu Lasten der Verbraucher“, sagte Höhn Handelsblatt Online. Der Erfolg des EEG gründe sich dagegen auf die darin eingesetzten Marktinstrumente. Durch die vielen privaten Investitionen seien dann auch jeweils die Prognosen für den Ausbau übertroffen worden. „Die Erneuerbaren Energien tragen gegenwärtig schon zur Senkung der Preise an der Strombörse und damit für die Wirtschaft bei“, unterstrich Höhn. „Was die EEG-Umlage für die Verbraucher so teuer macht, sind die von der Bundesregierung beschlossenen Ausnahmen für die großen Unternehmen.“


Rösler für EEG-Reform

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sprach sich dagegen mit Blick auf drohende Strompreiserhöhungen für eine Reform der Ökostromförderung aus. Deren Kosten zahlen die Bürger per Umlage über den Strompreis. „Da müssen wir uns tief in die Augen gucken: Wollen wir das bezahlen oder wollen wir das eine oder andere im System ändern“, sagte Rösler am Dienstag bei einer Veranstaltung zu „Ein Jahr Energiewende“ in seinem Berliner Ministerium. „Bisher ist das ein reines Subventionsgesetz“, sagte Rösler mit Blick auf das EEG. Der Einspeisevorrang für Ökostrom führe zudem dazu, dass bei viel Wind und Sonne konventionelle Kraftwerke heruntergefahren werden müssten und sich Investitionen in neue Gas- und Kohlekraftwerke daher derzeit kaum rechneten.

Allein 2011 zahlten Bürger und Unternehmen rund 13 Milliarden Euro an EEG-Umlage. Wegen unterschiedlicher Effekte - etwa mehr Wind- und Sonnenstrom, Ausnahmen für energieintensive Betriebe und steigende Netzentgelte - könnte die Energiewende den Strompreis deutlich steigen lassen. Der südwestdeutsche Energiekonzern EnBW erhöht zum 1. August seine Strompreise im Durchschnitt um mehr als zwei Prozent. Besonders aber Anfang 2013 droht eine Erhöhungswelle auf breiter Front. Im Oktober wird die neue EEG-Umlage für das nächste Jahr bekanntgegeben.

Bundespräsident Gauck betonte, es gebe keinen besseren Nährboden für Problemlösungen als eine Gesellschaft mit offenen Märkten und freiem Wettbewerb. Es sei dringlich, einen verlässlichen politischen Rahmen zu setzen und zwar so, dass Schädliches vermieden und Gewünschtes erreicht werde. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle forderte in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ eine Reform des Fördersystems und mehr Wettbewerb auch für die erneuerbaren Energien. „Das Erneuerbare-Energien-Gesetz war gut gemeint. Wenn es weiter so läuft, schadet es unserem Land. Es führt zur Überförderung, lähmt Innovationen, treibt Kosten, riskiert die Versorgungssicherheit und gefährdet die Energiewende.“

Als Alternative biete sich ein marktwirtschaftliches Mengenmodell an, das die Energieversorger verpflichte, einen bestimmten Anteil ihres Stroms aus erneuerbaren Quellen zu liefern, betonte Brüderle. Rösler kritisierte: „Aus meiner Sicht fehlt in der energiepolitischen Debatte ein Stück weit Ehrlichkeit.“ So sei die eine Hälfte der Wahrheit, dass mehr Solar- und Windstrom die Strombörsenpreise dämpfe. Dadurch steige aber andererseits die von allen Bürgern über den Strompreis zu zahlende Umlage. Denn bezahlt werden muss die Differenz zwischen dem für den Strom erzielten Preis und dem auf 20 Jahre festgelegten festen Vergütungssatz pro Kilowattstunde.

Die Bundesregierung hatte genau vor einem Jahr, am 6. Juni 2011, die Stilllegung von acht Atomkraftwerken, die stufenweise Abschaltung der neun restlichen AKW bis zum Jahr 2022 und einen forcierten Ausbau von Stromnetzen und erneuerbaren Energien beschlossen. „Für die Größe der Aufgabe sind wir ein gutes Stück vorangekommen“, sagte Rösler. Das Projekt dürfe aber nicht zu einer Planwirtschaft ausarten.

Der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) betonte am Dienstag, die unterschiedlichen Energiekonzepte von Bund und Ländern müssten unter einen Hut gebracht werden. Mit Rösler wolle er gut zusammenarbeiten: „Wir haben entschieden, uns zu mögen“, sagte Altmaier.

Dessen ungeachtet riet der CDU-Politiker Pfeiffer dazu, Energiepolitik auch europäisch zu denken, weil die Energieversorgung über nationale Grenzen hinweg durch Faktoren wie den Klimawandel und die Ressourcenkonkurrenz beeinflusst werde. „Deshalb sind die Vollendung des Binnenmarktes für Energie sowie die Formulierung und Umsetzung einer europäischen Energieaußenpolitik aus einem Guss unerlässlich.“

Mit Material von dpa

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